Einführung der Mindestbesteuerungsrichtlinie

Das Bundeskabinett hat am 16.8.2023 den Regierungsentwurf für ein "Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz" beschlossen. Er enthält in der Hauptsache den Entwurf für ein "Mindeststeuergesetz", mit dem eine globale effektive Mindestbesteuerung sichergestellt und aggressiven Steuergestaltungen entgegengewirkt werden soll.

Die Bezeichnung "Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz" ist die Abkürzung für das "Gesetz für die Umsetzung der Richtlinie zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen in der Union". Darin enthalten ist die Einführung eines "Gesetzes zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für Unternehmensgruppen" (kurz "Mindeststeuergesetz") als neues Stammgesetz. Die EU-Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die Mindestbesteuerungsrichtlinie bis zum 31.12.2023 in nationales Recht umzusetzen.

Die Bestimmungen des Mindeststeuergesetzes sollen grundsätzlich auf alle Geschäftsjahre Anwendung finden, die nach dem 30.12.2023 beginnen. Eine Ausnahme gilt insoweit für die Sekundärergänzungssteuerregelung (s. unten). Diese ist grundsätzlich erst auf Geschäftsjahre, die nach dem 30.12.2024 beginnen, anwendbar.

20. März 2023

BMF Diskussionsentwurf

11. Juli 2023

BMF Referentenentwurf

16. August 2023

Kabinettsbeschluss Regierungsentwurf

offen

Verabschiedung Bundestag

offen

Zustimmung Bundesrat

offen

Verkündung

Umsetzung der zweiten Säule

Ziel des Gesetzentwurfs ist die Umsetzung zentraler Elemente der internationalen Vereinbarungen zur zweiten Säule der sog. Zwei-Säulen-Lösung.

Säule 1: Regelungen für die (partielle) Umverteilung von Besteuerungsrechten multinationaler Unternehmensgruppen ("wo" der Besteuerung)

Die Säule 1 ist eine Reaktion auf die zunehmende Digitalisierung, die es Unternehmen ermöglicht, in anderen Staaten wirtschaftlich tätig zu werden, ohne dort physisch präsent zu sein. Ohne physischen Anknüpfungspunkt werden die daraus resultierenden Gewinne aber nicht dort besteuert, wo sie erwirtschaftet wurden. Dem soll durch die Schaffung neuer steuerlicher Anknüpfungspunkte und neuer Regelungen für die zwischenstaatliche Gewinnverteilung begegnet werden.

Säule 2: Ausarbeitung von Regelungen für eine globale effektive Mindestbesteuerung ("wie hoch" besteuern)

Schädlichen Steuerwettbewerb und aggressive Steuergestaltungen sollen mit der Säule 2 bekämpft werden. Infolge der Digitalisierung wächst die wirtschaftliche Bedeutung von immateriellen Werten, die leicht verlagert und deswegen für Steuerplanungszwecke gezielt eingesetzt werden können. Die Sicherstellung einer effektiven Mindestbesteuerung soll diesen Risiken für das Steueraufkommen entgegenwirken. Hier soll eine allgemeine Mindestgrenze unabhängig davon eingreifen, welche Steuervergünstigungen von einzelnen Staaten gewährt und welche Steuerplanungen von einzelnen Unternehmen implementiert wurden. Bei Unterschreitung sollen die bei Säule 2 entwickelten Nachversteuerungsinstrumente die Besteuerungslücke schließen.

Mindeststeuergesetz (MinStG) setzt Säule 2 um

Mit dem Gesetzentwurf werden Unternehmen ab einer bestimmten Größenordnung verpflichtet, niedrig besteuerte Gewinne nachzuversteuern. Wenn beispielsweise ein Unternehmen in einem Land effektiv nur 8 Prozent Steuern auf seine Erträge zahlt, muss die Differenz zum Mindestsatz (hier 7 Prozent) zu Hause nachversteuert werden. Weltweit fallen nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" ca. 8.000 Konzerne unter die globale Mindestbesteuerung, darunter 600 bis 800 deutsche.

Damit im Zusammenhang steht die Anpassung einzelner Regelungen insbesondere im Einkommensteuerrecht und Außensteuerrecht.

Steuerpflicht und Umfang der Besteuerung

Betroffen sind große Unternehmensgruppen, die die Umsatzgrenze von 750 Mio. EUR in mindestens zwei der vier vorangegangenen Geschäftsjahre erreichen (§ 1 MinStG). Erfasst werden sowohl international als auch national tätige Unternehmensgruppen.

