Für alle Formen des Mobbings etc. gibt es keine gesetzliche Regelung, aber eine Vielzahl von Einzelfallentscheidungen. Mobbing tritt als konfliktbehaftete Kommunikation am Arbeitsplatz zwischen Arbeitnehmern untereinander oder vom Vorgesetzten (nicht Arbeitgeber) zum Mitarbeiter auf. Es ist gekennzeichnet durch wiederholte Einschüchterung, Erniedrigung, feindseliges Verhalten, Entwürdigung o.Ä., mit einem sich oft erst später entwickelnden Fernziel des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis.
Mobbing ist jedoch abzugrenzen von sozialadäquaten Verhaltensweisen (BAG, Urt. v. 15.9.2016 – 8 AZR 351/15). Übliche Konfliktsituationen, auch wenn sie über längere Zeiträume andauern und vereinzelt mit sachlich nicht sozialkonformen Verhaltensweisen einhergehen bzw. mangelnder Rücksicht auf individuelle Empfindlichkeiten, stellen kein Mobbing dar.
Nach hier vertretener Ansicht ist der Begriffsbestimmung des BAG zum Mobbing nicht zu folgen (BAG, Urt. v. 16.5.2007 – 8 AZR 709/06). Sie stellt ausschließlich auf § 3 Abs. 3 AGG, die „Belästigung”, ab. Dabei wird jedoch verkannt, dass die Diskriminierung als einmalige Handlung nach § 1 AGG ein Mobbingtatbestand sein kann, aber nicht notwendig sein muss. Maßgeblich ist vielmehr die Überschreitung der sozialen Adäquanz, die kausal für die konkrete Störung und Schädigung des Gemobbten ist.
Hierzu haben sich folgende Merkmale herausgebildet:
- systematische Angriffe,
- Häufigkeit der Angriffe,
- Dauer der Angriffe,
- Unterlegenheit des Opfers,
- Ziel der Isolation, Ausschluss und ggf. Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Die Gewichtung der Merkmale kann im Einzelfall unterschiedlich sein.
a) Systematische Angriffe
Es ist von einer „Kette von Vorfällen, die ein System erkennen lassen” (LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 19.3.2002 – 3 Sa 1/2002) bzw. einem „Handlungsprozess zur Erreichung eines bestimmten Erfolgs” (BAG, Urt. v. 25.10.2007 – 8 AZR 593/06) auszugehen. Das ist auch zu bejahen, wenn die einzelne Handlung für sich noch keine Rechtsverletzung darstellt. Ausgenommen sind nur zufällige Begebenheiten ohne inneren Zusammenhang.
b) Häufige Angriffe und Dauer des Angriffs
Mobbing erfordert regelmäßige und fortdauernde Handlungen, ohne die Häufigkeit zu konkretisieren (BAG, Urt. v. 29.6.2017 – 2 AZR 302/16). Davon zu differenzieren sind einzelne Verhaltensweisen, die aber die Voraussetzungen der Diskriminierung i.S.d. AGG, Beleidigung nach §§ 185 ff. StGB oder der Persönlichkeitsrechtsverletzung nach Art. 1, 2 GG erfüllen können. Die Einwirkung geht über einen längeren, nicht definierbaren Zeitraum.
c) Unterlegenheit des Opfers
Nicht hierarchisch und i.d.R. nicht von Beginn an, befindet sich der Gemobbte im Laufe der Angriffe in einer unterlegenen Position. Dies ergibt sich oft aus einer psychischen Unterlegenheit oder der Ausnutzung von Schwachstellen.
d) Mobbingtatbestände
Der Mobbingtatbestand wird in folgenden Beispielen bejaht:
- gezielte Erniedrigung des Betroffenen durch offene Anfeindungen, grobe Scherze, Erniedrigungen, Entwürdigungen, Beleidigungen oder Psychoterror vor Kollegen/Vorgesetzten (BAG, Beschl. v. 14.1.2015 – 7 ABR 95/12),
- ständige unberechtigte Kritik an der Arbeit,
- soziale oder räumliche Isolation (Behandlung „wie Luft”),
- sexuelle Annäherungen oder Angebote,
- stete Zuweisung der schlechteren, problematischen Arbeiten,
- Verstecken von Sachen,
- Angriffe in Privatsphäre/Erzeugen von Angst und Ekel,
- Androhung/Ausführung von Gewalt.
Dagegen wird der Mobbingtatbestand in folgenden Fallkonstellationen verneint:
- gelegentlich vorkommendes Türenknallen, unsachliches Wort,
- bloßes Fehlen von Führungsqualitäten,
- Jahre auseinanderliegende Vorgänge ohne inneren Zusammenhang (LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 18.6.2010 – 6 Sa 271/10),
- mehrfache Abmahnungen und Kündigungsversuche (LAG Köln, Urt. v. 10.7.2020 – 4 Sa 118/20).