Bei der Feststellung eines Verstoßes gegen das Kindeswohl ist ein strenger Maßstab anzulegen. Anerkanntermaßen stellt das Selbstbestimmungsrecht des Kindes ein maßgebliches Kriterium im Rahmen der sog. negativen Kindeswohlprüfung dar. Notwendig ist freilich eine selbstbestimmte Entscheidung des Kindes. Gegen die Berücksichtigung des Kindeswillens kann nicht ins Feld geführt werden, dass § 1686 BGB von "Wohl des Kindes" und nicht von "Willen des Kindes" spricht. Denn es widerspräche dem Wohl des Kindes, seinen Willen nicht zu berücksichtigen.
Die Gerichte scheinen einem entgegenstehenden Willen des Kindes in der Praxis ein unterschiedliches Gewicht beizumessen. So hat das OLG Bamberg beispielsweise eine Kindesmutter verpflichtet, dem Kindesvater ein aktuelles Passfoto des gemeinsamen Kindes auszuhändigen. Der entgegenstehende Wille des 17-jährigen Kindes stehe dieser Entscheidung nicht entgegen. Insofern sei zu berücksichtigen, dass sich der Anspruch aus § 1686 BGB nicht gegen das Kind, sondern gegen den anderen Elternteil richte und die Überlassung eines Passfotos erkennbar nicht die Privat- oder Intimsphäre des Kindes tangiere. Diese Entscheidung scheint wenig situationsgerecht, bezieht man ein, dass mit dem Zeitpunkt der Erlangung der Volljährigkeit der Anspruch ohnehin völlig entfällt.
Demgegenüber hat das OLG Köln judiziert, dass der von einem 15-jährigen Kind geäußerte Wille zur selbstbestimmten Informationsweitergabe aus dem Bereich höchstpersönlicher Angelegenheiten zu respektieren ist und aus Gründen des Kindeswohls den Auskunftsanspruch begrenzt. Daran anknüpfend hat das OLG Düsseldorf entschieden, dass der im besonderen Maße schützens- und beachtenswerte Wille des 15-jährigen Kindes es rechtfertige, einen Anspruch des Kindesvaters auf Herausgabe eines aktuellen Fotos abzulehnen. Auch das OLG Brandenburg hat sich auf die Entscheidung des OLG Köln berufen und entschieden, dass der Umfang der einem Elternteil zur erteilenden Auskunft entsprechend dem Willen des 16-jährigen Kindes einzuschränken sei, wenn dieses ein Alter und einen Entwicklungsstand erreicht habe, bei dem davon ausgegangen werden könne, dass es in der Lage sei, über Informationen zu seinen höchstpersönlichen Angelegenheiten selbst zu bestimmen.
Problematisch ist die auf § 22 KunstUrhG gestützte Argumentation des KG. Zwar legt § 22 Satz 1 KunstUrhG fest, dass Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden dürfen. Im Falle der Abbildung von Minderjährigen gelten aber modifizierte Anforderungen an die Einwilligung. Überwiegend wird angenommen, dass die Einsichtsfähigkeit eines Minderjährigen im Anwendungsbereich von § 22 KunstUrhG bei Vollendung des 14. Lebensjahres anzunehmen sein wird. Mit Blick auf Art. 8 Abs. 1 S. 1 DSGVO werden Minderjährige mittlerweile teilweise erst mit 16 Jahren als einwilligungsfähig angesehen. Vor diesem Hintergrund kann es jedenfalls nicht überzeugen, die Notwendigkeit der Einwilligung des 12-jährigen Kindes aus § 22 KunstUrhG herzuleiten.
Große praktische Auswirkungen dürfte der Ansatz des KG haben, das Verhalten des Kindes, keine Fotos in sozialen Netzwerken zu veröffentlichen und nicht damit einverstanden zu sein, dass dem Vater Fotos zur Verfügung gestellt werden, als "allgemeine Linie" einzustufen. Kinder, die selbst Fotos von sich in sozialen Netzwerken veröffentlichen, dürften künftig Schwierigkeiten haben zu begründen, weswegen sie nicht damit einverstanden sind, dass einem Elternteil Fotos zur Verfügung gestellt werden. In diesem Zusammenhang dürfte es dann eine Rolle spielen, ob die Kinderfotos in den sozialen Netzwerken "öffentlich" oder nur gegenüber einem beschränkten Personenkreis gepostet wurden. Entscheidend werden können demnach die gewählten Privatsphäre-Einstellungen.