Prof. Dr. Nadine Antonakopoulos
a) IFRS 15
aa) Abgrenzung der Umsatzerlöse
Tz. 45
Mit IFRS 15 werden erstmals allgemeine Grundsätze zur Umsatzerfassung in Form eines 5-Stufen-Konzepts eingeführt, das auf jegliche in den Anwendungsbereich des IFRS 15 fallende Kundenverträge anzuwenden ist und nicht nach Vertragsgegenstand differenziert. Die Stufen sind (IFRS 15.IN7):
- 1. Stufe: Identifikation von Kundenverträgen (vgl. Tz. 46 ff., 65 f.)
- 2. Stufe: Identifikation der vertraglichen Leistungsverpflichtung (vgl. Tz. 67 f., 100 ff.)
- 3. Stufe: Bestimmung des Transaktionspreises (vgl. Tz. 53 ff.)
- 4. Stufe: Aufteilung des Transaktionspreises auf die vertraglichen Leistungsverpflichtungen (vgl. Tz. 69 ff.)
- 5. Stufe: Erfassung des Umsatzes bei Erfüllung der Leistungsverpflichtungen (vgl. Tz. 74, 77 ff.)
Tz. 46
Im Rahmen der 1. Stufe ist zunächst zu beurteilen, ob der zugrunde liegende Vertrag die Definition eines Kundenvertrags nach IFRS 15 erfüllt. Verträge sind dabei Vereinbarungen zwischen mindestens zwei Parteien, die zu durchsetzbaren Rechten und Pflichten führen. Ein Kunde ist eine Partei, die mit dem Unternehmen einen Vertrag über die Lieferung von Gütern oder das Erbringen von Dienstleistungen, die Ergebnis (output) der gewöhnlichen Tätigkeit des Unternehmens sind, gegen Gegenleistung abgeschlossen hat. Kooperationspartner, mit denen beispielsweise ein Produkt gemeinsam entwickelt wird, gelten nicht als Kunden, da mit ihnen kein Vertrag über Lieferungen oder Leistungen abgeschlossen wurde, sondern diese durch die Zusammenarbeit an den Chancen und Risiken des Ergebnisses des Unternehmens partizipieren (IFRS 15.6).
Tz. 47
IFRS 15 ist auf sämtliche Verträge mit Kunden anzuwenden mit Ausnahme von (IFRS 15.5)
- Leasingverhältnissen,
- Versicherungsverträgen,
- Finanzinstrumenten sowie
- Tauschgeschäften von Unternehmen derselben Branche über gleichartige Güter.
Fällt ein Teil des Vertrags in den Anwendungsbereich eines von dem Anwendungsbereich des IFRS 15 ausgeschlossenen IFRS, so ist dieser Teil nach dem anderen IFRS zu separieren und zu bewerten und nur der verbleibende Teil nach IFRS 15 zu bilanzieren. Nur wenn der andere IFRS keine Separierungs- oder Bewertungsregeln enthält, sind die Vorschriften des IFRS 15 direkt heranzuziehen (IFRS 15.7 f.). IFRS 15 und die in ihm enthaltenen Erleichterungen sind stetig auf Verträge mit ähnlichen Eigenschaften anzuwenden (IFRS 15.3).
Tz. 48
Zur Bilanzierung hat der Vertrag im Anschluss folgende Voraussetzung zu erfüllen (IFRS 15.9 f.):
- rechtswirksamer Abschluss des Vertrags durch die Vertragsparteien, so dass die jeweiligen Verpflichtungen zu erfüllen sind,
- Identifizierbarkeit der Rechte jeder Partei bezogen auf die zu übertragenden Güter und zu erbringenden Dienstleistungen durch das bilanzierende Unternehmen,
- Identifizierbarkeit der Zahlungsbedingungen für die zu übertragenden Güter und zu erbringenden Dienstleistungen durch das bilanzierende Unternehmen,
- wirtschaftliche Substanz des Vertrages sowie
- Wahrscheinlichkeit des Erhalts der Gegenleistung durch das bilanzierende Unternehmen (zu weiteren Erläuterungen und Beispielen vgl. Tz. 65 f.).
Tz. 49
Wenn eine Vertragsseite ein rechtlich durchsetzbares Rücktrittsrecht von einem beiderseitig unerfüllten Vertrag hat, ohne die Gegenpartei dafür entschädigen zu müssen, liegt kein Vertrag im Sinne von IFRS 15 vor (IFRS 15.12). Ein Vertrag, der die Kriterien des IFRS 15 nicht erfüllt, ist kontinuierlich daraufhin zu beurteilen, ob die Kriterien zu einem späteren Zeitpunkt erfüllt sind (IFRS 15.14). Erhält das Unternehmen eine Gegenleistung des Kunden, obwohl kein Vertrag im Sinne von IFRS 15 vorliegt, ist ein Umsatz zu erfassen, wenn
- das Unternehmen keine weiteren Verpflichtungen gegenüber dem Kunden hat, diesem Vermögenswerte zu übertragen oder Dienstleistungen zu erbringen, und die Gegenleistung des Kunden nicht zu erstatten ist (non-refundable) oder
- der Vertrag beendet wurde und die Gegenleistung des Kunden nicht zu erstatten ist,
ansonsten ist die Gegenleistung des Kunden als Schuld zu erfassen (IFRS 15.15 f.).
Tz. 50
Mehrere Verträge mit demselben Kunden oder diesem nahe stehenden Parteien sind u. U. als ein einziger Vertrag zu behandeln (IFRS 15.17) (zu weiteren Erläuterungen und Beispielen vgl. Tz. 100 ff.).
Tz. 51
Schließlich können nachträgliche Vertragsänderungen zu einem separaten Vertrag oder nur zu einer Anpassung des ursprünglichen Vertrags führen (IFRS 15.18 ff.). Ein separater Vertrag liegt vor, wenn sich der Umfang des Vertrags durch neue, von den ursprünglich vereinbarten abgrenzbaren Vertragsgegenständen erhöht und der Preis der Vertragsgegenstände den der Vertragssituation angepassten Einzelveräußerungspreisen (stand-alone selling price) (vgl. Tz. 69 ff., 101 ff.) entspricht. Unschädlich für die Einordnung als separater Vertrag sind Preisnachlässe, wenn sie die durch Abschluss des Folgevertrags gesparten Kosten reflektieren, wie beispielsweise die gesparten Vertriebskosten, die angefallen wären, wenn derselbe Vertragsgegenstand an einen neuen Kunden veräußert worden wäre (IFRS 15.20). Liegt kein neu...