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BAG Beschluss vom 20.04.2005 - 7 ABR 47/04

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Freistellungswahl. Erhöhung der Anzahl freizustellender Betriebsratsmitglieder. Erhöhung der Anzahl freizustellender Betriebsratsmitglieder während der Amtszeit des Betriebsrats

 

Leitsatz (amtlich)

Die Erhöhung der Anzahl freizustellender Betriebsratsmitglieder während der laufenden Amtszeit des Betriebsrats erfordert die Neuwahl aller freizustellenden Betriebsratsmitglieder, wenn die ursprüngliche Freistellungswahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl erfolgt ist. Einer vorherigen Abberufung der bisher Freigestellten bedarf es dazu nicht.

 

Orientierungssatz

  • Wird die Anzahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder während der laufenden Amtszeit des Betriebsrats erhöht, sind alle freizustellenden Betriebsratsmitglieder neu zu wählen, wenn die Freistellungswahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl durchgeführt wurde. Eine vorherige Abberufung der bisher freigestellten Betriebsratsmitglieder nach § 38 Abs. 2 Satz 8, § 27 Abs. 1 Satz 5 BetrVG ist nicht erforderlich.
  • Es bleibt unentschieden, ob eine vorherige Abberufung der freigestellten Betriebsratsmitglieder nach § 38 Abs. 2 Satz 8, § 27 Abs. 1 Satz 5 BetrVG vor einer Neuwahl aller freizustellenden Betriebsratsmitglieder allein deshalb entbehrlich ist, weil die Neuwahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl erfolgt (so BAG 29. April 1992 – 7 ABR 74/91 – BAGE 70, 178 = AP BetrVG 1972 § 38 Nr. 15 = EzA BetrVG 1972 § 38 Nr. 13; aA 13. November 1991 – 7 ABR 18/91 – BAGE 69, 49 = AP BetrVG 1972 § 27 Nr. 3 = EzA BetrVG 1972 § 27 Nr. 7).
  • Zur Anfechtung betriebsratsinterner Wahlen ist jedes einzelne Betriebsratsmitglied berechtigt. Auf eine persönliche Betroffenheit vom Ausgang der Wahl kommt es nicht an.
 

Normenkette

BetrVG § 38 Abs. 2, § 27 Abs. 1 Sätze 3, 5, § 25 Abs. 2, § 19

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Beschluss vom 05.08.2004; Aktenzeichen 15 TaBV 34/04)

ArbG Düsseldorf (Beschluss vom 23.03.2004; Aktenzeichen 5 BV 76/03)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 5. August 2004 – 15 TaBV 34/04 – wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der am 9. Mai 2003 erfolgten Wahl freizustellender Betriebsratsmitglieder.

Die zu 3) beteiligte Arbeitgeberin beschäftigt in ihrem Betrieb mehr als 3.000 Mitarbeiter. Am 15. März 2002 fand in dem Betrieb eine Betriebsratswahl statt, aus der der aus 23 Mitgliedern bestehende, zu 2) beteiligte Betriebsrat hervorging. In der Betriebsratssitzung am 4. April 2002 wurde die Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder durchgeführt. Zur Wahl standen drei Vorschlagslisten, und zwar die Liste A, auf der die Antragsteller P…, K…, N…, B… und J… sowie der zwischenzeitlich infolge Antragsrücknahme aus dem Verfahren ausgeschiedene ehemalige Antragsteller Pe kandidierten, die Liste B mit dem Antragsteller K… sowie zwei weiteren Betriebsratsmitgliedern sowie die Liste C mit 14 Bewerbern. Auf Grund der Wahl wurden vier Betriebsratsmitglieder, ua. der Antragsteller P…, vollständig und sechs Betriebsratsmitglieder, ua. die Antragsteller K… und N…, hälftig freigestellt. Die Wahl wurde nicht angefochten.

