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BAG Urteil vom 19.02.2002 - 3 AZR 589/99

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellungsklage. Berechnung der Betriebsrente. Berechnung der Betriebsrente im Wege der Feststellungsklage

 

Leitsatz (redaktionell)

Streiten die Parteien nur über einzelne Berechnungsgrundlagen einer Betriebsrente, so kann zwar eine darauf beschränkte Feststellungsklage prozesswirtschaftlich sinnvoll und deshalb das erforderliche Feststellungsinteresse zu bejahen sein, allerdings setzt dies voraus, dass die Feststellungsklage auf einem einfacheren Weg zu einer abschließenden Klärung des Rentenanspruchs führt.

 

Normenkette

ZPO § 256 Abs. 1, § 264 Nrn. 2-3, § 554 Abs. 3 Nr. 3a a.F.; ArbGG § 46 Abs. 2, § 72 Abs. 5; ZPO § 264 Nr 3; ZPO a.F. § 554 Abs. 3 Nr. 3a

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 07.07.1999; Aktenzeichen 8 Sa 1132/98)

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 01.10.1997; Aktenzeichen 7 Ca 7010/96)

 

Tenor

  • Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 7. Juli 1999 – 8 Sa 1132/98 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Klage als unzulässig abgewiesen wird.
  • Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Höhe der betrieblichen Invaliditätsrente des Klägers.

Er war vom 1. Oktober 1973 bis zum 31. Oktober 1995 bei einem Trägerunternehmen der beklagten Unterstützungskasse beschäftigt. Seit 1. November 1995 erhält er eine betriebliche Altersversorgung wegen Invalidität. Sie setzt sich aus Leistungen einer Pensionskasse und dem Rentenzuschuß der Beklagten zusammen. Der Rentenzuschuß ergänzt im Rahmen einer Gesamtversorgung die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung und der Pensionskasse. Er richtet sich nach dem Berechnungseinkommen, der anrechnungsfähigen Dienstzeit und den zu berücksichtigenden anderweitigen Versorgungsbezügen. Das Berechnungseinkommen bei Vollbeschäftigung war in § 6 der Richtlinien der Beklagten vom 1. Januar 1989 (RL 89) wie folgt geregelt:

  • “
  • Als Berechnungseinkommen gilt das durchschnittliche Monatseinkommen der letzten 24 Monate, in denen ein Arbeitseinkommen bezogen wurde.
  • Funktions-, Leistungs-, Ausgleichs- und Familienzulagen sowie Überstundenpauschalen sind in das Monatseinkommen einzubeziehen.
  • Nicht zum Monatseinkommen im Sinne dieser Vorschrift gehören Sonderzuwendungen gemäß Manteltarifvertrag, vermögenswirksame Leistungen; ferner Zuschläge für Nacht- oder Sonntagsarbeit, Leistungsprämien, Entgelt für Überstunden sowie andere unregelmäßig oder einmal gewährte Leistungen.
  • Von der Festsetzung des Berechnungseinkommens gemäß Ziffer 1 kann abgewichen werden, wenn die Trägerunternehmen mit ausdrücklichem Bezug auf die RZK in besonderen Dienstverträgen oder sonstwie schriftlich ein anderes Berechnungseinkommen vorgesehen haben.”

Als die Arbeitgeberin die Jahresbezüge des Klägers mit Schreiben vom 16. Dezember 1981 auf 90.000,00 DM brutto erhöhte, wies sie ihn darauf hin, “daß im Hinblick auf die betriebliche Altersversorgung die Obergrenze für die ruhegehaltsfähigen Bezüge einheitlich in der c AG auf DM 100.000,00 begrenzt” sei. Mit Schreiben vom 30. Dezember 1991 setzte sie seine Jahresbezüge ab 1. Januar 1992 auf 126.000,00 DM fest und teilte ihm mit, daß “die Ruhegehaltsfähigkeit für diese Gehaltsebene auf DM 110.000,00 angehoben und begrenzt” werde. Die letzte Erhöhung seiner Vergütung erfolgte mit Schreiben der Arbeitgeberin vom 17. Dezember 1992. Seither beliefen sich seine Bezüge auf jährlich 130.000,00 DM. Der Kläger wurde erneut darauf aufmerksam gemacht, daß die Ruhegehaltsfähigkeit auf 110.000,00 DM jährlich begrenzt bleibe. Diese Schreiben entsprachen der damaligen Praxis. Bei Gehaltserhöhungen in den oberen Führungsebenen wurde nur der als ruhegehaltsfähig bezeichnete Gehaltsanteil als Berechnungseinkommen für den Rentenzuschuß zugrunde gelegt. Darüber war es gelegentlich zu Streit gekommen.

