aa) Allgemeines

 

Tz. 42

§ 266 Abs. 3 A HGB unterscheidet zwischen Kapital- und Gewinnrücklagen. Kapitalrücklagen sind von außen zugeführte Mittel; Gewinnrücklagen werden aus den Erträgen der Gesellschaft gebildet. Schwierigkeiten ergeben sich bei verdeckten Einlagen (vgl. Tz. 49). Der Grundsatz der Stetigkeit gilt nicht bei der Rücklagenbildung.[115] Die Geschäftsleitung kann nach eigenem Ermessen in jedem Jahr Rücklagen bilden bzw. auflösen, soweit Vorgaben des Gesellschaftsrechts (§ 58 Abs. 2 AktG) oder der Satzung beachtet werden.

[115] Pinkernell, Die Bildung von Gewinnrücklagen gem. § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 KStG in der Beratungspraxis, in: Tipke/Seer/Hey/Englisch (Hrsg.), Festschrift für Joachim Lang zum 70. Geburtstag, Köln 2010, 735 (745) (zur willkürlichen Rücklagenbildung bei steuerlicher Organschaft).

aa1) Gesellschaftsrechtliche Vorgaben

 

Tz. 43

Die Untergliederung der Kapitalrücklage und ihre Abgrenzung zur Gewinnrücklage haben nicht nur Informationsfunktion[116], sondern vielfach materiellrechtliche Auswirkungen.[117] In der AG sind gem. § 150 Abs. 4 AktG Kapitalrücklagen gem. § 272 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 HGB darauf beschränkt, entweder einen Jahresverlust auszugleichen oder zur Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln verwendet zu werden. Eine Ausschüttung an die Aktionäre ist weder als Gewinn noch bei Rückgewähr eigener Aktien zulässig. In der GmbH gilt diese Beschränkung hingegen nicht; gesellschaftsvertraglich kann aber derartiges vereinbart werden. Sonstige Zuzahlungen in das Eigenkapital gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB unterliegen zwar auch in der AG der freien Verwendung; jedoch taugen sie nicht zum Verlustausgleich im Vertragskonzern gem. § 302 AktG.[118] Letztlich ist eine Abgrenzung zwischen Nr. 1 und Nr. 4 auch deshalb wichtig, weil disquotale Einlagen wohl unter letztere Vorschrift fallen und ggf. zu zivilrechtlichen Ausgleichsansprüchen führen können.[119] Weitere Probleme werden im Text angesprochen.

 

Tz. 44

Mit Blick auf die unterschiedlichen Verwendungsmöglichkeiten der Kapitalrücklagen – insbesondere im Aktienrecht – sollten die Kapitalrücklagen gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 4 HGB voneinander gesondert ausgewiesen werden.[120] Zumindest Rücklagen gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB sind von jener Rücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB zu trennen.[121] Auch Sonderrücklagen gem. §§ 231, 232, 237 Abs. 5 AktG, §§ 58b Abs. 2, 58c Satz 1 GmbHG sollten gesondert ausgewiesen werden.[122]

[116] Bilanzklarheit; dazu Kropff, in: MüKo-BilR, § 272 HGB Rn. 93.
[117] Hennrichs, in: Krieger/Lutter/Schmidt, FS Hoffmann-Becking, 511 (512 ff.).
[118] BFH v. 8.8.2001, I R 25/00, BFHE 196, 485 (489); anders zuvor noch OLG Frankfurt v. 29.6.1999, 5 U 251/97, NZG 2000, 603 (604); referierend Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Aufl., München 2013, § 301 Rn. 17.
[119] Dazu Mylich, ZEV 2012, 229 ff.
[120] ADS, § 272 HGB Rn. 86 "zweckmäßig".
[121] Kropff, in: MüKo-BilR, § 272 HGB Rn. 62.
[122] ADS, § 272 HGB Rn. 87 f.; Hüttemann/Meyer, in: GroßKo-HGB, § 272 HGB Rn. 32.

aa2) Bilanzrechtliche Besonderheiten

 

Tz. 45

Die zutreffende Einbuchung des Kapitals entweder in der Kapitalrücklage oder in der Gewinnrücklage korrespondiert mit dem Beteiligungsausweis beim Gesellschafter. Die Gesellschaftsanteile dürfen bei ihm in der Höhe ausgewiesen werden, die sich aus seiner Einlage zuzüglich seiner Leistungen in das Kapital ergibt. Nennkapital und Kapitalrücklage korrespondieren mit den Anschaffungskosten des Gesellschafters.[123] Die Auflösung einer Kapitalrücklage mit Rückführung an den Gesellschafter führt unabhängig von ihrer Ausgestaltung (Entnahme, Auflösung zugunsten eines Bilanzgewinns) zur Minderung der Beteiligungsbuchwerte.[124] Das wird zum Teil zu Unrecht bestritten.[125]

[123] Oser, WPg 2014, 555 (556).
[124] Deubert/Hoffmann, Der Konzern 2014, 154 (156, 160); Oser, WPg 2014, 555 (557).
[125] Hennrichs, in: Krieger/Lutter/Schmidt, FS Hoffmann-Becking, 511 (521 unter der Prämisse, dass Kapitalrücklagen auch in Gewinnrücklagen umgewandelt werden können).

bb) § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB

 

Tz. 46

Gesellschaftsanteile sind grundsätzlich mindestens zum Nennwert auszugeben (§ 9 Abs. 1 AktG). Darüber hinausgehender Betrag ist das Aufgeld, auch Agio genannt (§ 36a Abs. 1 AktG).[126] Dieses ist in der Kapitalrücklage zu buchen. Das gilt ebenso im GmbH-Recht.[127] Auf Zeitpunkt und Form der Leistung kommt es nicht an; jeder mit der Anteilsausgabe bei Gründung oder Kapitalerhöhung geleistete Zusatzbetrag ist erfasst.

 

Tz. 47

§ 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB spricht nicht allein von einem Aufgeld, sondern von dem Betrag, der durch die Aktienausgabe erzielt wird. Dazu gehört bei Einschaltung eines Emissionskonsortiums auch die Differenz zwischen Zeichnungskurs und Nennbetrag der jungen Aktien, wobei die Vergütung des Emissionskonsortiums abzuziehen ist.[128] Wird zugunsten der Gesellschaft von einem die Emission ausführenden Kreditinstitut ein fixes Agio versprochen und kann die Gesellschaft bei einem bestimmten Mehrerlös darüber hinaus noch Zahlung beanspruchen, ist auch dieser zusätzliche Differenzbetrag § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB unterworfen. Das gil...

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