Die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) hat am 22.1.2024 die Entwürfe für zwei Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von kleinen und mittelgroßen Unternehmen (KMU) zur Konsultation veröffentlicht. Ein Entwurf des sog. ESRS LSME richtet sich an kapitalmarktorientierte KMU (Englisch: "listed SME"), die gem. Art. 19a Abs. 7 BilanzRL (nach CSRD) verpflichtet sind, spätestens für Geschäftsjahre, die am 1.1.2028 beginnen, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen. Von dieser Berichtspflicht sind in Deutschland nach Angaben von EFRAG ca. 140 KMU betroffen. Die in diesem LSME-Entwurf vorgeschlagenen Erleichterungen im Vergleich zu den Nachhaltigkeitsberichtsanforderungen für große Unternehmen gelten gem. Art. 19a Abs. 6 BilanzRL zudem auch für ca. 1000 sog. kleine und nicht komplexe Institute, firmeneigene Versicherungsunternehmen und firmeneigene Rückversicherungsunternehmen. Der LSME ED ist ein Standard, der aus drei allgemeinen Abschnitten besteht: "1. Allgemeine Anforderungen", "2. Allgemeine Angaben" und "3. Richtlinien, Maßnahmen und Ziele" sowie drei Abschnitte, die den Kennzahlen gewidmet sind: "4. Umwelt", "5. Sozial" und "6. Geschäftsgebaren". Die Angabepflichten werden von insgesamt 823 Datenpunkten auf 477 Datenpunkte und somit um 43% reduziert (allerdings stehen die Datenpunkte jeweils teilweise unter Wesentlichkeitsvorbehalt). Insbesondere sind dies Reduktionen bei der Beschreibung der Strategien und Richtlinien der einzelnen Themenstandards vorgenommen worden. Besonders interessant ist der Standard auch für Großunternehmen, da die EU vorgesehen hat, dass nicht mehr als die im ESRS LSME spezifizierten Informationen von KMU in der Wertschöpfungskette abgefragt warden dürfen. Daher ist es zeitlich ärgerlich, dass diese Standards erst jetzt in die Konsultation gehen und nicht gleichzeitig mit ESRS Seit 1 bekannt gemacht wurden, da bis zur endgültigen Verabschiedung weiter ein Wildwuchs an Anfragen auf die KMU einprasseln dürfte.
Der zweite Entwurf regelt die Anwendung von freiwilligen Nachhaltigkeitsberichten für alle Unternehmen, die nicht in den Anwendungskreis der CSRD fallen aber Nachhaltigkeitsinformationen mit Interessenten teilen möchten. Die Themen orientieren sich an den ESRS für große Kapitalgesellschaften aber folgen dem Prinzip der Angemessenheit/Verhältnismäßigkeit Für diese freiwillig über Nachhaltigkeit berichtenden KMU hat EFRAG den Standardentwurf ESRS VSME ("voluntary sustainability reporting by SMEs") entwickelt. Ziel dieses VSME ist es, die Nachhaltigkeitsberichterstattung von potenziell einigen Tausenden KMU zu harmonisieren und durch die Nachhaltigkeitsinformationen gem. VSME darüberhinausgehende individuelle Anfragen bspw. im Rahmen von Kredit- oder Auftragsvergaben ("Flut von Fragebögen" von Kreditgebern oder großen Unternehmen als Kunden von KMU) entbehrlich zu machen. Es ist, auch wenn nicht weiter im Standard spezifiziert, aber auch möglich, dass KMU auch freiwillig die LSME oder sogar ESRS Set 1 anwenden.
Die Kommentierungsfrist für beide Standardentwürfe endet am 21.5.2024. EFRAG bittet um Beantwortung der dafür veröffentlichten Fragebögen zu diesen Entwürfen. Darin werden unter anderem Fragen gestellt zur konzeptionellen Ausrichtung, zu den erreichten Vereinfachungen, zur Berücksichtigung der Anforderungen der BilanzRL (nach CSRD), zur Relevanz der vorgeschlagenen Nachhaltigkeitsinformationen aus Sicht der Adressaten und zur Akzeptanz der Standardentwürfe durch Anwender und Marktteilnehmer. Während der Konsultationsphase führt EFRAG zudem weitere Untersuchungen in der Praxis durch, um die Anwendung der LSME- und VSME-Entwürfe praktisch zu testen sowie durch Gespräche mit Nutzern dieser Nachhaltigkeitsinformationen die Eignung der Vorschläge für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von (kapitalmarktorientierten) KMU kritisch zu überprüfen.
Die Dokumente mit den Vorschlägen sowie die Konsultationsfragebögen sind (nur in englischer Sprache) verfügbar unter https://www.efrag.org/News/Public-479/EFRAGs-public-consultation-on-two-Exposure-Drafts-on-sustainability-r.