Rz. 154
Ob derartige vertragliche Vereinbarungen wirksam getroffen werden können – zu vorvertraglichen Pflichten –, ist aus verschiedenen Gründen zweifelhaft. Dabei steht nicht so sehr die Thematik im Vordergrund, ob man überhaupt mit der Begründung eines Versicherungsvertrags "rückwirkend" noch eingreifende Verpflichtungen begründen kann. Diese Frage dürfte zu bejahen sein; denn bereits in dem Zeitpunkt, in dem die Versicherungsnehmerin das Antragsfragebogenformular zu beantworten hat, besteht bereits ein vorvertragliches Schuldverhältnis, das geeignet ist, Pflichten zu begründen (§ 311 Abs. 2 BGB).
Rz. 155
Im Ergebnis ergeben sich aber auch keine durchgreifenden AGB-rechtlichen Bedenken, die vorvertraglichen Anzeigepflichten auch auf die Versicherten insgesamt zu erstrecken.
Rz. 156
Entsprechende Klauseln sind nicht unangemessen i.S.d. § 307 BGB. Zwar könnte dies bei erster Betrachtung angenommen werden, weil in der Praxis zumeist nicht alle Versicherten von dem bevorstehenden Abschluss einer D&O-Versicherung wissen und damit im Zweifel auch keinen Einfluss auf die wahrheitsgemäße Beantwortung der vom Versicherer gestellten Fragen durch die Versicherungsnehmerin haben. Demjenigen aber, der auch nicht den geringsten Einfluss auf die Umstände des Vertragsabschlusses hat, kann auch nur schwer vermittelt werden, dass er im Versicherungsfall letztlich schutzlos sein wird, falls der Versicherer Konsequenzen aus der Verletzung der Anzeigepflicht zieht. Die Problematik liegt aber noch tiefer: Die versicherte Person wird kaum akzeptieren, dass sie ihren Versicherungsschutz verlieren soll, wenn irgendein anderer Versicherter der Versicherungsnehmerin eine für die Beantwortung des vom Versicherer vorgelegten Fragenkatalogs wesentliche Kenntnis vorenthalten hat und es dann zu den im Einzelnen im Vertrag geregelten Konsequenzen – also im Zweifel zum Rücktritt (vgl. Ziff. B3–1.2.1 AVB-D&O) – kommt. Dennoch halte ich die Annahme der Anzeigepflicht kraft vertraglicher Vereinbarung, jedenfalls bei den gängigen Mustern, nicht für unangemessen. Soweit zum Teil in der Literatur der Regelung des § 47 VVG ohnehin schon pflichtbegründende Wirkung beigemessen wird, versteht sich die Wirksamkeit der vertraglichen Regelung ohnehin von selbst.