Für die Unternehmensgruppen mit untergeordneter internationaler Tätigkeit ist allerdings eine 5-jährige Steuerbefreiung vorgesehen (§ 80 MinStG). Eine solche Tätigkeit liegt vor, wenn die Unternehmensgruppe in nicht mehr als 6 Steuerhoheitsgebieten über Geschäftseinheiten verfügt und der Gesamtwert aller materiellen Vermögenswerte aller nicht im Referenzsteuerhoheitsgebiet belegenen Geschäftseinheiten nicht mehr als 50 Mio. EUR beträgt. Keine Anwendung findet das Gesetz auf sog. ausgeschlossene Einheiten i. S. v. § 5 MinStG (z. B. staatliche Einheiten oder NGO).

Die Steuerpflicht der im Inland belegenen Geschäftseinheiten ist unabhängig von der jeweiligen Rechtsform und tritt zur Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuerpflicht hinzu. Die Mindeststeuer setzt sich aus

  • dem Primärergänzungssteuerbetrag (Primärergänzungssteuerregelung - PES),
  • dem Sekundärergänzungssteuerbetrag (Sekundärergänzungssteuerregelung - SES) sowie
  • dem nationalen Ergänzungssteuerbetrag (Nationale Ergänzungssteuerregelung - NES) zusammen.

Der PES und der SES entsprechen dem einer steuerpflichtigen Geschäftseinheit zuzurechnenden Anteil am Steuererhöhungsbetrag einer niedrig besteuerten Geschäftseinheit.

Der PES unterliegen die Muttergesellschaften einer Unternehmensgruppe. Unter den Begriff der Muttergesellschaften sind neben der obersten Muttergesellschaft nach § 4 Abs. 3 MinStG auch die zwischengeschaltete und die in Teileigentum stehende Muttergesellschaft nach § 4 Abs. 4 und 5 MinStG zu fassen. Für die Anwendung der PES ist entscheidend, welche Geschäftseinheit in der Beteiligungshierarchie am höchsten steht ("Top-Down-Ansatz").

Die SES (§§ 11 ff. MinStG) ist subsidiär zu der PES anzuwenden und dient als Auffangtatbestand für Sachverhaltskonstellationen, in denen die Niedrigbesteuerung nicht bereits durch die Anwendung der PES ausgeglichen wird. Der auf Deutschland entfallende Teil am Steuererhöhungsbetrag wird gem. § 12 MinStG anhand einer substanzbasierten Formel ermittelt.

Die NES entspricht dieser dem für die Bundesrepublik Deutschland ermittelten der Geschäftseinheit zugeordneten Steuererhöhungsbetrag. Insofern unterliegen die großen Unternehmensgruppen mit ihren inländischen und ausländischen Gewinnen gleichermaßen der Mindestbesteuerung. Dass der Fall einer Niedrigbesteuerung in Deutschland auftritt, ist allerdings eher unwahrscheinlich.

Berechnungsgrundlagen der Mindeststeuer

Die Berechnung der Mindeststeuer nach dem Diskussionsentwurf entspricht dem international Vereinbarten. Es handelt sich daher um eine länderbezogene Berechnung des Steuererhöhungsbetrags unter Zugrundelegung eines Mindeststeuersatzes von 15 Prozent. Sie erfolgt auf Basis der handelsrechtlichen Rechnungslegung (in der Regel Rechnungslegungsstandard der obersten Muttergesellschaft) und bestimmter erforderlicher Anpassungen. Die Berechnungsgrundlagen sind in Teil 3 bis 5 des Mindeststeuergesetzes enthalten.

Ausgangspunkt ist der Jahresüberschuss II oder Jahresfehlbetrag II einer Geschäftseinheit (§ 15 MinStG). Dieser wird um international übliche Abweichungen zwischen dem im Jahresabschluss ausgewiesenen Ergebnis und dem steuerpflichtigen Gewinn oder Verlust angepasst, um bestimmten steuerpolitischen Zielvorgaben Rechnung zu tragen (z. B. die Kürzung von Dividendenerträgen, die Hinzurechnung des Gesamtsteueraufwands sowie Anpassungen aufgrund der Berücksichtigung des Fremdvergleichsgrundsatzes). § 18 MinStG enthält eine allgemeine Übersicht über alle Anpassungen.

Die Zuordnung von Gewinnen und Verlusten zwischen Betriebsstätte und Stammhaus sowie bei transparenten Einheiten ist in §§ 40 und 41 MinStG geregelt.

