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BAG Urteil vom 04.12.1986 - 2 AZR 776/85

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässigkeit einer Teilkündigung

 

Orientierungssatz

Eine einseitige Aufkündigung einzelner vertraglicher Abmachungen im Wege einer Teilkündigung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unzulässig, soweit vertraglich nicht eine Widerrufsmöglichkeit vereinbar ist.

 

Normenkette

BGB § 620

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 27.11.1985; Aktenzeichen 5 Sa 9/85)

ArbG Lingen (Entscheidung vom 04.12.1984; Aktenzeichen 1 Ca 885/84)

 

Tatbestand

Der Kläger - ehemals Lizenzspieler bei der Fußball-Bundesliga-Mannschaft B M - war seit 1975 Arbeitnehmer der P & Co.. In dem damals abgeschlossenen Arbeitsvertrag war eine Wochenarbeitsstundenzahl von"30 bis 40" vereinbart, in dem Abschnitt "Bemerkungen und Zusätze" hieß es: "Trainer II. Arbeitsverhältnis". Diese Klausel war in den Vertrag aufgenommen worden, weil es dem Kläger wichtig war, neben seiner Arbeit zugleich als Trainer tätig sein zu können.

Die Beklagte trat mit Wirkung vom 1. Januar 1979 gemäß § 613 a BGB in die Rechte und Pflichten aus dem zwischen dem Kläger und den P bestehenden Arbeitsverhältnis ein. Das Gehalt des Klägers betrug zuletzt 2.073,-- DM nebst einer übertariflichen Zulage von 295,-- DM.

Der Kläger war während des Bestehens seines Arbeitsverhältnisses zur Beklagten bei verschiedenen Vereinen als Trainer tätig, zuletzt beim SG F.

Im Februar 1982 bat der Kläger die Beklagte, ihm einen anderen Arbeitsplatz, und zwar im Bürobereich, zuzuweisen. Er berief sich hierbei auf ein ärztliches Attest vom 27. Januar 1982, in dem unter Darstellung eines Wirbelsäulenleidens empfohlen wurde, aus gesundheitlichen Gründen Arbeiten mit häufigem Bücken und Anheben von Lasten nicht zu verrichten, da ansonsten mit einer weiteren Schädigung des Grundleidens zu rechnen sei. Die gleiche Empfehlung ergab sich aus einer ärztlichen Bescheinigung, die nach einem Heilverfahren vom 1. 6. bis 29. 6.1982 erstellt wurde. Die Beklagte riet hierauf zu einer Umschulung.

Vom 21. August bis 31. August 1984 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Am 23. August 1984 leitete er das Fußballtraining seines Vereins. Die Beklagte mahnte ihn deshalb mit Schreiben vom 28. August 1984 ab.

Am 20. September 1984 bat die Beklagte den Betriebsrat um Zustimmung zu einer Teilkündigung des Absatzes in dem Arbeitsvertrag, in dem die Trainertätigkeit erwähnt ist. Der Betriebsausschuß "sah keine Möglichkeit, Widerspruch einzulegen bzw. Bedenken zu äußern", da der Kläger am 23. August 1984 das Training des SG F geleitet habe.

Die Beklagte teilte dem Kläger hierauf durch Einschreiben vom 3. Oktober 1984 mit:

"Sehr geehrter Herr L ,

hiermit kündigen wir die in der Einstellungsver-

einbarung vom 02.10.1975 getroffene Vereinbarung:

"Trainer 2. Arbeitsverhältnis" fristgemäß mit Wir-

kung zum 31.03.1985. Alle anderen mit Ihnen getrof-

fenen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen bleiben

erhalten. Zu dieser Teilkündigung haben wir den Be-

triebsrat vorher gehört. Der Betriebsrat hat in

seiner Sitzung vom 20.09.1984 gegen diese Kündigung

weder Bedenken erhoben noch Widerspruch eingelegt.

Wir teilen Ihnen diese Kündigung deswegen so früh-

zeitig mit, damit Sie Gelegenheit haben, Ihr zwei-

tes Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß zu kündigen.

