dd1) Übergang vom Bruttoausweis zum Nettoausweis
Tz. 15
Bis zum BilMoG bestand ein Wahlrecht zwischen Brutto- und Nettoausweis.[42] Beim Bruttoausweis waren der Nennbetrag vollständig zu passivieren und die ausstehenden Einlagen vollständig zu aktivieren mit einem Hinweis auf die eingeforderten Einlagen. Nunmehr ist mit Blick auf internationalen Kontext nur noch ein Nettoausweis zulässig.[43] Der Nennbetrag ist zwar vollständig anzusetzen, jedoch sind die nicht eingeforderten Einlagen in der Vorspalte offen abzusetzen. Das führt zu einem Ergebnis, als gäbe es ein gezeichnetes Kapital zzgl. Kapitalrücklagen nur in bislang geleisteter bzw. eingeforderter Höhe. Offensichtliche Konsequenz ist eine geringere Bilanzsumme, die ggf. zu einer anderweitigen Eingruppierung bei § 267 HGB führen kann.[44] Gravierend sind die Folgen für den Kapitalschutz.
dd2) Einlagen und Agio
Tz. 16
§ 272 Abs. 1 Satz 3 HGB verlangt, dass die ausstehenden nicht eingeforderten Einlagen offen abzusetzen sind. Noch keine Forderung, sondern ein Posten gem. § 272 Abs. 1 Satz 3 HGB ist auszuweisen, wenn die Einlage bereits fällig, jedoch noch nicht eingefordert worden ist.[45] Das Agio unterfällt vor seiner Einforderung nach h. M. nicht § 272 Abs. 1 Satz 3 HGB.[46] Wegen der Pflicht zur sofortigen Agioleistung im Aktienrecht spielt diese Frage nur im GmbH-Recht eine Rolle. Mit Recht will die Gegenauffassung § 272 Abs. 1 Satz 3 HGB auch auf das Agio anwenden.[47] Es handelt sich ebenso wie die Leistungen auf das gezeichnete Kapital um ausstehende Einlagen. Das alleinige Abstellen auf das gezeichnete Kapital ist zu formalistisch und wird dem Zweck der Vorschrift nicht gerecht. Der Bilanzleser will durch das Absetzen der offenen Beträge ersehen, welche Forderungen gegen die Gesellschafter noch ausstehen und auf jeden Fall eingefordert werden können.
dd3) Höhe des Ausschüttungsvolumens
Tz. 17
Anders als beim Bruttoausweis kann beim Nettoausweis für die Bemessung des ausschüttungsfähigen Vermögens entweder an die um das abgesetzte Kapital gekürzte Nennbetragsziffer oder an die volle Nennbetragsziffer (d. h. das Grund- bzw. Stammkapital) angeknüpft werden. In letzterem Fall beginnt die Möglichkeit der Ausschüttung erst deutlich später bzw. ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag ist wesentlich höher.[48] Im Aktienrecht wird die Grundkapitalziffer bei nicht eingeforderten Beträgen gem. Art. 17 Abs. 2 RL 2012/30/EU v. 25.10.2012[49] gemindert. Der nicht eingeforderte Betrag ist bei der Bemessung des Ausschüttungsvolumens außen vor zu lassen.[50] Das GmbH-Recht muss hingegen nicht auf die EU-Richtlinie Rücksicht nehmen und die ganz h. M. hält für das Ausschüttungsvolumen die ungekürzte Stammkapitalziffer für maßgebend. Das führt bis zur Einforderung des gesamten Stammkapitals zu einem geminderten Ausschüttungsvolumen. Daher will die h. M. dieses Ergebnis korrigieren, indem nicht eingeforderte Einlagen gedanklich aktiviert werden.[51] Eine gewichtige Gegenansicht orientiert sich strikt am tatsächlichen bilanziellen Vermögen und der Stammkapitalziffer.[52] Allein letztere Auffassung überzeugt. Das Kapitalschutzsystem ist an das Handelsbilanzrecht geknüpft. Um Beliebigkeit bei der Ergebnisfindung zu vermeiden, muss die Minderung des Ausschüttungsvolumens akzeptiert werden.[53] Andernfalls könnte man über die Gesetzesänderung hinweggehen und gleich zum Wahlrecht nach alter Rechtslage zurückkehren. Letztlich kann die Gesellschaft die ausstehenden Einlagen einfordern und auf diese Weise das Ausschüttungsvolumen maximieren.[54]
dd4) Bewertung des abgesetzten Einlagebetrags
Tz. 18
Beim Bruttoausweis kann am starren Nominalwertkonzept für den Nennbetragsausweis festgehalten werden, weil die Leistungsfähigkeit des Gesellschafters über Abwertung der ausstehenden Einlagen geschieht. Beim Nettoausweis ist daher umstritten...
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