Ermittlung der angepassten erfassten Steuern

Teil 4 des Entwurfs enthält Vorschriften zur Ermittlung der angepassten erfassten Steuern, die gemeinsam mit dem Mindeststeuer-Gewinn oder Mindeststeuer-Verlust die Grundlage zur Ermittlung des effektiven Steuersatzes sowie des Steuererhöhungsbetrags bilden. Der Betrag der angepassten erfassten Steuern ergibt sich aus den erfassten Steuern nach § 43 MinStG, die um die in § 42 Abs. 1 MinStG katalogartig aufgeführten Beträge angepasst werden. Diese Anpassungen ergeben sich aus den übrigen Vorschriften des 4. Teils sowie aus § 34 Abs. 5 und den §§ 67 und 68 MinStG.

Zu berücksichtigen sind u. a. spezielle Zuordnungsregelungen für Betriebsstätten-Konstellationen (§ 40 MinStG) sowie für transparente Einheiten (§ 41 MinStG). § 48 MinStG enthält Vorgaben, wie und in welchem Umfang latente Steuern bei der Ermittlung der angepassten erfassten Steuern zu berücksichtigen sind.

Nachträgliche Anpassungen und Änderungen der erfassten Steuern sind in § 50 MinStG geregelt.

Ermittlung des effektiven Steuersatzes und des Steuererhöhungsbetrags

Als erster Ermittlungsschritt ist zunächst die Ermittlung des effektiven Steuersatzes der Unternehmensgruppe für ein Steuerhoheitsgebiet geregelt (§ 51 MinStG). Hier werden die Mindeststeuer-Gewinne oder Mindeststeuer-Verluste aller in einem Steuerhoheitsgebiet belegenen Geschäftseinheiten der Summe der erfassten angepassten Steuern gegenübergestellt.

Die Ermittlung des Steuererhöhungsbetrags richtet sich nach § 52 MinStG.

Unternehmensumstrukturierungen und Beteiligungsstrukturen

Die Teile 6 und 7 des Entwurfs ergänzen diese Berechnungsgrundlagen um Sonderfälle (unter anderem Reorganisationen, bestimmte Steuerregime). Auch für den nationalen Ergänzungssteuerbetrag wird vollumfänglich auf diese Berechnungsgrundlagen abgestellt.

Besteuerungsverfahren

Zentraler Akteur im Besteuerungsverfahren ist die sog. "Mindeststeuergruppe". Hierdurch wird das Besteuerungsverfahren beim Finanzamt des Gruppenträgers gebündelt. Eine Mindeststeuergruppe entsteht, wenn innerhalb einer Unternehmensgruppe mehrere nach § 1 MinStG steuerpflichtige Geschäftseinheiten vorhanden sind.

Für die Mindeststeuer ist eine Steuererklärung beim zuständigen Finanzamt abzugeben und die Steuer selbst zu berechnen (Steueranmeldung). Die Einführung der Mindeststeuergruppe führt zu einer Zentralisierung des Besteuerungsverfahrens.

Sofern im Inland belegen, erfolgt dies auf Ebene der obersten Muttergesellschaft, so dass neben dem Mindeststeuer-Bericht eine Steuererklärung bei einem Finanzamt abzugeben ist. Der Mindeststeuer-Bericht ist beim Bundeszentralamt für Steuern einzureichen.

Sofern nicht gesondert geregelt, gelten für das Besteuerungsverfahren die Vorschriften der Abgabenordnung (z. B. Festsetzungsverjährung und Bestandskraft). Dies betrifft vorwiegend die Festsetzung der Mindeststeuer und die Änderung dieser Steuerfestsetzung. Sofern Steuerbescheide zu anderen Steuerarten ergehen, die die Berechnung der Mindeststeuer beeinflussen, ergibt sich die Verfahrensweise aus § 50 MinStG.

Die zwingende Festsetzung eines Verspätungszuschlages bei verspäteter Abgabe der Mindeststeuererklärung soll in § 152 Abs. 3 Nr. 4 AO ausgeschlossen werden. Die Regelung soll dem Umstand Rechnung, tragen dass die Erklärungsfrist, die sich nach dem Kalenderjahr bestimmt, maßgeblich vom Ende des Geschäftsjahres abhängig ist und durch den Ablauf der Frist für die Abgabe des Mindeststeuer-Berichts gehemmt wird.

In § 93 MinStG regelt eine Bußgeldvorschrift die Konsequenzen (Bußgeldhöhe noch offen) für den Fall, dass der Mindeststeuer-Bericht nicht oder nicht fristgerecht übermittelt wird.

