aa) Allgemeines

 

Tz. 88

§ 272 Abs. 4 HGB regelt die Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligtem Unternehmen. Die Vorschrift hat durch das BilMoG einen neuen Regelungsgehalt bekommen. Bis zum BilMoG regelte § 272 Abs. 4 Satz 1–3 HGB die Rücklagenbildung und Rücklagenauflösung für eigene Anteile. § 272 Abs. 4 Satz 4 HGB a. F. verwies auf diese Prinzipien für den Fall, dass die Gesellschaft Anteile an einem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Unternehmen hält.[273] Durch den nunmehr zwingend gebotenen Nettoausweis eigener Anteile sind die Regelungen zu den eigenen Anteilen entbehrlich, weil diese nicht mehr aktiviert werden und ihnen daher keine spezielle Rücklage gegenüberzustellen ist. Es bedarf daher einer gesonderten Regelung zu Anteilen, die ein abhängiges bzw. mit Mehrheit beherrschtes Unternehmen erworben hat.

[273] ADS, § 272 HGB Rn. 204.

aa1) Die gesellschaftsrechtlichen Vorgaben für wechselseitige Anteile

 

Tz. 89

§ 71d AktG gestattet den Erwerb von Aktien einer AG durch ein abhängiges (§ 17 AktG) oder in dessen Mehrheitsbesitz stehendes (§ 16 AktG) Unternehmen nur unter den Voraussetzungen von § 71 AktG. So wird auch auf § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG und auf § 71 Abs. 2 Satz 2 AktG verwiesen. Daher ist ein Aktienerwerb durch das abhängige Unternehmen auf die Höhe von 10 % beschränkt und die herrschende AG muss in entsprechender Höhe über eigene freie Rücklagen verfügen.[274] § 71d Satz 4, § 71b AktG schließen (dem Wortlaut nach) mitgliedschaftliche Rechte aus diesen Aktien (wie Stimmrecht oder Dividendenrecht) aus.[275] Insbesondere wegen der 10 %-Grenze haben wechselseitige Beteiligungen (§ 19 AktG) bei Beteiligung einer AG allenfalls vorübergehenden Charakter.[276]

 

Tz. 90

Im GmbH-Recht fehlt es an einer entsprechenden Regelung. Gleichwohl wird hier der Erwerb von Anteilen an der GmbH durch ein mit Mehrheit beherrschtes Unternehmen (nach a. A. genügt eine Abhängigkeit bei über 25 % Anteilen[277]) unter die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 AktG gestellt.[278] Es fehlt zwar an einer gesetzlichen Vorgabe, doch ist die Literatur einstimmig der Auffassung, dass es allein auf die Rücklagenbildung (bzw. Fähigkeit dazu) bei der Untergesellschaft ankommen muss.[279] Ob § 71b AktG übertragen werden kann, ist umstritten; nach h. M. ist ein Stimmverbot anzunehmen[280], während die Vermögensrechte bleiben.[281] Eine Begrenzung des Erwerbs eigener Anteile kennt das GmbHG nicht, sodass auch dauerhafte wechselseitige Beteiligungen (§ 19 AktG) in Betracht kommen. In diesem Fall soll § 328 AktG analog angewendet werden.[282]

[274] Koch, in: Hüffer, AktG, § 71d AktG Rn. 6; trotz rechtspolitischer Bedenken ebenso Merkt, in: Großko-AktG, § 71d AktG Rn. 55.
[275] Koch, in: Hüffer, AktG, § 71d AktG Rn. 18; Merkt, in: GroßKo-AktG, § 71d AktG Rn. 72; a. A. (Redaktionsversehen; nur Stimmrechtsausschluss) Oechsler, in: MüKo-AktG, § 71d AktG Rn. 58.
[276] Koch, in: Hüffer, AktG, § 71d AktG Rn. 7.
[277] Zu diesem Problem Roth/Altmeppen, GmbHG, § 33 GmbHG Rn. 42 m. w. N. (für Mehrheit) und Löwisch, in: MüKo-GmbHG, § 33 GmbHG Rn. 84 m. w. N. (für mehr als 25 %).
[278] Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 33 GmbHG Rn. 21.
[279] Auf Ebene des abhängigen Unternehmens: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 33 GmbHG Rn. 43; Löwisch, in: MüKo-GmbHG, § 33 GmbHG Rn. 82; Lutter/Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 GmbHG Rn. 47; Paura, in: GroßKo-GmbHG, § 33 GmbHG Rn. 115; Thiessen, in: Bork/Schäfer, GmbHG, 2. Aufl. 2012, § 33 GmbHG Rn. 97; Westermann, in: Scholz, GmbHG, § 33 GmbHG Rn. 21; wohl auch Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 33 GmbHG Rn. 21; ebenso das bilanzrechtliche Schrifttum, z. B. Kropff, in: MüKo-BilR, § 272 HGB Rn. 210; Reiner, in: MüKo-HGB, § 272 HGB Rn. 118.
[280] Recht eindeutig, siehe nur OLG München v. 7.4.1995, 23 U 6733/94, GmbHR 1995, 590 (591); Löwisch, in: MüKo-GmbHG, § 33 GmbHG Rn. 85; Lutter/Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 GmbHG Rn. 46; Paura, in: GroßKo-GmbHG, § 33 GmbHG Rn. 117; a. A. aber Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 47 GmbHG Rn. 58.
[281] Löwisch, in: MüKo-GmbHG, § 33 GmbHG Rn. 85; Paura, in: GroßKo-GmbHG, § 33 GmbHG Rn. 117 f.; a. A. wohl Lutter/Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 33 GmbHG Rn. 46; unklar Roth/Altmeppen, GmbHG, § 33 GmbHG Rn. 43.
[282] Paura, in: GroßKo-GmbHG, § 33 GmbHG Rn. 121; a. A. Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 47 GmbHG Rn. 58.

aa2) Die Regelung des § 272 Abs. 4 HGB im Überblick

 

Tz. 91

§ 272 Abs. 4 Satz 1 HGB regelt, dass für Anteile an einem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligtem Unternehmen eine Rücklage zu bilden ist. § 272 Abs. 4 Satz 2 HGB regelt die Höhe der Rücklage und lässt erkennen, dass derartige Anteile (anders als eigene Anteile) zu aktivieren sind. § 272 Abs. 4 Satz 3 HGB regelt, wie die Rücklage zu bilden ist – nämlich aus freien Rücklagen. § 272 Abs. 4 Satz 4 HGB regelt, unter welchen Voraussetzungen die Rücklage aufzulösen oder zu einem niedrigeren Wert anzusetzen ist.

aa3) Die rechtspolitische Würdigung der Regelungen zu den Anteilen an ­beherrschenden Gesellschaften

 

Tz. 92

Die aktienrechtliche Regelung ist merkwürdig, weil aus ihr hervorgeht, dass gem. § 71d Satz 4 i. V. m. § 71 Abs. 2 Satz 2 AktG die herrschende AG im Zeitpunkt des Erwerbs ihre...

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