Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Finanzverwaltung in Bund und Land über das Bundesfinanzministerium mindestens großen Einfluss auf den Inhalt der Steuergesetze nimmt. Bundestag und Bundesrat beschließen, von Ausnahmen abgesehen, was ihnen als Beschlussvorlage vorgelegt wird. Sie können gar nicht anders, weil sie von der Gesetzesmaterie regelmäßig nichts oder nur sehr wenig verstehen und der ihnen vorgelegten Gesetzesbegründung Glauben schenken. Die Neuregelung von § 87a AO ist dafür ein beredtes Beispiel.
beA- und beSt-Verbot: Aufgrund der seit dem Nikolaustag 2024 geltenden Fassung der Vorschrift ist es Rechtsanwälten und Steuerberatern verboten, mit der Finanzverwaltung über beA und beSt zu kommunizieren, was sich insb. bei Rechtsanwälten nach entsprechender Rechtsprechung (statt vieler: FG Berlin-Bdb. v. 25.9.2019 – 7 V 7130/19 (rk,) und BFH v. 30.1.2024 – III R 15/23) eingebürgert hatte.
Nachdem im Frühjahr/Sommer 2024 die Pläne zum Verbot der Verwendung von beA und beSt für die Kommunikation mit der Finanzverwaltung bekannt wurden, brach ein aus Sicht des Verfassers absolut berechtigter Sturm der Entrüstung los. Das Vorhaben wurde wenig später abgesagt. Ende gut, alles gut? Mitnichten! Im September 2024 wurde das beA-Verbot vom Bundesrat wieder aufgegriffen und dann im Oktober 2024 vom Bundestag beschlossen. Der Bundesrat stimmte am 22.11.2024 zu. Niemand aus den Reihen des Bundestags oder Bundesrats hat auch nur ansatzweise seine Stimme im Sinne der Beraterschaft erhoben. Die Finanzverwaltung hat eine Lobby, Berater nicht.
Begründet wird das beA-Verbot damit, dass die Kommunikationsangebote der Finanzbehörden den Besonderheiten des steuerlichen Massenverfahrens am besten Rechnung tragen würden. Jedwede andere elektronische Kommunikation, insb. über das für gerichtliche Verfahren eingerichtete besondere elektronische Behördenpostfach, führe zu erhöhtem Verwaltungsaufwand.
Stattdessen Verweis auf die unpraktikable Kommunikatio über ELSTER bzw. die Schnittstelle ERiC: Bevorzugter und seit Jahren erprobter elektronischer Kommunikationskanal zwischen Steuerpflichtigen oder ihren Bevollmächtigten und den Finanzämtern seien die Verfahren ELSTER bzw. die Schnittstelle ERiC. Wer sich einmal mit ELSTER beschäftigt hat, weiß, dass dieser Kommunikationsweg für die tägliche anwaltliche Arbeit völlig untauglich ist. Wenn Anwälte in Steuersachen tätig werden, geht es im Regelfall nicht um Massenverfahren, sondern z.B. um Stellungnahmen im Rahmen von Betriebsprüfungen, um Einsprüche und Anträge auf Aussetzung der Vollziehung. In jedem Fall aber wird Anwälten und auch Steuerberatern die tägliche Arbeit erschwert, damit die Finanzverwaltung es einfacher hat und nicht mit der Zeit gehen muss. Das ist sicher im Sinne vieler Mitarbeiter der Finanzverwaltung, die ja auch noch gerne mit Papierakten arbeiten. Sonst wäre es zu der aus Sicht des Unterzeichners auch verfassungsrechtlich fragwürdigen "Reform" (Art. 12 GG, Garantie effektiven Rechtschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG) des § 87a AO nicht gekommen.
Kritik am Gesetzgeber: Aus den Reihen der vergangenen Ampelkoalition wurden geäußert, dass es sich bei der Neuregelung um ein Versehen handelt. Das wäre ein Skandal!
Viele Berater sind allerdings der Auffassung, dass das Vorgehen der Gesetzgebungsorgane kein Versehen war. Ein solches Misstrauen ficht die Verantwortlichen, insb. die beteiligten (ehemaligen) Bundestagsabgeordneten nicht an. Das geht sogar so weit, dass sie Anwälte, die höflich, nicht ausfallend, in den sozialen Medien Kritik üben, entweder mit der Wiederholung der vermeintlichen Gründe für die Gesetzesänderung abspeisen wollen oder die Verfasser der Kritik gleich blockieren.
Hinzuweisen ist darauf, dass das beA-Verbot im Strafverfahren nicht gilt. Das ergibt sich aus § 385 AO, § 32a StPO. Wenn und soweit also mit Bußgeld- und Strafsachenstellen kommuniziert werden soll, kann dafür das beA und auch das beSt benutzt werden. Das zum 1.1.2025 in NRW geschaffene Landesamt für die Bekämpfung der Finanzkriminalität kann leider, anders als die früheren Finanzämter für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung, nicht über das beA angeschrieben werden. Das widerspricht der allseits geforderten Digitalisierung.
Beraterhinweis Im Falle von Einsprüchen sollte über die sog. Sprungklage nach § 45 FGO nachgedacht werden. Diese schafft, wenn sie häufig genug von Beratern genutzt wird, Aufmerksamkeit für das Anliegen der Berater. Ein Sprungklage muss über beA oder beSt erhoben werden. Wird die Klage an das Finanzamt abgegeben, fallen keine Gerichtsgebühren an.