Sachverhalt

Das österreichische Vorabentscheidungsersuchen betraf Fragen zur Vereinbarkeit der gemeinschaftsrechtlichen Sonderregelung für Kleinunternehmen mit dem gemeinschaftsrechtlichen Primärrecht. Es wurde die Rechtmäßigkeit von Art. Art. 283 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL in Frage gestellt. Nach dieser Bestimmung ist die Anwendung der Sonderregelung für Kleinunternehmen unionsrechtlich zwingend auf im Inland ansässige Steuerpflichtige beschränkt.

Die Klägerin wohnt in Deutschland und vermietet eine in Österreich belegene Wohnung. Da sie aufgrund der jährlichen Mieteinnahmen der Auffassung war, nach österreichischem Recht sei sie als Kleinunternehmer zu behandeln, hatte sie die Mieteinnahmen nicht der USt unterworfen. Das österreichische Finanzamt war der Ansicht, die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer könne mangels eines Sitzes oder Wohnsitzes der Klägerin in Österreich nicht angewendet werden und setzte auf die Mieteinnahmen USt fest (die Vermietung von Wohnraum ist in Österreich steuerpflichtig zum ermäßigten Steuersatz).

Das Vorlagegericht fragte den EuGH, ob die Beschränkung der Kleinunternehmerregelung nach der MWStSystRL auf im Inland ansässige Unternehmer (Art. 283 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL) gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 ff. EG) oder die Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 ff. EG) verstößt und ob unter der Kleinunternehmergrenze, dem "Jahresumsatz" i.S.v. Art. 287 MwStSystRL, der in einem Jahr im jeweiligen Mitgliedstaat, für den die Kleinunternehmerregelung in Anspruch genommen wird, erzielte Umsatz oder der in einem Jahr im gesamten Unionsgebiet erzielte Umsatz des Unternehmers zu verstehen ist.

 

Entscheidung

Der EuGH hat entschieden, dass die Kleinunternehmerregelung in der MwStSystRL nicht gegen die genannten Grundfreiheiten verstößt und dass der Jahresumsatz sich auf den Umsatz im Mitgliedstaat der Kleinunternehmerregelung beschränkt.

Erstens sei nicht zu erkennen, dass das Primärrecht der Union der Regelung des Art. 283 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL entgegen steht. Die im konkreten Fall bestehende Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit der Klägerin (sie ist im Gegensatz zu einem in Österreich ansässigen Unternehmer mit vergleichbaren Vermietungsumsätzen steuerpflichtig) sei gerechtfertigt durch die Notwendigkeit einer wirksamen Steueraufsicht und die Bekämpfung von Missbrauch (s. insb. Rn. 70 f. des Urteils). Die Verwaltungszusammenarbeit der Mitgliedstaaten im Rahmen der ZusammenarbeitsVO 1798/2003 und der AmtshilfeRL 77/799 könne "keinen zweckdienlichen Datenaustausch hinsichtlich der Kleinunternehmen gewährleisten" (Rn. 67). Im Übrigen würde eine Erhebung von Daten über Kleinunternehmen dem Sinn der Regelung (Verwaltungsvereinfachung für Kleinunternehmen und Steuerverwaltungen) widersprechen (Rn. 68 f.).

Zweitens stellt der EuGH fest, dass unter dem Begriff "Jahresumsatz" im Sinne der Art. 284 bis 287 MwStSystRL der Umsatz zu verstehen ist, der in einem Jahr im Mitgliedstaat der Ansässigkeit erzielt wird. Der Gerichtshof begründet diese Feststellung nicht (vgl. Rn. 71) und setzte sich deshalb auch nicht mit der gegensätzlichen Auffassung der Kommission auseinander.

Drittens äußert sich der Gerichtshof - im Gegensatz zu den Schlussanträgen der Generalanwältin - nicht explizit zur Auslegung des Begriffs der Ansässigkeit in Art. 283 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL. Anders als in den Schlussanträgen spielt die Auslegung dieses Begriffs keine Rolle für die Frage der Rechtfertigung einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit. Nur im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung lässt der EuGH kurz erkennen, dass die Ansässigkeit wohl nicht allein durch Wohnungsvermietungsumsätze im Inland begründet wird (Rn. 31).

Das Urteil bestätigt im Wesentlichen die deutsche Rechtslage. Die Regelung des § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG (Besteuerung der Kleinunternehmer) ist auf im Inland ansässige Steuerpflichtige zu begrenzen. Die Tatsache, dass sie als Vereinfachungsvorschrift ausschließlich auf die Besteuerung kleiner Unternehmer anzuwenden ist, die den allgemeinen Prüfungsmechanismen der Finanzverwaltung weitestgehend entzogen sind, bedingt eine Anwendung innerhalb der Grenzen des jeweiligen Mitgliedstaates in dem der Steuerpflichtige ansässig ist. Eine effektive Kontrolle der mit der Kleinunternehmerregelung verbundenen Beschränkungen, dazu zählt insbesondere die Überprüfbarkeit des Gesamtumsatzes im vorangegangenen wie im laufenden Kalenderjahr, kann bei einer grenzüberschreitenden Tätigkeit weder gewährleistet werden noch stünde eine solche (materiell-rechtliche) Ausweitung, im Falle der Befürwortung eines damit einhergehenden deutlich erhöhten Bürokratieaufwandes, der letztlich dem Zweck einer derartigen Vereinfachungs- und Entbürokratisierungsregelung zuwider laufen würde, in einem annähernd ausgewogenen Verhältnis zur allgemeinen Zielsetzung dieser Regelung.

Mit der Beschränkung der Kleinunternehmerregelung auf im Inland ansässige Unternehmer soll vor allem auch ein unversteuerter Letztverbrauch verhindert werden. Di...

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