aa) Einleitung

 

Tz. 168

Das unabdingbare Kündigungsrecht mancher Rechtsformen führt dazu, dass dem Gesellschafter ein Abfindungsanspruch ggü. dem Unternehmen entsteht. Im Grundsatz erfüllen damit kündbare Instrumente (puttable instruments) die Definitionskriterien von Fremdkapital.

 

Tz. 169

Dies stellt vor allem PersGes oder Genossenschaften vor das Problem, dass deren Gesellschaftsanteile i. S. der Definition des IASB finanzielle Verbindlichkeiten (financial liabilities) darstellen und nicht als Eigenkapital auszuweisen sind. Als Folge daraus würden die genannten Gesellschaftsformen zum einen kein Eigenkapital ausweisen können. Zum anderen würde aber auch die Bewertung dieser Anteile zu fragwürdigen Ergebnissen führen, da der Abfindungsanspruch mit dem Erfolg des Unternehmens schwankt und damit eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens (aufgrund der erfolgswirksamen Berücksichtigung der Veränderung des als Verbindlichkeit auszuweisenden Rückzahlungsanspruchs) zu einer schlechteren Darstellung im Abschluss des Unternehmens führen würde.[387]

 

Tz. 170

Das IASB reagierte im Jahr 2008 auf die verstärkte Kritik an der bilanziellen Behandlung kündbarer Instrumente und überarbeitete die hierzu existierenden Regelungen. Dazu wurde jedoch nicht das Grundprinzip zur Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital angepasst. Im Grundsatz stellen kündbare Instrumente immer noch Fremdkapital dar. Vielmehr wurde IAS 32 um kasuistische Einzelfallregelungen ergänzt, die in vielen, aber nicht allen Fällen, deutschen PersGes ausnahmsweise einen Eigenkapitalausweis ermöglichen. Eine Hilfestellung erhalten nach IFRS bilanzierende deutsche PersGes dabei vom DRSC, das Anfang 2009 mit RIC 3 eine Rechnungslegungsinterpretation zu Auslegungsfragen bei der Eigenkapitalabgrenzung nach IAS 32 veröffentlichte.

[387] Im Detail dazu Bömelburg/Landgraf/Luce, PiR 2008, 143; Hennrichs, WPg 2009, 1067.

bb) Rechtspolitische Diskussion und Entwicklungsperspektiven

bb1) Rechtspolitische Diskussion

 

Tz. 171

Mit den Änderungen an IAS 32 im Jahr 2008 haben sich verschiedenste Fragestellungen bzgl. der Vereinbarkeit gesellschaftsrechtlicher Regelungen bei PersGes in Deutschland mit dem kasuistischen Regelungskatalog des IAS 32.16 A–B ergeben. Dies ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass die Regelungen des IASB nicht auf die spezifischen Gestaltungsweisen nationalstaatlicher Rechnungslegungsvorschriften eingehen, sondern vergleichsweise abstrakt – und damit auslegungs- bzw. interpretationsbedürftig – möglichst international einsetzbare Ausnahmeregelungen definieren. Um diese Fragestellungen i. S. des deutschen Gesellschaftsrechts beantworten zu können, wurde seitens des DRSC im Januar 2009 die Rechnungslegungsinterpretation RIC 3 veröffentlicht und im Februar 2010 ergänzt. RIC 3 geht auf die Spezifika deutscher PersGes ein und legt die Kriterien des IAS 32.16 A–B vor dem Hintergrund der national geltenden Regelungen aus.[388]

[388] Ähnlich auch Meurer/Tamm, IRZ 2010, 269 ff.

bb2) Entwicklungsperspektiven

 

Tz. 172

Neben den Änderungen an IAS 32 veröffentlichten das IASB sowie andere Institutionen verschiedene Diskussionspapiere zur Kapitalabgrenzung. So wurde z. B. 2008 seitens des IASB – im Rahmen des gemeinsamen Forschungsprojekts mit dem FASB – ein Diskussionspapier zu Finanzinstrumenten mit Merkmalen von Eigenkapital (financial instruments with characteristics of equity) veröffentlicht, das unterschiedliche Ansätze zur Kapitalabgrenzung diskutierte.[389] Allerdings wurde das Thema letztmalig im Oktober 2010 vom IASB diskutiert.[390]

 

Tz. 173

Des Weiteren wurde 2008 von der PAAinE-Initiative (Pro-active Accounting Activities in Europe) unter Federführung von DRSC und EFRAG ein Diskussionspapier "Distinguishing between liabilities and equity" veröffentlicht, das die Kapitalabgrenzung anhand des "loss absorption approach"vorschlägt. Dieser stützt die Kapitalabgrenzung primär auf das Kriterium der Verlustteilhabe von Anteilen.[391] Allerdings wurde dem Ansatz der europäischen Standardsetter seitens des IASB keine wesentliche Beachtung geschenkt.

 

Tz. 174

Schließlich wurde mit der Veröffentlichung des Diskussionspapiers DP/2013/1 zur Überarbeitung des Rahmenkonzepts im Juni 2013 auch die Diskussion um die Kapitalabgrenzung nach IFRS neu belebt. Es wurden zwei Ansätze zur Kapitalabgrenzung zur öffentlichen Diskussion gestellt, der strict obligation approach und der narrow equity approach. Der strict obligation approach grenzt die Kapitalklassen über eine Schuldendefinition ab, so dass Eigenkapital entsprechend negativ zu definieren ist – also das Kapital, das keine Schulden darstellt. Der narrow equity approach definiert Eigenkapital hingegen positiv und setzt u. a. bei dessen Letztrangigkeit an.[392]

[389] Ausführlich dazu Schmidt, IRZ 2008, 235 ff.
[390] IASB/FASB, Joint Board Meeting, October 2010, im Internet: www. ifrs.org.
[391] Ausführlich dazu Baetge/Haenelt, ZGR 2008, 309 ff.
[392] Dazu auch Erb/Pelger, KoR 2013, 519.

cc) Ausgangssituation

 

Tz. 175

Dem Gesellschafter einer deutschen PersGes steht nach dem Regelstatut gem. § 723 BGB i. V. m. § 161 Abs. 2 HGB (für KG) bzw. § 105 Abs. 3 HGB (für OHG) ein unabdi...

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