Am 30. April 2003 lud der Betriebsratsvorsitzende zu einer Sondersitzung am 5. Mai 2003 ein, bei der nach dem Einladungsschreiben “die Nichtigkeit der Freistellungswahl vom 4. April 2002 …” auf der Tagesordnung stand. Die Mehrheit der Betriebsratsmitglieder vertrat zu diesem Zeitpunkt die Auffassung, die Neuwahl aller freizustellenden Betriebsratsmitglieder könne durchgeführt werden, ohne die bislang freigestellten Betriebsratsmitglieder zuvor abzuberufen, weil die Freistellungswahl vom 4. April 2002 nichtig gewesen sei. In einer weiteren Sondersitzung vom 9. Mai 2003 beschloss der Betriebsrat mit 16 Ja-Stimmen bei 7 Nein-Stimmen die Neuwahl aller freizustellenden Betriebsratsmitglieder. Zuvor hatte die Arbeitgeberin wegen vielfältiger Restrukturierungsmaßnahmen für die restliche Dauer der Amtszeit des Betriebsrats die zusätzliche Freistellung eines weiteren Betriebsratsmitglieds bewilligt. Der Betriebsrat beschloss vor der Neuwahl mit einer Mehrheit von 16 zu 7 Stimmen, die Zahl der vollständigen Freistellungen auf zwei und diejenige der hälftigen Freistellungen auf 12 festzusetzen. Anschließend wurde die Wahl in geheimer Abstimmung nach den Grundsätzen der Verhältniswahl durchgeführt. Zur Wahl standen drei Vorschlagslisten, ua. die Liste P, auf der dieselben Bewerber kandidierten wie auf der Liste A bei der am 4. April 2002 durchgeführten Wahl. Auf die Liste P entfielen vier hälftige Freistellungen, und zwar zugunsten der Antragsteller P…, K…, N… und des vormaligen Antragstellers Pe.

Mit der am 15. Mai 2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift haben die Betriebsratsmitglieder P…, P…, K…, B…, N…, J… und K… die Wahl vom 9. Mai 2003 angefochten. Sie haben die Auffassung vertreten, die Wahl sei ungültig, weil die auf Grund der vorangegangenen Wahl vom 4. April 2002 freigestellten Betriebsratsmitglieder vor der erneuten Wahl nicht mit der erforderlichen Mehrheit nach § 38 Abs. 2 Satz 8 iVm. § 27 Abs. 1 Satz 5 BetrVG abberufen worden seien. Die Abberufung nach diesen Vorschriften sei nicht entbehrlich gewesen. Die Freistellungswahl vom 4. April 2002 sei zwar möglicherweise anfechtbar, aber nicht nichtig gewesen. Da die Wahl nicht angefochten worden sei, seien die Gewählten wirksam freigestellt worden.

Die Antragsteller haben beantragt,

die Wahl der Freistellungen der Betriebsratsmitglieder vom 9. Mai 2003 für unwirksam zu erklären.

Der Betriebsrat und die Arbeitgeberin haben die Zurückweisung des Antrags beantragt.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Antragsteller zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgen die Antragsteller ihren Antrag weiter. Der Betriebsrat und die Arbeitgeberin beantragen die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben den Antrag im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass alle Antragsteller antragsbefugt sind. Der Antrag ist jedoch unbegründet, da die Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder vom 9. Mai 2003 ordnungsgemäß erfolgt ist.

I. Der Antrag ist zulässig.

1. Die Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder kann in entsprechender Anwendung von § 19 BetrVG innerhalb von zwei Wochen nach Abschluss der Wahl durch ein einzelnes oder mehrere Betriebsratsmitglieder angefochten werden (st. Rspr., vgl. etwa BAG 15. Januar 1992 – 7 ABR 24/91 – BAGE 69, 228 = AP BetrVG 1972 § 26 Nr. 10 = EzA BetrVG 1972 § 19 Nr. 37; 11. März 1992 – 7 ABR 50/91 – BAGE 70, 53 = AP BetrVG 1972 § 38 Nr. 11 = EzA BetrVG 1972 § 38 Nr. 12, zu B II 1 der Gründe). Zur Anfechtung betriebsratsinterner Wahlen ist jedes einzelne Betriebsratsmitglied berechtigt (BAG 13. November 1991 – 7 ABR 8/91 – BAGE 69, 41 = AP BetrVG 1972 § 26 Nr. 9 = EzA BetrVG 1972 § 26 Nr. 5, zu B 1 der Gründe; 13. November 1991 – 7 ABR 18/91 – BAGE 69, 49 = AP BetrVG 1972 § 27 Nr. 3 = EzA BetrVG 1972 § 27 Nr. 7, zu B II 2b der Gründe; 15. Januar 1992 – 7 ABR 24/91 – aaO, zu B II 2 der Gründe; 28. Oktober 1992 – 7 ABR 2/92 – BAGE 71, 286 = AP BetrVG 1972 § 38 Nr. 16 = EzA BetrVG 1972 § 38 Nr. 14, zu B I der Gründe). Dabei kommt es entgegen der Auffassung des Betriebsrats und der Arbeitgeberin nicht darauf an, ob das anfechtende Betriebsratsmitglied durch den Ausgang der Wahl persönlich betroffen ist (BAG 28. Oktober 1992 – 7 ABR 2/92 – aaO), etwa dadurch, dass es zur Wahl stand und nicht gewählt wurde. In einem Wahlanfechtungsverfahren ergibt sich die Antragsbefugnis unmittelbar aus der Anfechtungsberechtigung. Daneben ist kein gesondertes Rechtsschutzinteresse erforderlich.