Wir gehen daher davon aus, daß das Beschäftigungs-

verhältnis mit dem SC F spätestens am 31.03.

1985 seine Beendigung findet. Wir weisen bereits

heute darauf hin, daß wir uns weitere arbeitsrecht-

liche Maßnahmen vorbehalten, wenn Sie sich ent-

sprechend vertragswidrig verhalten."

Der Kläger hält diese Maßnahme für unwirksam. Er hat vorgetragen, die Trainertätigkeit habe einen Zeitumfang von wöchentlich etwa zweieinhalb Stunden. Sie beeinträchtige seinen Gesundheitszustand nicht. Die Beklagte könne ihm daher diese Tätigkeit nicht verbieten. Die von der Beklagten vorgenommene Änderung der Arbeitsbedingungen nehme er unter dem Vorbehalt an, daß diese nicht sozial ungerechtfertigt seien.

Der Kläger hat beantragt festzustellen, daß die Teilkündigung vom 3. Oktober 1984 unwirksam sei.

Die Beklagte hat, soweit in der Revision noch erheblich, Klagabweisung beantragt.

Sie hat geltend gemacht, bei der Gestattung der Nebentätigkeit handele es sich um einen selbständigen Vertragsbestandteil, der ohne Störung des übrigen vertraglichen Äquivalenz- und Ordnungsgefüges aus dem Vertrag herausgelöst werden könne. Insoweit sei eine Teilkündigung zulässig und auch begründet. Das Arbeitsverhältnis sei geprägt durch eine gegenseitige Fürsorge- und Treuepflicht. Der Arbeitnehmer müsse daher alles unterlassen, was seine Genesung verzögere. Der Kläger übe eine umfassende Tätigkeit aus, er trainiere wöchentlich eine Mannschaft und betreue sie an den Spieltagen. Insgesamt sei er durchschnittlich zwölf Stunden pro Woche für den SG F tätig. Bei dem Training am 23. August 1984 habe er sogar aktiv als Torsteher mitgespielt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Teilkündigung sei unzulässig, denn durch sie solle das von den Parteien vereinbarte Äquivalenz- und Ordnungsgefüge gelöst werden. Sie sei nicht allein als Reaktion auf das durch Abmahnung geahndete Verhalten vom 23. August 1984 zu sehen, vielmehr erachte die Beklagte das Gesamtverhalten des Klägers als vertragswidrig und wolle es beenden. Sie wolle damit den Inhalt der Vertragsbeziehungen zu ihren Gunsten verändern, ohne daß sie gleichzeitig auf ihre Rechte aus der vertraglichen Bindung verzichte.

II. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts halten einer rechtlichen Überprüfung stand.

1. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß die Beklagte durch ihr Schreiben vom 3. Oktober 1984 nicht nur einem Fehlverhalten des Klägers begegnen wollte, das sie bereits durch Abmahnung geahndet hatte, sondern es vielmehr in ihrer Absicht lag, die vertraglichen Beziehungen für die Zukunft einseitig zu ändern. Eine solche einseitige Aufkündigung einzelner vertraglicher Abmachungen im Wege einer Teilkündigung ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 5, 44 = AP Nr. 2 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; BAG 40, 199 = AP Nr. 5 zu § 620 BGB Teilkündigung; BAG Urteil vom 4. Februar 1958 - 3 AZR 110/55 - AP Nr. 1 zu § 620 BGB Teilkündigung; Urteil vom 14. Oktober 1960 - 1 AZR 255/58 - AP Nr. 25 zu § 123 Gew0, mit zust. Anm. von Hueck) unzulässig, soweit vertraglich nicht eine Widerrufsmöglichkeit vereinbart ist (so auch Hueck, KSchG, 10. Aufl., § 2 Rz 5).

