Leitsatz (amtlich)

1. Ein Jahresabschluss ist auch dann gem. § 256 Abs. 1 Nr. 2 AktG nichtig, wenn seine Prüfung vor der Fassung des Billigungsbeschlusses des Aufsichtsrats zwar nicht vollständig unterblieben ist, die durchgeführte Prüfung aber Mindestanforderungen nicht genügt.

2. Zu den Mindestanforderungen zählt zum einen die Vorlage eines unterzeichneten Prüfungsberichts. Die nach dem Berufsrecht der Wirtschaftsprüfer gebotene Siegelung ist allerdings zur Wahrung der Mindestanforderungen des § 256 Abs. 1 Nr. 2 AktG nicht erforderlich.

3. Zu den Mindestanforderungen zählt zum anderen die schriftliche Erteilung eines Bestätigungsvermerks. Dabei sind die Mindestanforderungen des § 256 Abs. 1 Nr. 2 AktG bereits gewahrt, wenn der Bestätigungsvermerk in dem vom Wirtschaftsprüfer unterzeichneten Prüfungsbericht wiedergegeben ist.

4. Zur Wahrung der vorgenannten Mindestanforderungen genügt es, wenn der Abschlussprüfer den von ihm zunächst nur als Entwurf vorgelegten Prüfungsbericht vor der Beschlussfassung des Aufsichtsrats unterzeichnet und erkennen lässt, den unterzeichneten Bericht als rechtsverbindliche Erklärung behandeln zu wollen.

 

Normenkette

HGB §§ 321-322

 

Verfahrensgang

LG Stuttgart (Urteil vom 05.11.2008; Aktenzeichen 34 O 65/08 KfH)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 34. Kammer für Handelssachen des LG Stuttgart vom 5.11.2008 - Az. 34 O 65/08 KfH - wird zurückgewiesen.

Die Kläger und der Streithelfer tragen die Kosten des Berufungsverfahrens zu je einem Drittel.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger und der Streithelfer können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 200.000 EUR.

 

Gründe

A. Die Kläger wenden sich mit ihrer - am Montag, 9.6.2008, per Telefax bei Gericht eingegangenen und am 18.6.2008 zugestellten - Klage als Aktionäre (Bl. 117, 123) gegen die in der Hauptversammlung der Beklagten am 8.5.2008 gefassten Beschlüsse über die Verwendung des Bilanzgewinns aus dem Jahr 2007 und über die Entlastung des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2007 sowie gegen den festgestellten Jahresabschluss der Beklagten für das Geschäftsjahr 2007 (Bl. 1-3, 28 ff.).

I.1. Die Satzung der Beklagten mit Stand vom 24.5.2007 enthält u.a. folgende Bestimmungen (vgl. B8):

"§ 6 Zusammensetzung, Beschlussfassung, innere Ordnung

I. Der Vorstand der Gesellschaft besteht aus mindestens zwei Mitgliedern.

II. ...

§ 8 Zusammensetzung, Wahl von Ersatzmitgliedern, Ausschüsse

I. Der Aufsichtsrat der Gesellschaft setzt sich entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zusammen.

II. Die Mitglieder des Aufsichtsrats sollen bei ihrer Bestellung durch die Hauptversammlung in der Regel nicht älter als 69 Jahre sein.

III. ...

IV. Die Mitglieder des Aufsichtsrats werden für die Zeit bis zur Beendigung derjenigen Hauptversammlung gewählt, die über die Entlastung für das vierte Geschäftsjahr nach dem Beginn der Amtszeit beschließt; hierbei wird das Geschäftsjahr, in dem die Amtszeit beginnt, nicht mitgerechnet ...

V. Für jedes Aufsichtsratsmitglied der Aktionäre kann ein Ersatzmitglied gewählt werden. Tritt ein Ersatzmitglied an die Stelle des ausgeschiedenen Mitglieds, so erlischt sein Amt mit Ende der Hauptversammlung, in der eine Ergänzungswahl nach Abs. 6 stattfindet, spätestens jedoch mit Ablauf der Amtszeit des ausgeschiedenen Aufsichtsratsmitglieds. Die Wahl von Ersatzmitgliedern für die Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer richtet sich nach dem Mitbestimmungsgesetz.

VI. Ergänzungswahlen erfolgen für die restliche Amtszeit des ausgeschiedenen Mitglieds.

VII. Der Aufsichtsrat bildet einen Ausschuss nach § 27 Abs. 3 Mitbestimmungsgesetz. Zusätzlich kann der Aufsichtsrat weitere Ausschüsse für besondere Aufgaben und Befugnisse bilden. Die Ausschüsse erfüllen im Namen und in Vertretung des Gesamtaufsichtsrats die ihnen übertragenen Aufgaben, soweit dies gesetzlich zulässig ist.

§ 9 Abberufung und Niederlegung des Amtes

I. ...

II. Jedes Mitglied des Aufsichtsrats kann sein Amt auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist durch eine an den Vorstand zu richtende schriftliche Erklärung niederlegen ..."

Gemäß § 4 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Vorstands der Beklagten fasst der Vorstand seine Beschlüsse mit einfacher Mehrheit, soweit die Gesetze, die Satzung oder die Geschäftsordnung nichts anderes vorsehen (Bl. 104).

Der Jahresabschluss und der Lagebericht der Beklagten sind gem. § 316 Abs. 1 Satz 1 HGB zu prüfen. Die Hauptversammlung der Beklagten im Jahr 2007 hat die K. Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, S., (K.) zur Abschlussprüferin gewählt (Bl. 77).

2. Mit Scheiben vom 24.8.2007 (vgl. B2), adressiert an den Vorsitzenden des Aufsichtrats, erklärte das Mitglied des Aufsichtsrats B., sein Amt zum 30.9.2007 niederzulegen. Mit Schreiben vom 27.8.2007 (vgl. B3), adressiert an den V...

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