Incoterms®-Regeln zur Höheren Gewalt

Die Incoterms®-Regeln regeln als internationalen Lieferbedingungen die Pflichten der Käufer und Verkäufer im internationalen Handel. Erstellt werden sie vom International Chamber of Commerce (ICC), auf dessen Internetseite sie abrufbar sind.

Aktuell finden die Incoterms®2020 Anwendung. Als höheren Gewalt oder „Force Majeure“ werden im internationalen Handel unvorhersehbare, unabwendbare Ereignisse zugeordnet, die außerhalb der Kontrolle aller an einem Handelsgeschäft Beteiligten liegen und die unter den gegebenen Umständen mit angemessenen, zumutbaren Mitteln nicht zu vermeiden waren.

In den Incoterms®2020 gibt es eine Langversion und eine Kurzversion zur Regelung von Fällen höherer Gewalt. Die Langform hat den Vorteil, Einzelfälle und Details umfassender und eindeutiger zu regeln. Sie eignet sich besonders für lang andauernde Vertragsbeziehungen zwischen größeren Unternehmen, während kleinere Unternehmen möglicherweise die weniger detaillierte und übersichtlichere Variante bevorzugen. Doch auch hier könnten die aktuellen Umbrüche durch Pandemie und Krieg ein Umdenken mit sich bringen, das allgemein für mehr Vorsorge für Eventualitäten spricht.

Die ICC-Klausel über höhere Gewalt in der langen Version

1. Definition: „Höhere Gewalt“ bedeutet das Eintreten eines Ereignisses oder Umstands („Ereignis höherer Gewalt“), das eine Partei daran hindert, eine oder mehrere ihrer vertraglichen Verpflichtungen aus dem Vertrag zu erfüllen, wenn und soweit die von dem Hindernis betroffene Partei nachweist, dass:
a) dieses Hindernis außerhalb der ihr zumutbaren Kontrolle liegt; und
b) es zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in zumutbarer Weise nicht vorhergesehen werden konnte; und
c) die Auswirkungen des Hindernisses von der betroffenen Partei nicht in zumutbarer Weise hätten
vermieden oder überwunden werden können.

2. Nichterfüllung durch Dritte: Erfüllt eine Vertragspartei eine oder mehrere ihrer vertraglichen Verpflichtungen aufgrund eines Versäumnisses eines Dritten nicht, den sie mit der Erfüllung des gesamten Vertrags oder eines Teils des Vertrags beauftragt hat, so kann sich diese Vertragspartei auf höhere Gewalt nur insoweit berufen, als dass die Anforderungen für die Annahme des Vorliegens von höherer Gewalt, wie sie unter Absatz 1 dieser Klausel definiert werden, nicht nur für die Vertragspartei sondern auch für den Dritten gelten.
3. Vermutete Ereignisse höherer Gewalt: Bis zum Beweis des Gegenteils wird bei den folgenden, eine Partei betreffenden Ereignissen, vermutet, dass sie die Voraussetzungen für die Annahme von höherer Gewalt unter Absatz 1 lit. (a) und lit. (b) erfüllen. Die betroffene Partei muss in diesem Fall nur beweisen, dass die Voraussetzung unter Absatz 1 lit. (c) tatsächlich erfüllt ist:
a) Krieg (erklärt oder nicht erklärt), Feindseligkeiten, Angriff, Handlungen ausländischer Feinde, umfangreiche militärische Mobilisierung;
b) Bürgerkrieg, Aufruhr, Rebellion und Revolution, militärische oder sonstige Machtergreifung, Aufstand, Terrorakte, Sabotage oder Piraterie;
c) Währungs- und Handelsbeschränkungen, Embargo, Sanktionen;
d) Rechtmäßige oder unrechtmäßige Amtshandlungen, Befolgung von Gesetzen oder Regierungsanordnungen, Enteignung, Beschlagnahme von Werken, Requisition, Verstaatlichung;
e) Pest, Epidemie, Naturkatastrophe oder extremes Naturereignis;
f) Explosion, Feuer, Zerstörung von Ausrüstung, längerer Ausfall von Transportmitteln, Telekommunikation, Informationssystemen oder Energie;
g) allgemeine Arbeitsunruhen wie Boykott, Streik und Aussperrung, Bummelstreik, Besetzung von Fabriken und Gebäuden.

4. Benachrichtigung: Die betroffene Partei hat die andere Partei unverzüglich über das Ereignis zu benachrichtigen.
5. Folgen von höherer Gewalt: Eine Partei, die sich mit Erfolg auf die vorliegende Klausel beruft, ist von der Pflicht zur Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen und von jeder Schadenersatzpflicht oder von jedem anderen vertraglichen Rechtsbehelf wegen Vertragsverletzung befreit; allerdings nur, wenn sie dies unverzüglich mitteilt. Erfolgt allerdings die Mitteilung nicht unverzüglich, so wird die Befreiung erst von dem Zeitpunkt an wirksam, zu dem die Mitteilung die andere Partei erreicht. Die
andere Partei kann die Erfüllung ihrer Verpflichtungen, wenn tatsächlich höhere Gewalt anzunehmen ist, ab dem Zeitpunkt dieser Mitteilung aussetzen.

