Ein Appell zur Gründung eines deutschen Staatsfonds

Die aktuelle COVID-19 Krise birgt trotz ihrer gesundheitlichen, menschlichen und insbesondere wirtschaftlichen Herausforderungen langfristige Chancen, um den bereits zuvor bestehenden gesamtgesellschaftlichen Problemstellungen der Bundesrepublik Deutschland perspektivisch und strategisch zu begegnen. Herr Dr. Schyra beleuchtet, wie die zielgerichtete, langfristige Beteiligung eines Staatsfonds an deutschen Unternehmen eine sinnvolle Ergänzung zu den bisherigen wirtschaftlichen Rettungsmaßnahmen sein kann.

Unterschiedliche Modelle und Ausprägungen von Staatsfonds

Staatsfonds existieren weltweit zahlreiche. Unabhängig von ihrer Ausgestaltung und Zielsetzung vereint sie der Auftrag, finanzielle Werte eines Landes, unter Berücksichtigung vielschichtiger Anforderungen, anzulegen. Der Aufruf zur Gründung eines deutschen Staatsfonds ist nicht neu, sondern wurde vielerorts bereits vor Ausbruch der aktuellen Krise geäußert. Doch nun scheint ein günstiger Gründungszeitpunkt gekommen zu sein, denn die derzeitige gesundheitliche Problematik und die daraus resultierenden wirtschaftlichen Folgen schaffen langfristig geeignete Rahmenbedingungen. Neben vielen weiteren Wissenschaftlern veröffentlichte die Bertelsmann Stiftung im Jahr 2017 eine Studie unter dem Titel „Ein Staatsfonds für Deutschland?“. Darin werden unterschiedliche Modelle bzw. Ausprägungen von Staatsfonds untersucht und gegenübergestellt, welche auch im vorliegenden Beitrag aufgegriffen werden. Die folgenden Ausführungen der COVID-19 Krise sind überwiegend regional auf die Bundesrepublik Deutschland beschränkt und nehmen teilweise Bezug auf weitere europäische Länder.

Corona-Krise beendet durch Notenbanken künstlich verlängerten Wirtschaftszyklus

Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise sowie die erlassenen Einschränkungen der wirtschaftlichen und persönlichen Freiräume fördern die Probleme zahlreicher Branchen und Unternehmen schonungslos zu Tage. Unternehmen

  • die schon immer am Existenzminimum geführt wurden und
  • deren Anteilseigner Gewinne abschöpften, ohne Rücklagen für Krisensituationen zu schaffen oder
  • deren wirtschaftliche Bonität und Ertragssituation erst gar keine Überschüsse ermöglichten,

geraten in existentielle Schieflage.

Der künstlich durch die historisch niedrigen Notenbankzinsen verlängerte Aufwärtstrend des Konjunkturzyklus musste jedoch bereits vor dem Ausbruch der aktuellen Krise als endlich erachtet werden. Es bedurfte keiner hellseherischen Fähigkeiten, zu folgern, dass sich die Wachstumstendenz nicht ewig fortsetzen ließe. Die Frage lautete daher nicht ob, sondern wann ein Ende einsetzen würde.

„Zombieunternehmen“ dürfen nicht mit Steuergeldern gerettet werden

Der Ausbruch der COVID-19 Pandemie beendete die vorherige, positive Entwicklung äußerst plötzlich und mit einem harten Einschnitt. Trotzdem muss bei allen Rettungsmaßnahmen der Notenbanken, des Bundes und der Länder eine künstliche Fortführung sonst nicht dauerhaft überlebensfähiger „Zombieunternehmen“ vermieden werden, denn hier findet derzeit eine – überspitzt formuliert – natürliche Auslese zwischen starken, überlebensfähigen sowie schwachen, überlebensunfähigen Geschäftsmodellen statt, die früher oder später auch durch andere Ereignisse hervorgerufen worden wäre. Hingegen sind wirtschaftlich solvent und unverschuldet in die derzeitige Krise geratene Unternehmen rettungs- und hilfsbedürftig.

Solvenz vor Ausbruch der Krise muss entscheidendes Kriterium für Rettungsmaßnahmen sein

Die derzeitige Kreditvergabepolitik der Geschäftsbanken in Zusammenarbeit mit den öffentlich-rechtlichen Instanzen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) sowie Bund und Länder beruht auf der Vergabe von Steuergeldern. Die aktuelle Situation macht dies nötig, jedoch ist es richtig und wichtig, dass die Beurteilungskriterien der Bonitätsentwicklung jedes kreditbeantragenden Unternehmens in den Perioden vor Ausbruch der COVID-19 Krise mit besonderem Bedacht bewertet werden und retrospektiv eine eigenständige wirtschaftliche Tragfähigkeit nachgewiesen wurde.

Bewilligung von Sofortzusagen muss im Nachgang kontrolliert werden

Die offerierten Sofortzusagen der öffentlichen Hand unterliegen ebenfalls gewissen, wenn auch unkritischeren Vorgaben, wobei es im Nachgang zur derzeitigen Ausnahmesituation interessant sein wird, zu erfahren, wie viele Personen und Unternehmen, diese beantragt und bewilligt bekommen haben, ohne im eigentlichen Sinne berechtigt zu sein. Die Hinweise in den Antragsformularen auf eine strafrechtliche Verfolgung bei Sozialversicherungs- und/oder Subventionsbetrug sollten daher nicht nur abschreckende Wirkung haben, sondern tatsächlich verfolgt werden. Denn auch bei diesen Zuwendungen handelt es sich um die Vergabe von Steuergeldern, die sowohl aufgestockte Bundes- als auch Landeshaushalte nur aufgrund der Besonderheit der derzeitigen Situation bereitstellen und für welche eine missbräuchliche Verwendung bzw. Beantragung auszuschließen ist.

