Tz. 1

 

§ 252 Allgemeine Bewertungsgrundsätze

(1) Bei der Bewertung der im Jahresabschluß ausgewiesenen Vermögensgegenstände und Schulden gilt insbesondere folgendes:

  1. Die Wertansätze in der Eröffnungsbilanz des Geschäftsjahrs müssen mit denen der Schlußbilanz des vorhergehenden Geschäftsjahrs übereinstimmen.
  2. Bei der Bewertung ist von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen.
  3. Die Vermögensgegenstände und Schulden sind zum Abschlußstichtag einzeln zu bewerten.
  4. Es ist vorsichtig zu bewerten, namentlich sind alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlußstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen, selbst wenn diese erst zwischen dem Abschlußstichtag und dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses bekanntgeworden sind; Gewinne sind nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlußstichtag realisiert sind.
  5. Aufwendungen und Erträge des Geschäftsjahrs sind unabhängig von den Zeitpunkten der entsprechenden Zahlungen im Jahresabschluß zu berücksichtigen.
  6. Die auf den vorhergehenden Jahresabschluss angewandten Bewertungsmethoden sind beizubehalten.

(2) Von den Grundsätzen des Absatzes 1 darf nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden.

1. Einleitung

a) Überblick

 

Tz. 2

Die Vorschrift des § 252 Abs. 1 HGB enthält die grundlegenden Bewertungsgrundsätze des HGB-Bilanzrechts. Es handelt sich dabei um die gesetzliche Normierung bereits früher anerkannter Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, die teilweise nicht nur für die Bewertung, sondern auch für den Ansatz Bedeutung haben.[1] § 252 Abs. 2 HGB erlaubt in begründeten Ausnahmefällen ein Abweichen von den in Satz 1 aufgeführten Bewertungsgrundsätzen.

[1] Kleindiek, in: GroßKo-HGB, § 252 HGB Rn. 6; Schülke, IDW-Standards und Unternehmensrecht, 50.

b) Entstehungsgeschichte

 

Tz. 3

Die Vorschrift beruht auf Art. 31 der 2013 aufgehobenen EG-Bilanzrichtlinie; sie hat leichte Änderungen durch das BilMoG 2009 erfahren, die aber lediglich klarstellende Funktion hatten. Die EG-Bilanzrichtlinie war ausgerichtet an dem Konzept einer vorsichtigen, an der Ertragsrealisierung orientierten Bewertung mit festen Wertobergrenzen und tendenziell weniger strengen Wertuntergrenzen. Art. 31 normierte die allgemeinen Bewertungsgrundsätze erkennbar unter Rückgriff auf ein kontinentaleuropäisches Bilanzierungsverständnis.[2] Die Neufassung der Richtlinie hat daran im Wesentlichen festgehalten. Die Grundsätze des Art. 31 a. F. sind in Art. 6 EU-Bilanzrichtlinie aufgegangen. Die Richtlinie erlaubt alternativ die Bewertung von Anlagevermögen mit der Neubewertungsmethode und für Finanzinstrumente die Bewertung zum beizulegenden Zeitwert. Dabei handelt es sich aber lediglich um mitgliedstaatliche Wahlrechte. Im Rahmen des Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (BilRUG) wurde von diesen Wahlrechten jedoch kein Gebrauch gemacht.

[2] Beisse, in: Schön, GS Knobbe-Keuk, 385 (397).

c) Geltungsbereich

 

Tz. 4

Die Vorschrift betrifft alle Kaufleute.

d) Rechtspolitische Diskussion und Entwicklungsperspektiven

 

Tz. 5

Damit ist sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Gesetzgebungsebene eine Entwicklung zu verzeichnen, die zwischenzeitlich als unwahrscheinlich beurteilt wurde: Mit der verpflichtenden Einführung der IFRS-Rechnungslegung für kapitalmarktorientierte Konzernmütter in Europa wurden vielfach das vorsichtsgeprägte Bewertungskonzept der 4. Richtlinie und mit ihr das HGB-Bilanzrecht für überholt erklärt.[3] Zwar ist eine prophezeite Sogwirkung[4] der IFRS nicht ausgeblieben und hat mit dem BilMoG zu einer vorsichtigen Annäherung der deutschen Bilanzierungsvorschriften an die internationalen geführt. Nicht zuletzt die Bankenkrise von 2008 hat jedoch den Skeptikern einer Zeitwertbewertung Wasser auf die Mühlen gegeben.[5] Die EU-Bilanzrichtlinie bemüht sich um einen Kompromiss, indem sie beide Bewertungskonzepte für zulässig erklärt. Eine konsistente Prinzipienorientierung zur Vereinheitlichung der europäischen Bilanzrechtssysteme ist indessen nicht zu verzeichnen.

[3] Vgl. Köhrle, IFRS-Einzelabschluss: Folgen für die steuerliche Gewinnermittlung auf Grundlage des Maßgeblichkeitsgrundsatzes (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG), Berlin 2010, 21; Pellens/Sellhorn, ZGR 2008, 451 (452).
[4] Merkt, ZGR 2004, 305 (307).
[5] Küting, BB 48/2008, M1.

2. Erläuterung

a) Allgemeine Rechnungslegungsregelungen

 

Tz. 6

Die Bewertungsgrundsätze des § 252 Abs. 1 HGB stehen in keinem besonderen Rangverhältnis zueinander. Sie sind mithin gleichwertig. Soweit sie im Einzelfall miteinander im Konflikt stehen, ist die zutreffende Lösung durch Auslegung zu ermitteln. Dabei sind vor allem die folgenden §§ 253256a HGB zu berücksichtigen, die ebenfalls zum Teil allgemeine Bilanzierungsprinzipen oder allgemeine Rechnungslegungsregeln enthalten. Diese ergänzen § 252 Abs. 1 HGB, indem sie dessen Bewertungsgrundsätze ausfüllen und konkretisieren.[6] Sachliche Gründe, welche die konkrete Bilanzierungssituation beeinflussen, können als Ausnahmen über § 252 Abs. 2 HGB berücksichtigt werden.

[6] Kleindiek, in: GroßKo-HGB, § 252 HGB Rn. 2; Tiedchen, in: MüKo-BilR, § 255 HGB Rn. 1.

b) Die einzelnen Bewertungsgrundsätze

 

Tz. 7

Ausgehend von der Feststellung, dass § 252 Abs. 1 HGB in e...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Merkt, Rechnungslegung nach HGB und IFRS (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?


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