6. Vorübergehende Verhinderung: Ist die Auswirkung des geltend gemachten Hindernisses oder Ereignisses vorübergehend, so gelten die in Absatz 5 dargelegten Folgen nur so lange, wie das geltend gemachte Hindernis die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen durch die betroffene Partei verhindert. Die betroffene Partei muss die andere Partei benachrichtigen, sobald das Hindernis die Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr behindert.
7. Pflicht zur Milderung: Die betroffene Partei ist verpflichtet, alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um die Auswirkungen des Ereignisses, auf das sich bei der Vertragserfüllung berufen wird, zu begrenzen.
8. Vertragskündigung: Hat die Dauer des geltend gemachten Hindernisses zur Folge, dass den Vertragsparteien im Wesentlichen entzogen wird, was sie kraft Vertrages berechtigterweise erwarten durften, so hat die jeweilige Partei das Recht, den betroffenen Vertrag durch Benachrichtigung der anderen Partei innerhalb eines angemessenen Zeitraums zu kündigen. Sofern nicht anders vereinbart, vereinbaren die Parteien ausdrücklich, dass der Vertrag von jeder Partei gekündigt werden kann, wenn die Dauer des Hindernisses 120 Tage überschritten hat.

Die ICC-Klausel über höhere Gewalt in der Kurzversion

1. „Höhere Gewalt“ bedeutet das Eintreten eines Ereignisses oder Umstands, das eine Partei daran hindert, eine oder mehrere ihrer vertraglichen Verpflichtungen aus dem Vertrag zu erfüllen, wenn und soweit die von dem Hindernis betroffene Partei nachweist, dass: (a) dieses Hindernis außerhalb der ihr zumutbaren Kontrolle liegt; und (b) es zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht in zumutbarer Weise vorhersehbar war; und (c) die Auswirkungen des Hindernisses von der

betroffenen Partei nicht in zumutbarer Weise hätten vermieden oder überwunden werden können.

2. Bis zum Beweis des Gegenteils wird bei den folgenden Ereignissen vermutet, die eine Partei betreffen, sie würden die Voraussetzungen unter Absatz 1 lit. (a) und lit. (b) nach Absatz 1 dieser Klausel erfüllen: (i) Krieg (erklärt oder nicht erklärt), Feindseligkeiten, Angriff, Handlungen ausländischer Feinde, umfangreiche militärische Mobilisierung; (ii) Bürgerkrieg, Aufruhr, Rebellion und Revolution, militärische oder sonstige Machtergreifung, Aufstand, Terrorakte, Sabotage oder

Piraterie; (iii) Währungs- und Handelsbeschränkungen, Embargo, Sanktionen; (iv) rechtmäßige oder unrechtmäßige Amtshandlungen, Befolgung von Gesetzen oder Regierungsanordnungen, Enteignung, Beschlagnahme von Werken, Requisition, Verstaatlichung; (v) Pest, Epidemie, Naturkatastrophe oder extremes Naturereignis; (vi) Explosion, Feuer, Zerstörung von Ausrüstung, längerer Ausfall von Transportmitteln, Telekommunikation, Informationssystemen oder Energie; (vii)

allgemeine Arbeitsunruhen wie Boykott, Streik und Aussperrung, Bummelstreik, Besetzung von Fabriken und Gebäuden.

3. Eine Partei, die sich mit Erfolg auf diese Klausel beruft, ist ab dem Zeitpunkt, zu dem das Hindernis ihr die Leistungserbringung unmöglich macht, von ihrer Pflicht zur Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen und von jeder Schadenersatzpflicht oder von jedem anderen vertraglichen Rechtsbehelf wegen Vertragsverletzung befreit; sofern dies unverzüglich mitgeteilt wird. Erfolgt die Mitteilung nicht unverzüglich, so wird die Befreiung von dem Zeitpunkt an wirksam, zu dem die Mitteilung die andere Partei erreicht. Ist die Auswirkung des geltend gemachten Hindernisses oder Ereignisses vorübergehend, so gelten die eben dargelegten Folgen nur so lange, wie das geltend gemachte Hindernis die Vertragserfüllung durch die betroffene Partei verhindert. Hat die Dauer des geltend gemachten Hindernisses zur Folge, dass den Vertragsparteien dasjenige, was sie kraft des Vertrages berechtigterweise erwarten durften, in erheblichem Maße entzogen wird, so hat jede Partei das Recht, den Vertrag durch Benachrichtigung der anderen Partei innerhalb eines angemessenen

Zeitraums zu kündigen. Sofern nicht anders vereinbart, vereinbaren die Parteien ausdrücklich, dass der Vertrag von jeder Partei gekündigt werden kann, wenn die Dauer des Hindernisses 120 Tage überschreitet.“

Aufnahme der ICC-Klausel über höhere Gewalt in den Vertrag

Für die Aufnahme in den Vertrag genügt der Hinweis: „Die ICC-KLausel über höhere Gewalt in der Lang- (bzw. in der Kurz-)version ist Bestandteil des vorliegenden Vertrags“. Der ICC schlägt vor, die Verwendung der Langfassung durch einen Verweis darauf im Vertragstext zu verdeutlichen, während die Kurzfassung in den Vertragstext aufgenommen werden kann.

Schlagworte zum Thema:  Vertrag, Lieferung