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BAG Urteil vom 19.11.1996 - 9 AZR 712/95

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechnung der Urlaubsdauer

 

Leitsatz (amtlich)

Bei Anwendung der in der Anlage 1 des BMTV aufgeführten Urlaubstabellen ist für die Bestimmung der Urlaubsdauer auf das im Urlaubsjahr vollendete Beschäftigungsjahr abzustellen.

 

Normenkette

Bundesmanteltarifvertrag Nr. 10 für die Arbeitnehmer in Privatkrankenanstalten (BMTV Nr. 10) vom 11. Dezember 1989 § 15 Abs. 3-4; Bundesmanteltarifvertrag Nr. 10 für die Arbeitnehmer in Privatkrankenanstalten (BMTV Nr. 10) vom 11. Dezember 1989 Anlage 1

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 29.08.1995; Aktenzeichen 8 Sa 31/95)

ArbG Heilbronn (Urteil vom 14.12.1994; Aktenzeichen 4 Ca 401/94)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 29. August 1995 – 8 Sa 31/95 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte für das Jahr 1994 drei Urlaubstage nachzugewähren hat.

Die am 13. Juli 1956 geborene Klägerin ist seit dem 1. Mai 1991 bei der Beklagten als Krankenpflegerin in der Sechs-Tage-Woche beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist aufgrund vertraglicher Bezugnahme der Bundesmanteltarifvertrag Nr. 10 für die Arbeitnehmer in Privatkrankenanstalten vom 11. Dezember 1989 (BMTV) anzuwenden. Darin ist u.a. folgendes geregelt:

§ 15

Erholungsurlaub

(1) Der Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr Anspruch auf Erholungsurlaub unter Zahlung der Urlaubsvergütung/des Urlaubslohnes.

…

…

(3) Die Dauer des Urlaubs richtet sich nach den Urlaubstabellen (Anlage 1), die Bestandteil dieses Tarifvertrages sind.

(4) Maßgebend für die Dauer des Urlaubs ist das Lebensjahr und die Beschäftigungszeit, die der Arbeitnehmer im Laufe des Kalenderjahres vollendet. Für die Dauer des Urlaubs der Jugendlichen ist das Lebensalter bei Beginn des Kalenderjahres maßgebend.

…

Die Anlage 1 enthält folgende Aufstellung:

Urlaubstabellen (6-Tage-Woche) ab 1. Januar 1990

Arbeitnehmer ohne Anspruch auf Zusatzurlaub im Sinne des § 15 Abs. 1 Unterabs. 2

1. bis 3.

4. bis 7. Beschäftigungsjahr Werktage

ab 8.

bis zum vollendeten 30. Lebensjahr

30

32

34

bis zum vollendeten 40. Lebensjahr

31

34

36

nach dem vollendeten 40. Lebensjahr

35

36

36

Die Klägerin hatte von der Beklagten für das Urlaubsjahr 1994 34 Urlaubstage verlangt. Die Beklagte hat es abgelehnt, mehr als 31 Urlaubstage zu gewähren. Deswegen hat die Klägerin am 12. Juli 1994 Feststellungsklage erhoben.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß ihr über die im Kalenderjahr 1994 bereits gewährten 31 Urlaubstage hinaus weitere drei Urlaubstage zustehen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat unter Abweisung der Klage im übrigen festgestellt, daß der Klägerin im Kalenderjahr 1994 31 Tage Urlaub zustehen. Die Berufung der Klägerin ist vom Landesarbeitsgericht zurückgewiesen worden. Die Anschlußberufung der Beklagten hat zur vollständigen Klageabweisung geführt. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den Anspruch auf drei weitere Urlaubstage. Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.

 

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.

1. Für das auf die Nachgewährung von drei Urlaubstagen beschränkte Feststellungsbegehren besteht ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen gerichtlichen Feststellung (§ 256 Abs. 1 ZPO). Zwar ist der Antrag auf das abgeschlossene Urlaubsjahr 1994 bezogen. Aus der Klagebegründung ergibt sich aber hinreichend, daß die Klage nicht auf die unzulässige Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses gerichtet ist (vgl. Senatsurteile vom 21. September 1993 BAGE 74, 201 = AP Nr. 22 zu § 256 ZPO 1977 und 19. Oktober 1993 – 9 AZR 478/91 – AP Nr. 23 zu § 256 ZPO 1977). Denn die Feststellungsklage soll der Durchsetzung eines schadenrechtlichen Ausgleichsanspruchs für den mit Ende des Urlaubsjahres 1994 untergegangenen Erfüllungsanspruchs auf drei weitere Urlaubstage dienen.

