I. Einleitung

1. Überblick

 

Tz. 61

IAS 12 behandelt die Bilanzierung von Ertragsteuern (income taxes). Das dem Standard zugrunde liegende Konzept umfasst nach IAS 12.6 folgende Bereiche:

  • Tatsächliche Steuern: Bis zum Bilanzstichtag entstandene Erstattungsansprüche (current tax assets) und Schulden (current tax liabilities) für Steuern vom Einkommen und Ertrag
  • Latente Steuern: Noch nicht entstandene (latente) Steueransprüche (IAS 12.24) und -schulden (IAS 12.15) aufgrund von unterschiedlichen Buchwerten in der IFRS-Bilanz einerseits und der Steuerbilanz andererseits (latente Steuerbe- und -entlastungen)
  • Latente Steuern auf Verlustvorträge o. ä.: Künftige Steuererstattungsansprüche aufgrund von bislang ungenutzten Verlustvorträgen, Zinsvorträgen, tax credits u. ä.

Die nachfolgende Kommentierung konzentriert sich auf die Regelungen zur Bilanzierung latenter Steuern. Eine Differenzierung dieses Abschnitts in Einzel- und Konzernabschluss wird aufgrund der zu vernachlässigenden Bedeutung der IFRS für Einzelabschlüsse deutscher Unternehmen nicht vorgenommen. Zur Anwendung der IFRS in Deutschland vgl. Kapitel 1 Tz. 222 ff. Für die Ausführungen der grundsätzlich nach IFRS entsprechend anzuwendenden Regelungen zu Personengesellschaften (vgl. Tz. 35 ff.) und Organschaften (vgl. Tz. 39 ff.), verweisen wir auf die entsprechenden Ausführungen der handelsrechtlichen Kommentierung.

Sofern aus der künftigen Realisierung von Vermögenswerten und Schulden mit Wahrscheinlichkeit ein höherer/niedrigerer Steueraufwand entsteht als ohne deren Realisierung, ist die Aktivierung/Passivierung einer Steuerlatenz vorzunehmen.

Alle Geschäftsvorfälle inkl. aller zum Ende der Periode bilanzierten Vermögenswerte und Schulden sollen unter Berücksichtigung ihrer gegenwärtigen oder künftigen Steuerfolgen im Konzernabschluss abgebildet werden.

 

Tz. 62

Neben einer zutreffenden Darstellung der Vermögenslage verfolgt die Steuerlatenzierung das Ziel, eine Korrespondenz zwischen dem IFRS-Ergebnis vor Ertragsteuern und dem ausgewiesenen Steueraufwand/-ertrag unter Berücksichtigung des Steuersatzes herbeizuführen. Zu diesem Zweck ist zusätzlich zum tatsächlichen Steueraufwand/-ertrag ein fiktiver (latenter) Steueraufwand/-ertrag auszuweisen.

 

Tz. 63

Die Erfassung einer latenten Steuer unterbleibt jedoch bei folgenden Sachverhalten:

  • Erstmaliger Ansatz von goodwill (IAS 12.15a)
  • GuV-neutraler Zugang von Vermögenswerten/Schulden außerhalb eines Unternehmenserwerbs (IAS 12.15(b) und IAS 12.24), sog. initial recognition exemption
  • Steuerpflichtige outside basis differences, soweit der Bilanzierende die Möglichkeit hat, den zeitlichen Verlauf der Auflösung der steuerpflichtigen temporären Differenzen zu steuern und es wahrscheinlich ist, dass sich die temporären Differenzen in absehbarer Zeit nicht umkehren werden (IAS 12.39)
  • Abzugsfähige outside basis differences, soweit sich die abzugsfähigen temporären Differenzen in absehbarer Zeit nicht auflösen werden (IAS 12.44)
 

Tz. 64

Die Steuerabgrenzung beruht auf dem bilanzorientierten temporary concept, nach dem latente Steuern im IFRS-Abschluss auf temporären Differenzen zwischen dem Bilanzansatz in der IFRS- und Steuerbilanz beruhen. Für weitere Ausführungen vgl. Tz. 4 ff.

2. Entstehungsgeschichte

 

Tz. 65

Die ursprüngliche Fassung von IAS 12 Income Taxes wurde im Oktober 1996 vom IASC veröffentlicht und ersetzte Teile des IAS 12 Accounting for Income Taxes, der im Juli 1979 veröffentlicht wurde.

IAS 12 Income Taxes wurde zuletzt im Dezember 2010 im Bereich der Bewertung latenter Steuern für Renditeimmobilien geändert (recovery of underlying assets). Die Änderungen wurden am 11. Dezember 2012 im Rahmen des endorsement process in EU-Recht übernommen.

3. Geltungsbereich

a) Sachlicher Geltungsbereich

 

Tz. 66

Die Anwendbarkeit der IFRS-Regelungen, und somit auch des IAS 12, ergibt sich aus der Umsetzung der IAS-Verordnung in deutsches Recht (vgl. Kapitel 1 Tz. 222 ff.). Wie alle IFRS Regelungen, ist IAS 12 verpflichtend für Konzernabschlüsse von Unternehmen anzuwenden, die als kapitalmarktorientiert i. S. d. § 315a HGB i. V. m. § 264d HGB gelten und zum Stichtag einen organisierten Markt i. S. d. § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG in Anspruch nehmen oder eine Zulassung an einem solchen beantragt haben.

b) Zeitlicher Geltungsbereich

 

Tz. 67

Die gegenwärtig anwendbare Fassung des IAS 12 Income Taxes ist verpflichtend für am oder nach dem 1.1.2013 begonnene Geschäftsjahre anzuwenden.

4. Rechtspolitische Diskussion und Entwicklungsperspektiven

 

Tz. 68

Der IASB hat die Bilanzierung latenter Steuern auf unrealisierte Verluste von Fremdkapitalinstrumenten, somit vornehmlich der Kategorie available for sale nach IAS 39.9 überarbeitet. Auf Basis des am 19. Januar 2016 veröffentlichten Amendments "Recognition of Deferred Tax Assets for Unrealised Losses (Amendments to IAS 12)" führen nichtrealisierte Verluste aus Finanzinstrumenten, die zum fair value bewertet werden, zum Ansatz latenter Steuern, und zwar unabhängig davon, ob das Finanzinstrument durch Veräußerung oder Halten bis zur Endfälligkeit realisiert wird.

Darüber hinaus wurde klargestellt, dass der Buchwert die Höhe der zukünftigen steuerlichen Gewinne nicht begrenzt. Mit anderen Wor...

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