2. Hiernach ist der Antrag sämtlicher Antragsteller zulässig. Die Antragsteller sind als Betriebsratsmitglieder ohne weiteres antragsbefugt. Die zweiwöchige Anfechtungsfrist wurde eingehalten. Die Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder fand am 9. Mai 2003 statt. Der Wahlanfechtungsantrag ging am 15. Mai 2003 beim Arbeitsgericht ein.

II. Der Antrag ist nicht begründet. Die Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder vom 9. Mai 2003 ist wirksam. Entgegen der Auffassung der Antragsteller war die vorherige Abberufung der bis dahin freigestellten Betriebsratsmitglieder nach § 38 Abs. 2 Satz 8 iVm. § 27 Abs. 1 Satz 5 BetrVG nicht erforderlich. Auf Grund der Bewilligung einer zusätzlichen Freistellung durch die Arbeitgeberin musste eine Neuwahl aller Freizustellenden erfolgen, da die bisher freigestellten Betriebsratsmitglieder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt worden waren. Es bedurfte daher keiner Entscheidung, ob die vorherige Abberufung der am 4. April 2002 Gewählten auch deshalb entbehrlich war, weil alle freizustellenden Betriebsratsmitglieder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl neu gewählt wurden. Ebenso konnte offen bleiben, ob die Wahl vom 4. April 2002 nichtig war und die Gewählten deshalb die Rechtsstellung freigestellter Betriebsratsmitglieder nicht erlangt hatten.

1. Nach § 38 Abs. 2 BetrVG werden die freizustellenden Betriebsratsmitglieder nach Beratung mit dem Arbeitgeber vom Betriebsrat aus seiner Mitte in geheimer Wahl und nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Wird nur ein Wahlvorschlag gemacht, erfolgt die Wahl nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl. Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Regelung über die Dauer der Freistellung. Diese erfolgt daher in der Regel für die gesamte Amtszeit des Betriebsrats (BAG 25. April 2001 – 7 ABR 26/00 – BAGE 97, 340 = AP BetrVG 1972 § 25 Nr. 8 = EzA BetrVG 1972 § 38 Nr. 18, zu B I 2a der Gründe). Der Betriebsrat kann jedoch ein freigestelltes Betriebsratsmitglied jederzeit von dieser Funktion abberufen und durch ein anderes Betriebsratsmitglied ersetzen. Ist die Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl durchgeführt worden, erfolgt die Abberufung nach § 38 Abs. 2 Satz 8, § 27 Abs. 1 Satz 5 BetrVG durch Beschluss des Betriebsrats, der in geheimer Abstimmung gefasst wird und einer Mehrheit von drei Vierteln der Stimmen der Mitglieder des Betriebsrats bedarf. Der Betriebsrat kann auch alle freigestellten Betriebsratsmitglieder aus der Freistellung abberufen und eine Neuwahl sämtlicher freizustellenden Betriebsratsmitglieder durchführen. Für den Streitfall kann offen bleiben, ob die Abberufung der bisher Freigestellten mit der in § 38 Abs. 2 Satz 8, § 27 Abs. 1 Satz 5 BetrVG bestimmten qualifizierten Mehrheit dann nicht erforderlich ist, wenn alle freizustellenden Betriebsratsmitglieder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl neu gewählt werden (so BAG 29. April 1992 – 7 ABR 74/91 – BAGE 70, 178 = AP BetrVG 1972 § 38 Nr. 15 = EzA BetrVG 1972 § 38 Nr. 13; aA BAG 13. November 1991 – 7 ABR 18/91 – BAGE 69, 49 = AP BetrVG 1972 § 27 Nr. 3 = EzA BetrVG 1972 § 27 Nr. 7). Denn einer vorherigen Abberufung der freigestellten Betriebsratsmitglieder nach § 38 Abs. 2 Satz 8, § 27 Abs. 1 Satz 5 BetrVG bedarf es nicht, wenn die Anzahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder während der Amtszeit des Betriebsrats erhöht wird. Dies erfordert ohnehin eine Neuwahl aller freizustellenden Betriebsratsmitglieder, wenn die Freistellungswahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl durchgeführt wurde. Das zusätzlich freizustellende Betriebsratsmitglied kann weder in analoger Anwendung von § 25 Abs. 2 Satz 1 BetrVG aus dem Kreis vorhandener Ersatzmitglieder in die Freistellung nachrücken, noch ist eine isolierte Neuwahl des zusätzlich freizustellenden Betriebsratsmitglieds nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl zulässig.

