Leitsatz (amtlich)

Zur Haftung einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung von Anlegern durch Erteilung eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks für den Jahresabschluss (mit Lagebericht) einer Emittentin von Inhaberteilschuldverschreibungen

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Urteil vom 07.10.2011; Aktenzeichen 4 O 4715/09)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Leipzig vom 7.10.2011 - 4 O 4715/09, unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung teilweise abgeändert:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.500 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszins seit dem 13.3.2010 zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung der bereits zur Tabelle im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Wohnungsbaugesellschaft Leipzig-West AG, 405 IN 2046/06, festgestellten Ansprüche des Klägers auf Rückzahlung von Inhaberschuldverschreibungen.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagten mit der zuvor genannten Gegenleistung in Verzug befinden.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 1/6 und die Beklagten als Gesamtschuldner 5/6 zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 1.500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt von der beklagten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (Beklagte zu 1) und deren Geschäftsführer, dem Beklagten zu 2), Schadensersatz wegen eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks, den der Beklagte zu 2) nach selbst durchgeführter Prüfung für die Beklagte zu 1) der XXX (im Folgenden: XXX oder Gesellschaft) für das Geschäftsjahr 2002 am 25.6.2003 erteilte.

Die XXX veräußerte auf dem sog. "grauen Kapitalmarkt" Inhaberteilschuldverschreibungen an Kleinkapitalanleger. Bei den Inhaberteilschuldverschreibungen handelte es sich um käuflich zu erwerbende Inhaberpapiere der XXX, die mit einem Zinssatz zwischen 5,25 % und 7 % p.a. verzinst worden sind. In den Jahren 1999 bis zur Insolvenz im Jahr 2006 legte die XXX insgesamt 25 Tranchen von Inhaberteilschuldverschreibungen ohne Börsenzulassung (im Folgenden in chronologischer Reihenfolge der Ausgabe: IHS 1 bis IHS 25) mit einem rechnerischen Gesamtvolumen von ca. 556 Mio EUR auf. Die Buchhaltung der XXX wurde von der B. AG betreut, die auch die Jahresabschlüsse erstellte, deren Aufsichtsrat der Beklagte zu 2) mindestens bis zum Jahr 2000 angehörte und die unter der gleichen Anschrift wie die Beklagte zu 1) ihren Sitz hat; der Vorstand der B. AG war bis 1999 Gesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten zu 1). Die Beklagte zu 1) testierte die Jahresabschlüsse der XXX für die Geschäftsjahre von 1999 bis 2003. Am 1.9.2006 ist über das Vermögen der XXX das Insolvenzverfahren eröffnet worden.

Der Kläger zeichnete Inhaberteilschuldverschreibungen der Tranche IHS 12 (ISIN: DE 00 03 16 17 33) und zahlte hierfür 1.500 EUR, die am 1.7.2004 bei der XXX eingingen. Die IHS 12 hatte einen Zinssatz von 6,75 % und eine Laufzeit bis zum 31.10.2008. In dem zugehörigen, von der xyx geprüften und dort hinterlegten Prospekt "Ein Meisterstück!" ist auf Seite 71 der Bestätigungsvermerk der Beklagten vom 25.6.2003 zum Jahresabschluss der XXX zum 31.12.2002 abgedruckt. Mit Schreiben vom 2.7.2004 nahm die XXX den Kaufantrag an, übersandte die Wertpapierurkunden und bestätigte den Zahlungseingang des Erwerbspreises.

Der Kläger hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, dass die Beklagten bei der Prüfung der Jahresabschlüsse für die XXX wesentliche Grundsätze der ordnungsgemäßen Durchführung einer solchen Prüfung missachtet hätten. Den Beklagten hätten besondere Sorgfaltspflichten oblegen, zumal in der Zeitschrift Finanztest bereits seit Januar 2000 die Teilschuldverschreibungen der XXX als "windige Papiere" bezeichnet und sowohl die Liquidität der XXX als auch die Werthaltigkeit ihrer Beteiligungen in Zweifel gezogen worden seien. Die Beklagten hätten die wirtschaftliche Situation der Wirtschaftsgruppe erkennen können und müssen, zumal sie für mehrere Gesellschaften aus der Unternehmensgruppe tätig geworden seien. Die Beklagten hätten bei der Ermittlung der Werte bemerken müssen, dass ausgewiesene Gewinne nur dadurch zustande gekommen seien, dass im Rahmen von Geschäften zwischen nahestehenden Unternehmen "Gewinne" erzeugt worden seien. Bereits am 6.4.2001 habe der Beklagte zu 2) gegenüber J. S. - unter dem einzelkaufmännischen Unternehmen J. S. Immobilien Beteiligungen e. K. (im Folgenden: JSeK) Mehrheitsaktionär der XXX - angemerkt, dass bereits im Abschluss 1999 Forderungen gegen den Mehrheitsgesellschafter i.H.v. 22,5 Mio DM aktiviert seien, die auf einen Gewinnabführungsvertrag zwischen der XXX und JSeK beruhen. Da bei der JSeK ein Eigenkapitalfehlbetrag von 16,3 Mio DM ausgewiesen sei, stelle sich die Frage der Werthaltigkeit der bei der XXX aktivierten Forderung, mit anderen Worten, was passiere, wenn die XXX die Forderung fällig stelle. Obwohl die Beklagten keine befriedigende...

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