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BAG Urteil vom 17.12.1992 - 6 AZR 78/92

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulagen. Bewegungsgeld im Polizeivollzugsdienst

 

Normenkette

BAT § 33 Abs. 1 Buchst. a, § 26; ZPO § 554 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b, § 561 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 28.11.1991; Aktenzeichen 9 Sa 746/91)

ArbG Hannover (Urteil vom 12.04.1991; Aktenzeichen 6 Ca 20/91)

 

Tenor

1. Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 28. November 1991 – 9 Sa 746/91 – wird zurückgewiesen.

2. Das beklagte Land hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das beklagte Land dem Kläger ein pauschales Bewegungsgeld zahlen muß, wie es Polizeivollzugsbeamten gewährt wird.

Der Kläger ist seit 1982 als kriminaltechnischer Angestellter in einem Fachkommissariat mit ausschließlich erkennungsdienstlichem Aufgabenbereich der Polizeidirektion H. beschäftigt. Kraft einzelvertraglicher Bezugnahme findet auf das Arbeitsverhältnis der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung. Die Einsätze im Erkennungsdienst erfolgen überwiegend in Zweiergruppen. Hierbei arbeitet der Kläger zumeist mit einer Beamtin zusammen. Nach Art und Umfang entspricht seine Tätigkeit der der Polizeivollzugsbeamten des Kommissariats. Nennenswerte Unterschiede bestehen nicht. Nur die polizeilichen Befugnisse des zum Hilfspolizeibeamten des beklagten Landes bestellten Klägers reichen nicht soweit wie die der Beamten.

Die Polizeivollzugsbeamten im Fachkommissariat des Klägers erhalten ein pauschales Bewegungsgeld in Höhe von 50,00 DM monatlich. Die Zahlungen beruhen auf dem Runderlaß des Niedersächsischen Ministers des Innern vom 24. Oktober 1984 (ND MBl 1984, 907). Dieser lautet, soweit vorliegend von Bedeutung, wie folgt:

„1. Bewegungsgeld

1.1 Die Polizeivollzugsbeamten im Kriminaldienst und die Beamten der Schutzpolizei/Wasserschutzpolizei, die sich gemäß § 27 PolNLVO in der Unterweisung für die Kriminalpolizei befinden, erhalten zur Abgeltung der in diesem Dienst entstehenden besonderen Aufwendungen als Aufwandsentschädigung ein Bewegungsgeld.

1.2 Besondere Aufwendungen i.S. der Nr. 1.1 sind insbesondere Auslagen, die dem Kriminalbeamten bei Ermittlungen, Fahndungen und der Beschaffung von Informationen (z.B. durch Besuch von Lokalen, Vergnügungsstätten) für die eigene Person und für Dritte erwachsen.

Hierzu gehören nicht Ausgaben, die aus den hierfür bestimmten Haushaltsmitteln besonders erstattet werden (z.B. Nebenkosten bei Dienstreisen und Dienstgängen, Fernsprechgebühren, Geldzuwendungen an Dritte).

1.3 Ein pauschales Bewegungsgeld in der im Haushaltsplan festgesetzten Höhe erhalten die Polizeivollzugsbeamten im Kriminaldienst

…

1.3.4 der Fachkommissariate und Kriminalkommissariate mit Ausnahme der Kriminalkommissariatsleiter.”

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, auch ihm stehe das pauschale Bewegungsgeld zu. Dies folge aus § 33 Abs. 1 Buchst. a BAT. Seine Tätigkeit stimme im wesentlichen mit der der Beamten seines Fachkommissariats überein. Er habe auch Mehraufwendungen, die dadurch entstünden, daß er Personen, die er am Tatort oder in der Dienststelle erkennungsdienstlich behandele, Zigaretten oder Getränke anbiete, um den Umgang mit ihnen einfacher und verläßlicher zu gestalten. Auf einen Nachweis von Mehraufwendungen komme es nicht an. Auch von den Beamten des Fachkommissariats werde dies nicht verlangt.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, an ihn ab 1. Januar 1990 pauschales Bewegungsgeld in Höhe von gegenwärtig 50,00 DM monatlich nach Maßgabe der Nr. I.1.6 bis 1.7 des Runderlasses des Ministers des Innern vom 24. Oktober 1984 zu zahlen.

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und gemeint, es fehle an den Anspruchsvoraussetzungen. Die vom Kläger angeführten Aufwendungen seien vom Zweck seiner Tätigkeit im Erkennungsdienst nicht gedeckt, sondern nur menschlicher Natur oder nach Nr. 1.2 des Runderlasses ausgeschlossen. Außerdem seien Polizeivollzugsbeamte, obwohl sie im erkennungsdienstlichen Bereich die gleichen Aufgaben erfüllten wie der Kläger, im Gegensatz zu diesem befugt, polizeiliche Aufgaben wie Ermittlungen und Fahndungen vorzunehmen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision erstrebt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dem Kläger stehe nach § 33 Abs. 1 Buchst. a BAT i.V.m. dem genannten Runderlaß das pauschale Bewegungsgeld zu. Der Kläger habe Mehraufwendungen dargetan, die mit seiner Tätigkeit verbunden seien und die er habe für erforderlich halten können. Die Aufzählung besonderer Aufwendungen in Nr. 1.2 des Runderlasses, wie sie Kriminalbeamten bei Ermittlungen, Fahndungen und der Beschaffung von Informationen entstünden, sei nur beispielhaft.

Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

II. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung des pauschalen Bewegungsgeldes, wie das beklagte Land es den Polizeivollzugsbeamten im Fachkommissariat des Klägers aufgrund des Runderlasses des Niedersächsischen Ministers des Innern vom 24. Oktober 1984 gewährt.

Nach § 33 Abs. 1 Buchst. a BAT erhält der Angestellte für die Zeit, für die ihm Vergütung (§ 26 BAT) zusteht, eine Zulage, wenn seine Tätigkeit mit Mehraufwendungen verbunden ist, die weder durch Reisekostenvergütung noch durch die Vergütung abgegolten sind, und dem entsprechenden Beamten seines Arbeitgebers unter den gleichen Voraussetzungen und Umständen eine Zulage zu gewähren ist. Diese Anspruchsvoraussetzungen erfüllt der Kläger.

1. Der Kläger hat Mehraufwendungen, die das beklagte Land nicht in Abrede stellt. Er bietet Personen, die er am Tatort oder in der Dienststelle erkennungsdienstlich behandelt, Zigaretten und gelegentlich auch Getränke wie Kaffee oder Cola an. Diese Erfrischungs- oder Genußmittel werden vom Arbeitgeber weder bezahlt noch für diesen Zweck zur Verfügung gestellt, da sie nicht zur Erledigung der Dienstgeschäfte notwendig sind. Durch ihre Hingabe will der Kläger aber nach eigenem – von dem beklagten Land nicht bestrittenen – Vorbringen den Umgang mit den erkennungsdienstlich zu behandelnden Personen vereinfachen und Kontakte zu ihnen offener und aufgeschlossener gestalten. Deshalb handelt es sich dabei um Mehraufwendungen i.S. des § 33 Abs. 1 Buchst. a BAT. Auf ihre Notwendigkeit kommt es nicht an. Insoweit fehlt es im Wortlaut der Tarifnorm, wie auch im Runderlaß, an einem Anknüpfungspunkt.

Die Mehraufwendungen des Klägers sind auch nicht durch die Vergütung (§ 26 BAT) abgegolten. Die monatliche Vergütung dient der Bestreitung des Lebensunterhalts des Angestellten; die hier in Rede stehenden Aufwendungen entstehen durch die Dienstausübung. Sie sind nicht dem privaten Lebensbereich zuzurechnen, da der Kläger sie ausschließlich zu dienstlichen Zwecken tätigt.

2. Für diese Mehraufwendungen gewährt das beklagte Land den Beamten, die dem Kläger entsprechen, unter den gleichen Voraussetzungen und Umständen das pauschale Bewegungsgeld nach dem genannten Runderlaß.

a) Die Polizeivollzungsbeamten im Kriminaldienst sind dem Kläger entsprechende Beamte i.S. des § 33 Abs. 1 Buchst. a BAT.

Wann Beamte und Angestellte im Sinne dieser Tarifnorm einander entsprechen, läßt sich nur nach Sinn und Zweck der Norm beantworten (BAG Urteil vom 3. Mai 1983 – 3 AZR 41/81 – AP Nr. 8 zu § 33 BAT, zu 2 b der Gründe). Ungeachtet der unterschiedlichen Rechtsstellung der Bediensteten soll die Vorschrift eine Gleichbehandlung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes bei der Gewährung von Zulagen für Mehraufwendungen gewährleisten. Im Einzelfall darf nicht nach sachfremden oder willkürlichen Merkmalen unterschieden werden. Identische oder nahezu identische Tätigkeit ist nicht erforderlich; es genügt eine Ähnlichkeit im Sinne einer Vergleichbarkeit der Funktionen (BAG, a.a.O.). Bei diesem Verständnis des Merkmals „entsprechend” soll der Hinweis auf den entsprechenden Beamten nur verhindern, daß nicht Bedienstete in staatlichen Stellen mit ganz unterschiedlichen Funktionen verglichen werden.

Die Aufgabenkreise der Polizeivollzugsbeamten und der Angestellten im Fachkommissariat Erkennungsdienst bei der Polizeidirektion H. decken sich im wesentlichen, wenn auch nicht vollständig. Die Polizeivollzugsbeamten sind somit im Verhältnis zum Kläger „entsprechende Beamte” im Sinne der Tarifnorm.

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, an die der Senat gebunden ist, entspricht die Tätigkeit des Klägers nach Art und Umfang der Tätigkeit der Polizeivollzugsbeamten des Fachkommissariats Erkennungsdienst. Nennenswerte unterschiede bestehen nicht. Da das beklagte Land unter diesen Voraussetzungen und Umständen den Beamten ein pauschales Bewegungsgeld gewährt, hat der Kläger nach § 33 Abs. 1 Buchst. a BAT ebenfalls einen Anspruch auf die Leistung.

b) Dem steht nicht entgegen, daß nach dem Vortrag des beklagten Landes in den Vorinstanzen die Polizeivollzugsbeamten anders als die Angestellten des ermittlungstechnischen Dienstes zu weiteren polizeilichen Aufgaben herangezogen werden. Dadurch werden die Funktionen beider Bedienstetengruppen in ihrer Vergleichbarkeit nicht beeinträchtigt. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß solche nichterkennungsdienstlichen Tätigkeiten nur ganz sporadisch von den Beamten des Fachkommissariats, in dem der Kläger beschäftigt ist, wahrgenommen werden. Diese Feststellung hat das beklagte Land nicht mit einer Verfahrensrüge (§ 554 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b ZPO) angegriffen. Der Senat ist deshalb gemäß § 561 Abs. 2 ZPO an sie gebunden.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Peifer, Dr. Jobs, Dr. Armbrüster, Fohrmann, Rose

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1083506

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