Vereinfachungen

Der Entwurf enthält auch die international abgestimmten Vereinfachungen. Insbesondere sind hier der CbCR-Safe-Harbour (§§ 81 bis 84 MinStG) sowie Vereinfachungen für unwesentliche Geschäftseinheiten (§ 78 MinStG) zu nennen. Darüber hinaus ist eine Safe-Harbour-Regelung bei anerkannter nationaler Ergänzungssteuer enthalten (§ 77 MinStG), welche sich nicht nur auf EU-Mitgliedstaaten beschränkt, sondern auch für Drittstaaten gilt.

Eigenständige Steuer

Die Mindeststeuer ist eine eigenständige Steuer vom Einkommen und unabhängig von der Rechtsform. Als solche tritt sie neben die Einkommen- und Körperschaftsteuer.

Finanzverfassungsrechtlich unterfällt die Mindeststeuer dem Typus der Körperschaftsteuer. Sie knüpft an die Einkommenserzielung an und greift gezielt auf den unternehmerischen Gewinn zu. Die Besteuerung erfolgt unabhängig von der Besteuerung des Anteilseigners beziehungsweise Mitunternehmers. Trotzdem können auch Personengesellschaften können Steuersubjekt der Mindeststeuer sein. Dies soll der Einordnung als Körperschaftsteuer nicht entgegenstehen.

Anpassung anderer Steuergesetze

Die Lizenzschranke des § 4j EStG soll nicht wie im Referentenentwurf noch vorgesehen vollständig abgeschafft werden. Nach dem Regierungsentwurf soll sie für Aufwendungen, die nach dem 31.12.2023 entstehen, von 25 Prozent auf 15 Prozent abgesenkt werden. Dis diene der Abstimmung auf die Einführung der Mindestbesteuerung und die Absenkung der Niedrigsteuergrenze bei der Hinzurechnungsbesteuerung abgestimmt. Die Lizenzschranke ist eine Sonderregelung, die den Betriebsausgabenabzug von Zahlungen für die zeitlich befristete Überlassung von immateriellen Wirtschaftsgütern von einer "angemessenen" Besteuerung der Lizenzeinnahmen im Ausland abhängig macht.

Die Niedrigsteuergrenze im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung (§ 8 Abs. 5 AStG) soll von derzeit 25 Prozent auf 15 Prozent abgesenkt werden. Der Referentenentwurf sah außerdem vor, dass die Gewerbesteuerpflicht von Hinzurechnungsbeträgen (§ 7 Sätze 7 bis 9 und § 9 Nr. 2 GewStG) gestrichen werden sollte. Diese Maßnahme ist im Regierungsentwurf nicht mehr erhalten.

Die Mitteilungen nach § 6 Absatz 5 AStG bei Stundungen oder Jahresratenzahlungen im Zusammenhang mit der Wegzugsbesteuerung sowie Erklärungen zur gesonderten - und einheitlichen - Feststellung nach § 18 Abs. 1 bis 3 AStG zur Durchführung der Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 bis 13 AStG) sowie nach § 18 Abs. 4 AStG der Einkünfte einer ausländischen Familienstiftung im Sinne des § 15 AStG sollen zukünftig elektronisch übermittelt werden können.

Änderungen im HGB

Neu im Regierungsentwurf ist eine in § 274 HGB vorgesehene verpflichtende Ausnahme von der Bilanzierung latenter Steuern, die sich aus der Anwendung des Mindeststeuergesetzes oder entsprechender ausländischer Steuergesetze ergeben (in Anlehnung an die internationalen Rechnungslegungsstandards). Dadurch soll die Komplexität der Umsetzung des Mindeststeuergesetzes reduziert und etwaigen Benachteiligungen für HGB-Bilanzierer entgegengewirkt werden.

Außerdem soll zur Sicherstellung eines Mindestmaßes an Transparenz und Information der Abschlussadressaten in § 285 Nr. 30a HGB eine neue Angabepflicht für Anhang und Konzernanhang geschaffen werden. Anzugeben ist, welcher tatsächliche Steueraufwand oder Steuerertrag sich nach dem Mindeststeuergesetz und ausländischer Mindeststeuergesetze für das Geschäftsjahr ergibt. Darüber hinaus sind die Auswirkungen auf die Gsellschaft näher zu erläutern.

Entwurf eines Gesetzes für die Umsetzung der Richtlinie zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen in der Union (Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz - MinBestRL-UmsG)

Schlagworte zum Thema:  Internationales Steuerrecht