aa) Grundlagen

 

Tz. 147

Rückstellungen sind gem. § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB mit dem Erfüllungsbetrag anzusetzen, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist. Der darin liegende Einschätzungsspielraum unterscheidet Rückstellungen von Verbindlichkeiten im Hinblick auf die Zugangsbewertung. Hinsichtlich der Folgebewertung verlangt § 253 Abs. 2 Satz 1 HGB, dass Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr abgezinst werden, wobei für Pensionsrückstellungen ein längerer Abzinsungszeitraum gilt als für sonstige Rückstellungen. Sowohl bei Zugangs- als auch bei Folgebewertung ist eine willkürliche Bewertung trotz des bestehenden Beurteilungsspielraums ausgeschlossen. Die Bewertung hat sich vielmehr nach den Bewertungskonzepten des Handelsbilanzrechts zu richten, insbesondere dem Vorsichts- und Imparitätsprinzip. Ist der Betrag – wie in der Regel – ungewiss, ist von mehreren plausiblen Werten nicht der höchste, sondern der wahrscheinlichste, von gleich wahrscheinlichen der höhrere zu wählen.[360]

[360] IDW RS HFA 34 Rn. 28, WPg Supplement 1/2013.

bb) Erfüllungsbetrag

 

Tz. 148

Unter dem Begriff des Erfüllungsbetrages versteht man den Betrag, den der Schuldner im Erfüllungszeitpunkt der Verpflichtung voraussichtlich zur Ablösung der Verpflichtung aufwenden muss.[361] Während bei (sicheren) Verbindlichkeiten der Erfüllungsbetrag dem Nennbetrag entspricht, ist er bei unsicheren Verbindlichkeiten, die als Rückstellungen angesetzt werden, stets gesondert zu ermitteln. Dabei sind Rückstellungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr abzuzinsen.

[361] Schubert, in: BeckBiKo, § 253 HGB Rn. 151.

cc) Schätzung nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung

 

Tz. 149

Die von Abs. 1 Satz 2 geforderte "vernünftige kaufmännische Beurteilung" stellt den Schätzungsrahmen hinsichtlich der Höhe des Erfüllungsbetrags dar.[362] Für den Ansatz der Rückstellung, deren Höhe noch ungewiss ist, ist demnach der wahrscheinlichste und nicht der höchstmögliche Betrag zu wählen. Hierbei ist dem Vorsichtsprinzip besondere Beachtung zu schenken, das eine zu optimistische Beurteilung nicht zulässt.[363] Dabei steht dem Unternehmen ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu, der aber durch objektive, voll nachprüfbare Parameter definiert wird. Diese sind beispielsweise:[364]

  • Betriebsspezifische Erfahrungswerte
  • Branchenspezifische Trendfortschreibungen
  • Schätzwerte, insbesondere Inflationsraten, sofern diese für das konkrete Unternehmen zutreffen können
[362] Schubert, in: BeckBiKo, § 253 HGB Rn. 152; Tiedchen, in: MüKo-BilR, § 253 HGB Rn. 29.
[363] IDW RS HFA 34 Rn. 28, WPg Supplement 1/2013.
[364] Ekkenga, in: KK-RechnR, § 252 HGB Rn. 46; Schubert, in: BeckBilKo, § 253 HGB Rn. 158.

dd) Berücksichtigung künftiger Preisentwicklungen

dd1) Preis- und Kostensteigerungen

 

Tz. 150

Die Preis- und Kostenverhältnisse zum voraussichtlichen Erfüllungszeitpunkt stellen die wirtschaftliche Belastung des Unternehmens dar.[365] Deshalb sind grds. auch künftige Preis- und Kostensteigerungen zu berücksichtigen. Sie können entweder anhand der gesamtwirtschaftlichen oder aber anhand einer branchenspezifischen Betrachtung ermittelt werden, sofern nicht eindeutige gegenläufige Tendenzen eine andere Vorgehensweise verlangen. Maßgeblich ist damit, ob die konkreten Unternehmensdaten nicht nahelegen, dass eine abweichende Wertermittlung für die künftigen Verpflichtungen des Unternehmens erfolgen muss. Die Berücksichtigung von Preis- und Kostensteigerungen setzt zudem ausreichend objektive Hinweise bzw. hinreichend sichere Erwartungen für deren Eintritt voraus.[366] Objektive Hinweise können sich auch hier z. B. aus Erfahrungswerten aus betriebsintern gesammelten Informationen und Daten oder branchenspezifischen Informationen und Trendfortschreibungen sowie von der EZB erwarteten Inflationsraten ergeben.[367] Stützt man sich auf Eintrittswahrscheinlichkeiten, so müssen diese schon hinreichend konkretisiert sein. Dies ist beispielsweise bei erwarteten Kostenerhöhungen aus Tarifabschlüssen der Fall.[368] Die Berücksichtigung betriebsinterner Trends bei der Ermittlung künftiger Preis- und Kosten erfordert eine entsprechende Dokumentation.[369]

[365] Grottel/Rhiel, in: BeckBilKo, § 253 HGB, Rn. 158; RegE BilMoG BT-Drucks. 16/10067, 112.
[366] Hoffmann/Lüdenbach, HGB, § 253 HGB Rn. 61.
[367] Schubert, in: BeckBilKo, Rn. 158; Pannen, in: Deloitte (Hrsg.), Die Bilanzrechtsreform 2010/11, 4. Aufl., Bonn 2011, 179 f.
[368] Schubert, in: BeckBilKo, § 253 HGB Rn. 158.
[369] Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 253 HGB Rn. 3.

dd2) Preis- und Kostensenkungen

 

Tz. 151

Umstritten ist, ob auch Preis- bzw. Kostensenkungen berücksichtigt werden dürfen oder müssen. IDW PS HFA 34 geht hiervon aus, sofern diese mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind.[370] Teilweise werden objektive Anhaltspunkte für eine Kostensenkung für ausreichend gehalten, um eine Pflicht zur Berücksichtigung anzunehmen, ohne das Kriterium der Wahrscheinlichkeit zu bemühen.[371] Im Hinblick auf das Vorsichtsprinzip und mit Hinweis darauf, dass in der Gesetzesbegründung lediglich Preis- und Kostensteigerungen erwähnt werden,[372] lehnen wieder andere die Berücksichtigung von Preis- un...

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