Tz. 98

Für eigene Anteile bis zum BilMoG besagten § 71 Abs. 2 Satz 2 AktG a. F. bzw. § 33 Abs. 2 Satz 1 GmbHG a. F., dass eine Rücklage aus freien Mitteln gebildet werden musste, die nicht zu Ausschüttungszwecken zur Verfügung stand. Das muss mangels gesetzlichen Anhaltspunktes für die Neuregelung der Sache nach unterstellt werden[293]. Daraus ergibt sich auch, warum der Gesetzgeber ihre Bildung bereits bei Aufstellung des Jahresabschlusses fordert. Sie ist zwingend, sodass die Gesellschafter sowieso nicht darüber disponieren können.

 

Tz. 99

Es darf nur auf die frei verfügbaren Rücklagen zugegriffen werden.[294] Da sind die Gewinnrücklagen, die auch zur Ausschüttung verwendet werden könnten und die Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB. Hinzu kommen bei der GmbH auch die Kapitalrücklagen gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB. Gesperrt sind diese in der AG (§ 150 Abs. 3, Abs. 4 AktG). Soweit die Satzung Rücklagen zur Ausschüttung sperrt, können diese auch nicht zum Ausweis der Rücklage für Anteile am Mutterunternehmen verwendet werden.

 

Tz. 100

Die ganz h. M. akzeptiert es auch, dass zur Rücklagenbildung Mittel herangezogen werden, die einem Ausschüttungsverbot unterliegen (§ 268 Abs. 8 HGB).[295] Grundsätzlich will sie beim Erwerb (1. Schritt) noch differenzieren und diese Mittel nicht heranziehen.[296] Die h. M. ist unter dem Aspekt verständlich und richtig, wenn man § 268 Abs. 8 HGB als außerbilanzielle Ausschüttungssperre einordnet. D. h.: Für § 268 Abs. 8 HGB bedarf es keiner Rücklagenbildung (a. A. vgl. Kapitel 10 Tz. 216; vgl. Tz. 86). Daher können jegliche Rücklagen – soweit möglich – für die Bildung des Postens § 272 Abs. 4 HGB (2. Schritt) verwendet werden. Bei einem Gewinnverwendungsbeschluss (3. Schritt) muss dann jedoch beachtet werden, dass § 268 Abs. 8 Satz 1 HGB nur eine Ausschüttung zulässt, wenn aus den freien Rücklagen (d. h. die gem. § 272 Abs. 4 HGB ist hier nicht einzubeziehen) nach Ausschüttung immer noch ein Betrag verbleibt, der die in § 268 Abs. 8 HGB erwähnten Posten abdeckt.[297] Bei einem anderen Verständnis der h. M. käme man zu dem merkwürdigen Ergebnis, dass in Höhe aller tatsächlich frei verfügbaren Mittel Anteile am herrschenden Unternehmen erworben werden können und nun Ausschüttungspotenzial generiert wird, indem nicht all diese Mittel zum Aufbau der gesperrten Rücklage genutzt werden, sondern vielmehr eine bereits ausschüttungsgesperrte Rücklage eine Doppelfunktion erhält.

 

Tz. 101

Erwirbt eine abhängige Gesellschaft eigene Anteile, wenn sie durch Unternehmensvertrag (§ 291 AktG) mit ihrem herrschenden Unternehmen verbunden ist, so kann sie entgegen der h. M. diese Rücklage auch aus vorvertraglichen (freien) Rücklagen bilden.[298] Nach vorliegender Auffassung zu § 272 Abs. 4 HGB stellt sich dieses Problem bereits nicht, weil die Rücklage sowieso beim herrschenden Unternehmen zu bilden ist. Aber auch beim Ausweis der Rücklage gem. § 272 Abs. 4 HGB auf Ebene der erwerbenden abhängigen Gesellschaft spielen entgegen der h. M. §§ 301, 302 AktG keine Rolle. §§ 301, 302 AktG regeln nur Gewinnabführung und Verlustausgleich für den Unternehmensvertrag. Andere Rücklagen sind deshalb nicht ausschüttungsgesperrt, jedoch müssen sie durch ordnungsgemäßen Gewinnverwendungsbeschluss verteilt werden.[299] Der Erwerb eigener Anteile, aber auch von Anteilen an einem herrschenden Unternehmen entspricht einer derartigen Vermögensauskehr und ist daher möglich, wenn vorvertragliche Rücklagen in entsprechender Höhe vorliegen. Das kann sogar gegeben sein, wenn das herrschende Unternehmen im entsprechenden Jahr einen Verlustausgleich (§ 302 AktG) leisten muss.

 

Tz. 102

Die Rücklage ist auch zu bilden, wenn die verfügbaren Mittel nicht genügen. Das kann sein, wenn beim Erwerb der Aktien bzw. GmbH-Geschäftsanteile gegen § 71 Abs. 2 Satz 2 AktG bzw. § 33 Abs. 2 Satz 1 GmbHG verstoßen worden ist oder wenn der Jahresverlust aus Umständen des Restjahres nach dem Erwerbsgeschäft resultiert. Daneben muss ein Verlustvortrag ausgewiesen werden.[300] Dieser darf jedoch gem. § 150 Abs. 4 AktG mit Kapitalrücklagen verrechnet werden; § 150 Abs. 4 Satz 2 AktG kann insoweit nicht gelten.[301]

[293] Förschle/Hoffmann, in: BeckBilKo, § 272 HGB Rn. 301; Reiner, in: MüKo-HGB, § 272 HGB Rn. 117; i. E. auch Hüttemann/Meyer, in: GroßKo-HGB, § 272 HGB Rn. 66.
[294] Dazu Förschle/Hoffmann, in: BeckBilKo, § 272 HGB Rn. 302; Kropff, in: MüKo-BilR, § 272 HGB Rn. 216; Reiner, in: MüKo-HGB, § 272 HGB Rn. 121.
[295] Förschle/Hoffmann, in: BeckBilKo, § 272 HGB Rn. 302; Gelhausen/Althoff, WPg 2009, 584 (589); Hüttemann/Meyer, in: GroßKo-HGB, § 272 HGB Rn. 42; Kropff, in: MüKo-BilR, § 272 HGB Rn. 217; ders., Gesellschaftsrechtliche Auswirkungen der Ausschüttungssperre in § 268 Abs. 8 HGB, in: Kindler/Koch/Ulmer/Winter (Hrsg.), Festschrift für Uwe Hüffer zum 70. Geburtstag, München 2010, 537 (542).
[296] Hüttemann/Meyer, in: GroßKo-HGB, § 272 HGB Rn. 42; Kropff, in: MüKo-BilR, § 272 HGB Rn. 217; ders., Gesellschaftsrechtliche Auswirkungen der Aus...

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