a) Eine zusätzliche Freistellung kann nicht im Wege des Nachrückens eines Ersatzmitglieds verwirklicht werden. Bei Ausscheiden eines freigestellten Betriebsratsmitglieds kann zwar in entsprechender Anwendung von § 25 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ein Ersatzmitglied in die Freistellung nachrücken. Dies kommt im Falle der Erhöhung der Anzahl freizustellender Betriebsratsmitglieder für ein zusätzlich freizustellendes Betriebsratsmitglied jedoch nicht in Betracht.

Die Vorschrift des § 25 BetrVG regelt ausschließlich das Nachrücken von Ersatzmitgliedern in den Betriebsrat bei Ausscheiden oder zeitweiliger Verhinderung von Betriebsratsmitgliedern. Die analoge Anwendung der Vorschrift auf das Nachrücken von Ersatzmitgliedern in die Rechtsstellung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds setzt daher voraus, dass ein freigestelltes Betriebsratsmitglied aus der Freistellung ausscheidet oder an deren Wahrnehmung zeitweilig verhindert ist. In diesem Fall ist das ersatzweise freizustellende Betriebsratsmitglied in entsprechender Anwendung von § 25 Abs. 2 Satz 1 BetrVG derjenigen Vorschlagsliste zu entnehmen, der das zu ersetzende Betriebsratsmitglied angehörte (BAG 14. November 2001 – 7 ABR 31/00 – AP BetrVG 1972 § 38 Nr. 24 = EzA BetrVG 1972 § 38 Nr. 19, zu B 2 der Gründe; 25. April 2001 – 7 ABR 26/00 – BAGE 97, 340 = AP BetrVG 1972 § 25 Nr. 8 = EzA BetrVG 1972 § 38 Nr. 18, zu B I 2 der Gründe). Diese Voraussetzungen sind bei der zusätzlichen Freistellung eines weiteren Betriebsratsmitglieds nicht erfüllt. Das zusätzlich freizustellende Betriebsratsmitglied ist bislang noch nicht gewählt worden und kann daher auch nicht in entsprechender Anwendung von § 25 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ersetzt werden. Es ist vielmehr neu zu wählen (vgl. zur Erweiterung der Mitgliederzahl eines betriebsratsinternen Ausschusses: BAG 16. März 2005 – 7 ABR 43/04 – zur Veröffentlichung vorgesehen ≪zVv.≫, zu B II 3 der Gründe; aA DKK-Wedde BetrVG 9. Aufl. § 38 Rn. 59; GK-BetrVG/Wiese/Weber 7. Aufl. § 38 Rn. 74).