Der Weg zur gewohnten Normalität wird lang und steinig

Für die Politik ergibt sich zukünftig ein Trade-Off zwischen einerseits dem teilweise bereits geforderten Hochfahren der wirtschaftlichen sowie persönlichen Aktivitäten und andererseits dem menschlichen Krankheitsschutz. Beides muss mit Augenmaß betrieben werden. Das Herunterfahren der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und die Einschränkungen menschlicher Begegnungen waren schnell, einschneidend und vergleichsweise abrupt, jedoch richtig und nachvollziehbar, um das Pflege- und medizinische System nicht noch stärker überzubelasten, als es bereits geschehen ist.

Die Schritte zurück zur Normalität werden hingegen klein und zahlreich sein, damit die weitere Ausbreitung der Pandemie kontrollierbar bleibt und eine erneute sprunghafte Ausbreitung der Fallzahlen möglichst unterbleibt. Wie die ersten Entwicklungen und politischen Entscheidungen beispielsweise in Österreich zeigen, werden einige Branchen deutlich länger als andere unter den aktuellen Verhältnissen zu leiden haben und starken Einschränkungen unterliegen. So werden beispielsweise in der aktuellen Bundesligasaison keine Spiele oder auch Konzerte und andere Großveranstaltungen vor ausgebuchten Rängen stattfinden. Zu befürchten ist, dass diese Einschränkungen, in Abhängigkeit der weiteren Entwicklungen, zeitlich deutlich über den Sommer hinaus ihre Gültigkeit behalten werden und das gesamte weitere Kalenderjahr betreffen. Auch Reiseaktivitäten werden lange nicht denen vor dem Ausbruch der Pandemie ähneln. Sämtliche Tendenzen zurück zur Normalität werden weiterhin geprägt sein von politischen Vorgaben und Ängsten bzw. der Zurückhaltung von Privatpersonen in Form von eingeschränkter Teilnahme an gewissen Ereignissen und dem Verbraucherverhalten.

Exkurs: Digitalisierung und Dezentralisierung als Gewinner der Krise

Wenn der aktuellen Situation jedoch etwas Positives abgewonnen werden soll, dann ist es eine quasi gezwungene Tendenz zur Digitalisierung und Dezentralisierung in Form von beruflichen Tätigkeiten aus Home-Offices oder per Telefon- und Video- bzw. Web-Konferenzen. Unter Gesichtspunkten des Umweltschutzes bleibt zu hoffen, dass zumindest die Anzahl an Geschäftsreisen auch in Zeiten einer neuen Normalität, nach der Krise, beibehalten wird und bestehende Möglichkeiten zu virtuellen Konferenzen auch danach weitere, ausgeprägte Nutzung finden. Diesbezüglich werden berufliche Tätigkeiten, welche nicht zwangsweise die physische Anwesenheit an einem Arbeitsplatz verlangen, vorerst außerhalb der Geschäftsräume erbracht werden, um auch hier Ansammlungen von Menschen möglichst gering zu halten.

Finanzielle Mittel von Bund und Ländern bleiben begrenzt

Obwohl die große Koalition in Person von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmeier (CDU) die finanzielle und selbsternannte Bazooka zündete, welche eindeutig zu befürworten ist, bleiben die zu vergebenden wirtschaftlichen Unterstützungskredite, Zahlungen von Softzusagen sowie Kurzarbeitergeld in ihrem Gesamtvolumen letztendlich doch beschränkt, denn Deutschland sollte alles daran setzen sein AAA-Rating aufrechtzuerhalten und weiterhin von der günstigen Kapitalmarktrefinanzierung zu profitieren.

DIW-Präsident befürwortet deutschen Staatsfonds

Folglich ist es zwangsläufig nötig,

  • Kreditzusagen nicht pauschal bereitzustellen,
  • sondern das vorhandene und zusätzlich am Kapitalmarkt aufgenommene Kapital der öffentlichen Hand zielgerichtet und strategisch zu investieren und
  • die bisherigen Maßnahmen sollten zudem um die Gründung eines Staatsfonds erweitert werden.

Es wurde bereits in Aussicht gestellt, dass sich der Bund im Rahmen von Kapitalmaßnahmen über 100 Mrd. Euro an Unternehmen beteiligen würde, was – unter Voraussetzung der individuellen wirtschaftlichen Bewertung und der zukünftigen Tragfähigkeit des betroffenen Unternehmens – ebenfalls zu befürworten ist und in einem Portfolioaufbau eines staatlichen Investmentfonds münden könne.

Dieser Gedanke wurde bereits vom Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, unterstützt. Auf Basis der aktuellen Bewertungen sollte damit jedoch primär ein strategisches, langfristiges Interesse verfolgt werden. Der von Herrn Scholz angekündigte Verkauf der Beteiligungen nach Rückkehr zur Normalität führt hingegen lediglich zu vergleichsweisen geringeren und einmaligen Erträgen. Eine perspektivische Aufstockung und Refinanzierung des Fonds kann demnach über laufende Erträge der Beteiligungsunternehmen, in Form von Gewinnausschüttungen und weiteren Einzahlungen aus den Überschüssen des deutschen Außenhandels sowie aus Devisenreserven erfolgen.

Quellen:

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