Die Mitgliederversammlung der Beklagten änderte am 24. August 1993 die Regelung des Berechnungseinkommens in ihren Richtlinien. Der Konzernbetriebsrat war bei der Beschlußfassung paritätisch beteiligt. § 6 Nr. 1 und 2 der Richtlinien lauten seit 1. Januar 1994 wie folgt:

  • “
  • Als Berechnungseinkommen gilt das bei der Pensionskasse versicherte monatliche Einkommen.

    Für Mitarbeiter, die nach den Versicherungsbedingungen der Pensionskasse keine Aufnahmen in die PK finden konnten, gilt § 17 der Richtlinien.

  • Von der Festsetzung des Berechnungseinkommens gemäß Ziffer 1 kann abgewichen werden, wenn die Trägerunternehmen mit ausdrücklichem Bezug auf die RZK in besonderen Dienstverträgen oder sonstwie schriftlich ein anderes Berechnungseinkommen vorgesehen haben.”

Die Beklagte zahlt dem Kläger ausgehend von einem jährlichen Berechnungseinkommen von 110.000,00 DM einen Rentenzuschuß von monatlich 1.711,00 DM.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß § 6 RL 89 anzuwenden sei. Die Änderung durch den Beschluß der Mitgliederversammlung vom 24. August 1993 sei unwirksam. Nach § 6 RL 89 sei sein letztes tatsächliches Gehalt für das Berechnungseinkommen maßgebend.

Der Kläger hat in den Vorinstanzen zuletzt beantragt

festzustellen, daß bei der Berechnung seiner Invalidenrente ein Berechnungseinkommen von 10.666,66 DM zugrunde zu legen ist.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, die Klage sei unzulässig, zumindest aber unbegründet. Das erforderliche Feststellungsinteresse fehle. Die vom Kläger begehrte Feststellung eines höheren Berechnungseinkommens führe zu keinem höheren Rentenzuschuß. Sie dürfe den Rentenzuschuß nach § 5 Nr. 5 ihrer Richtlinien um 0,15 Prozentpunkte für jeden Monat der Rentenzahlung vor Vollendung des 65. Lebensjahres mindern und außerdem nach § 2 Abs. 1 BetrAVG zeitanteilig kürzen. Von diesen Möglichkeiten mache sie Gebrauch, wenn von einem höheren Berechnungseinkommen auszugehen sei, als von ihr angenommen. Abgesehen davon sei die Begrenzung des Berechnungseinkommens auf jährlich 110.000,00 DM wirksam.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie als unbegründet abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision. Er begehrt nunmehr, die Feststellung, daß bei der Berechnung seiner Invalidenrente ein Berechnungseinkommen von 10.833,00 DM monatlich zugrunde zu legen sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist zwar zulässig, hat aber keinen Erfolg. Seine Klage ist abzuweisen, allerdings nicht als unbegründet, sondern als unzulässig.

I. Die prozessualen Voraussetzungen der Revision sind erfüllt. Entgegen der Ansicht der Beklagten wird die Revisionsbegründung des Klägers den Anforderungen des § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 554 Abs. 3 Nr. 3a ZPO aF gerecht. § 554 Abs. 3 Nr. 3a ZPO aF verlangt die Angabe der Revisionsgründe, wobei die verletzte Rechtsnorm zu bezeichnen ist. Die Angabe bestimmter Paragraphen ist nicht erforderlich (vgl. ua. BAG 4. Oktober 1994 – 3 AZR 215/94 – AP BetrAVG § 2 Nr. 22 = EzA BetrAVG § 2 Nr. 14, zu A der Gründe; 16. Juni 1999 – 4 AZR 446/98 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Rundfunk Nr. 31 = EzA TVG § 4 Rundfunk Nr. 20, zu I 1 der Gründe). Die Revisionsbegründung muß jedoch den Rechtsfehler aufzeigen. Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs müssen erkennbar sein (vgl. ua. BAG 22. August 2001 – 5 AZR 108/00 – AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 144 = EzA BeschFG 1985 § 2 Nr. 66, zu II 1 der Gründe). Nach diesen Maßstäben enthält die Revisionsbegründung des Klägers eine ausreichende Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils.