b) Das zusätzlich freizustellende Betriebsratsmitglied kann auch nicht nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl nachgewählt werden, wenn die ursprüngliche Freistellungswahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gemäß § 38 Abs. 2 Satz 8, § 27 Abs. 1 Satz 3 BetrVG durchgeführt wurde. Dadurch würde der mit der Verhältniswahl bezweckte Minderheitenschutz unterlaufen. Der erkennende Senat hat zwar für den Fall des Ausscheidens eines freigestellten Betriebsratsmitglieds, das nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt wurde, entschieden, dass das ersatzweise freizustellende Betriebsratsmitglied im Wege der Mehrheitswahl nachgewählt werden kann, wenn die Vorschlagsliste, der das ausgeschiedene Mitglied angehört hatte, erschöpft ist (BAG 14. November 2001 – 7 ABR 31/00 – AP BetrVG 1972 § 38 Nr. 24 = EzA BetrVG 1972 § 38 Nr. 19, zu B 2 der Gründe; 25. April 2001 – 7 ABR 26/00 – BAGE 97, 340 = AP BetrVG 1972 § 25 Nr. 8 = EzA BetrVG 1972 § 38 Nr. 18, zu B I 2 der Gründe; 28. Oktober 1992 – 7 ABR 2/92 – BAGE 71, 286 = AP BetrVG 1972 § 38 Nr. 16 = EzA BetrVG 1972 § 38 Nr. 14). Dem stehen Gründe des Minderheitenschutzes nicht entgegen, weil der Minderheitenschutz in diesem Fall grundsätzlich nicht weiter reicht als der ursprüngliche Wahlvorschlag (BAG 25. April 2001 – 7 ABR 26/00 – aaO, zu B I 2c cc der Gründe). Das gilt aber nicht für die Neuwahl eines zusätzlich freizustellenden Betriebsratsmitglieds. Auf dessen Wahl haben sich die ursprünglichen Wahlvorschläge nicht bezogen. Diese wurden für die Wahl einer bestimmten Anzahl freizustellender Betriebsratsmitglieder aufgestellt. Da die Zusammensetzung einer Wahlvorschlagsliste uU entscheidend von der Anzahl der zu Wählenden abhängt, wird bei der späteren Erweiterung der Anzahl freizustellender Betriebsratsmitglieder dem ursprünglichen Wahlvorschlag die Grundlage entzogen. Das gebietet es, bei der Erhöhung der Anzahl von Freistellungen – anders als beim Ausscheiden eines einzelnen freigestellten Betriebsratsmitglieds aus dieser Funktion – alle freizustellenden Betriebsratsmitglieder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl neu zu wählen (so für die Erhöhung der Anzahl der Mitglieder eines betriebsratsinternen Ausschusses: BAG 16. März 2005 – 7 ABR 43/04 – zVv., zu B II 3 der Gründe). Für den Fall des Ausscheidens eines Betriebsratsmitglieds aus der Freistellung können die im Betriebsrat vertretenen Koalitionen durch entsprechende Gestaltung der ursprünglichen Vorschlagslisten dafür Sorge tragen, dass in ausreichendem Umfang Ersatzmitglieder vorhanden sind, die in die Freistellung nachrücken können, um dadurch Nachwahlen zu vermeiden. Diese Möglichkeit besteht für den Fall einer zusätzlichen Freistellung nicht, weil diese nicht im Wege des Nachrückens von Ersatzmitgliedern verwirklicht werden kann.

2. Hiernach war im Streitfall wegen der zusätzlichen Freistellung eines weiteren Betriebsratsmitglieds eine Neuwahl aller freizustellenden Betriebsratsmitglieder erforderlich. Einer vorherigen Abberufung der auf Grund der Wahl vom 4. April 2002 freigestellten Betriebsratsmitglieder nach § 38 Abs. 2 Satz 8, § 27 Abs. 1 Satz 5 BetrVG bedurfte es nicht. Die isolierte Nachwahl des zusätzlich freizustellenden Betriebsratsmitglieds kam nicht in Betracht, weil die bisher freigestellten Betriebsratsmitglieder am 4. April 2002 nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt worden waren.

3. Auf die Frage, ob eine Abberufung der auf Grund der Wahl vom 4. April 2002 Freigestellten auch deshalb nicht erforderlich war, weil diese Wahl nichtig war und die Gewählten deshalb die Rechtsstellung freigestellter Betriebsratsmitglieder nicht erlangt hatten, kam es daher nicht an.

 

Unterschriften

Dörner, Gräfl, Krasshöfer, Gerschermann, G. Güner

 

Fundstellen

Haufe-Index 1402386

BAGE 2006, 236

BB 2006, 336

EBE/BAG 2005, 1

EBE/BAG 2005, 140

FA 2005, 319

NZA 2005, 1013

SAE 2005, 297

AP, 0

EzA-SD 2005, 9

EzA

AUR 2005, 386

ArbRB 2005, 328

BAGReport 2005, 336

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