Wie der Senat in der zuletzt genannten Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, will eine Partei sich durch eine Teilkündigung eines Teils ihrer Verpflichtungen entziehen. Hierdurch wird jedoch das vereinbarte Äquivalenz- und Ordnungsgefüge gestört (vgl. BAG 40, 199 = AP, aa0, m. w. N.).

Bei jedem Vertrag sind Haupt- und Nebenpflichten denkbar, wobei auch die Nebenpflichten und Nebenvergünstigungen vom Äquivalenzverhältnis erfaßt sind, wenn auch nicht vom Synallagma.

Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob für den Kläger die Möglichkeit, als Trainer tätig sein zu können, so wesentlich war, daß er nur unter dieser Voraussetzung, die damit als Hauptpflicht der Beklagten vom Gegenseitigkeitsverhältnis umfaßt wäre, den Vertrag abgeschlossen hat. Entsprechende tatsächliche Feststellungen hat das Landesarbeitsgericht nicht getroffen. Das bedarf keiner Klärung, weil jede vertragliche Vereinbarung, und zwar auch die einer vertraglichen Nebenpflicht, deshalb in den Vertag aufgenommen wird, um sie vertraglich abzusichern, soweit nichts Abweichendes vereinbart ist. Andernfalls würde der Vertrag seines Sinnes als Vertrag entleert. Entgegen der Auffassung von Wolf (KR-Wolf, 2. Aufl., Grunds.144 ff) ist daher im Rahmen eines einheitlichen Vertragsverhältnisses für eine Teilkündigung kein Raum, da das Äquivalenzverhältnis das gesamte Vertragsgefüge erfaßt. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn Vertragsparteien mehrere selbständige Verträge in einer Vertragsurkunde zusammengefaßt haben, wie bereits das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 8. November 1957 (aa0) zutreffend ausgeführt hat. Die bei Kündigung eines dieser Verträge nach der Gesamturkunde so erscheinende "Teilkündigung" ist nämlich dann nicht als "Teilkündigung" eines einheitlichen Vertragsgefüges zulässig, sondern deswegen, weil ein Sammelvertragsverhältnis vorliegt, das sich aus mehreren Teilverträgen zusammensetzt, wobei die Teilverträge nach dem Gesamtbild des Vertragsverhältnisses so konzipiert sind, daß jeder Teilvertrag für sich als selbständig lösbar aufgefaßt werden muß.

Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt, weil das Erlaubnis der Trainertätigkeit sich nach dem Vortrag vom 2. Oktober 1975 nicht nur auf die Freizeit bezog, sondern auch zu einer Verkürzung seiner betrieblichen Arbeitszeit auf 30 Wochenstunden führen sollte. Das zeigt die enge sachliche Verbindung zwischen der Regelung des Arbeitsverhältnisses und der darauf abgestimmten Nebenabrede.

2. Die Beklagte hat auch keine Tatsachen vorgetragen, aus denen geschlossen werden könnte, die Parteien hätten mit der Nebenabrede an sich die Aufnahme eines weiteren Arbeitsverhältnisses ausschließen und zugleich mit der Bemerkung "Trainer, 2. Arbeitsverhältnis" eine Gestattung der Beklagten mit Widerrufsmöglichkeit vereinbaren wollen. Zeitlich nicht kollidierende Arbeitsverhältnisse (Doppelarbeitsverhältnisse) mit mehreren Arbeitgebern sind möglich (vgl. BAG 8, 47 = AP Nr. 1 zu § 611 BGB Doppelarbeitsverhältnis). Da der Kläger auch keine Konkurrenztätigkeit ausübt, kann im Hinblick darauf die bloße Erwähnung der Trainertätigkeit im Arbeitsvertrag unter dem Stichwort "Bemerkungen und Zusätze" sinnvoll nicht als die Vereinbarung eines wirksamen Verbotes einer Doppeltätigkeit mit gleichzeitiger widerruflicher Gestattung angesehen werden.

Hillebrecht Triebfürst Ascheid

Hans Mayr Wisskirchen

 

Fundstellen

Haufe-Index 438220

RzK, I 8j Nr 3 (ST1)

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