Der Kläger mußte nicht auf Erwägungen des Landesarbeitsgerichts eingehen, auf die es nach seiner Rechtsauffassung nicht ankommt. Es genügte, daß er die seiner Meinung nach entscheidenden Rechtsfehler aufzeigte. Auf fünf Seiten hat der Kläger ausgeführt, weshalb seiner Ansicht nach ein unzulässiger Eingriff in die dienstzeitunabhängige Dynamik vorliege und welche Gesichtspunkte das Landesarbeitsgericht dabei übersehen habe. Für die Zulässigkeit der Revision spielt es keine Rolle, ob die Argumente des Klägers überzeugen.

II. Der Kläger konnte ausnahmsweise im Revisionsverfahren die Klage erweitern. Änderungen und Erweiterungen des Sachantrags sind in der Revisionsinstanz grundsätzlich unzulässig. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn die Veränderung des Klageantrags unter § 264 Nr. 2 oder 3 ZPO fällt und auch der neue Antrag auf unstreitiges oder festgestelltes tatsächliches Vorbringen gestützt werden kann (vgl. ua. BAG 26. Mai 1993 – 4 AZR 149/92 – AP AVR Diakonisches Werk § 12 Nr. 2 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 28, zu I 2 der Gründe). Bei der vorliegenden Klageerweiterung handelt es sich um eine von § 264 Nr. 2 ZPO erfaßte quantitative Erhöhung ohne Änderung des Klagegrundes. Die vom Kläger für maßgeblich gehaltenen tatsächlichen Bezüge sind unstreitig. Sie beliefen sich nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auf jährlich 130.000,00 DM. Die Verteidigungsmöglichkeiten der Beklagten würden durch eine abschließende Entscheidung nicht beeinträchtigt, zumal sich die Einwände der Beklagten gegen den ursprünglichen und den nunmehrigen Sachantrag nicht unterscheiden.

III. Der Feststellungsantrag genügt nicht den Anforderungen des § 256 Abs. 1 ZPO. Streiten die Parteien nur über einzelne Berechnungsgrundlagen einer Betriebsrente, so kann zwar eine darauf beschränkte Feststellungsklage prozeßwirtschaftlich sinnvoll und deshalb das erforderliche Feststellungsinteresse zu bejahen sein. Dies setzt aber voraus, daß die Feststellungsklage auf einem einfacheren Wege zu einer abschließenden Klärung des Rentenanspruchs führt (vgl. ua. BAG 8. Mai 1984 – 3 AZR 68/82 – AP BetrAVG § 7 Nr. 20 = EzA BetrAVG § 7 Nr. 14, zu I der Gründe mwN). Eine derartige Bereinigung der zwischen den Parteien bestehenden Meinungsverschiedenheiten wird im vorliegenden Fall nicht erreicht.

Die Beklagte hat sich sowohl in den Vorinstanzen als auch im Revisionsverfahren auf Kürzungsmöglichkeiten berufen. Wenn sie bestünden, würde sich ein höheres Berechnungseinkommen im Ergebnis nicht auf die Höhe der Betriebsrente auswirken. Ob die von der Beklagten geltend gemachten Kürzungsmöglichkeiten bestehen oder nicht bestehen, hat der Senat nicht zu prüfen, denn sie sind nicht Gegenstand der Feststellungsklage. Demnach wäre ein weiterer Rechtsstreit über die Höhe der Betriebsrente vorgezeichnet. Von dessen Ausgang hinge es ab, ob das vom Kläger im vorliegenden Rechtsstreit begehrte Feststellungsurteil überhaupt eine Bedeutung für den Umfang seiner Altersversorgung gewinnt. Der Prozeßökonomie widerspräche es hier, die Klärung der Betriebsrentenberechnung auf mehrere Verfahren aufzuspalten.

 

Unterschriften

Reinecke, Kremhelmer, Bepler, Stemmer

Frau Frehse ist durch Urlaub an der Unterschrift verhindert

Kremhelmer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI848018

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