2. Die beantragte Feststellung war zu versagen. Denn das Landesarbeitsgericht ist entgegen der Revision im Ergebnis und in der Begründung zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß im Urlaubsjahr 1994 der Klägerin kein Anspruch über die ihr bereits gewährten Urlaubstage hinaus entstanden ist.

a) Die von der Klägerin geltend gemachten 34 Urlaubstage für das Jahr 1994 ergeben sich nicht aus der von den Parteien vereinbarten Anwendung des BMTV.

b) Nach § 15 Abs. 3 BMTV richtet sich die Dauer des Urlaubs nach den Urlaubstabellen, die als Anlage 1 Bestandteil des Tarifvertrages sind. Für die in der 6-Tage-Woche beschäftigte Klägerin ist die “Urlaubstabelle (6-Tage-Woche) ab 1. Januar 1990 für Arbeitnehmer ohne Anspruch auf Zusatzurlaub im Sinne von § 15 Abs. 1 Unterabs. 2 BMTV” einschlägig. Da die Klägerin am 13. Juli 1994 das 38. Lebensjahr vollendet hat, ist die Urlaubsdauer nach der zweiten Zeile der Tabelle “30. Lebensjahr bis zum vollendeten 40. Lebensjahr” zu bestimmen. Für die weitere Berechnung hat das Landesarbeitsgericht zu Recht die Urlaubsdauer mit 31 Werktagen anhand der ersten Spalte der Tabelle “1. bis 3. Beschäftigungsjahr” ermittelt. Denn nach § 15 Abs. 4 Satz 1 BMTV war für die Dauer des Urlaubs die Beschäftigungszeit maßgebend, die die Klägerin im Laufe des Jahres 1994 vollendet hat. Das war bei dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Beginn der Beschäftigung am 1. Mai 1991 die Vollendung des 3. Beschäftigungsjahres.

c) Entgegen der Ansicht der Revision kann nicht darauf abgestellt werden, daß am 1. Mai 1994 das vierte Beschäftigungsjahr begonnen hat. Unerheblich ist, daß der Begriff “vollendet” im Text der Urlaubstabelle nur auf das Lebensjahr bezogen ist. Der tarifliche Gesamtzusammenhang läßt nämlich hinreichend deutlich erkennen, daß die in § 15 Abs. 4 Satz 1 BMTV aufgestellte Regel “maßgebend ist … das Lebensjahr und die Beschäftigungszeit, die der Arbeitnehmer im Laufe des Kalenderjahres vollendet” auch auf den in der Urlaubstabelle verwendeten Begriff des Beschäftigungsjahres zu beziehen ist. Beschäftigungszeit ist als Oberbegriff für Beschäftigungsjahre zu verstehen. Das Beschäftigungsjahr ist die Einheit, in der die Beschäftigungszeit gemessen wird. Die beiden in § 15 Abs. 4 Satz 1 BMTV vorgegebenen Maßeinheiten im Urlaubsjahr vollendetes Lebens- und Beschäftigungsjahr werden durch die Tabelle in die von den Tarifvertragsparteien für angemessen erachtete Beziehung zueinander gesetzt, um so die individuelle Urlaubsdauer zu bestimmen. Die in der Tabelle enthaltenen Textangaben sind notwendigerweise verkürzt. Sie dienen der schnellen Orientierung und nicht einer Modifizierung der im vollen Wortlaut ausgeschriebenen tariflichen Bestimmungen.

d) Die von der Revision erhobene Rüge der Verletzung der §§ 139, 286 ZPO greift nicht durch (§ 565a Satz 1 ZPO). Es bestand für das Landesarbeitsgericht keine Veranlassung zur Einholung von Auskünften der Tarifvertragsparteien. Denn bei der Auslegung von Rechtsnormen des Tarifvertrages ist der Wille der Tarifvertragsparteien nur insoweit zu berücksichtigen, als er im Wortlaut der tariflichen Normen seinen erkennbaren Ausdruck gefunden hat (vgl. BAGE 39, 321 = AP Nr. 55 zu § 616 BGB; BAGE 42, 86 = AP Nr. 128 zu § 1 TVG Auslegung).

II. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

 

Unterschriften

Leinemann, Müller-Glöge, Düwell, Hammer, Gaber

 

Fundstellen

Haufe-Index 885476

NZA 1997, 1181

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