I. § 255 HGB

 

Tz. 660

 

§ 255 Bewertungsmaßstäbe

(1) Anschaffungskosten sind die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Zu den Anschaffungskosten gehören auch die Nebenkosten sowie die nachträglichen Anschaffungskosten. Anschaffungspreisminderungen, die dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können, sind abzusetzen.

(2) Herstellungskosten sind die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstands, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Dazu gehören die Materialkosten, die Fertigungskosten und die Sonderkosten der Fertigung sowie angemessene Teile der Materialgemeinkosten, der Fertigungsgemeinkosten und des Werteverzehrs des Anlagevermögens, soweit dieser durch die Fertigung veranlasst ist. Bei der Berechnung der Herstellungskosten dürfen angemessene Teile der Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie angemessene Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung einbezogen werden, soweit diese auf den Zeitraum der Herstellung entfallen. Forschungs- und Vertriebskosten dürfen nicht einbezogen werden.

(2a) Herstellungskosten eines selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenstands des Anlagevermögens sind die bei dessen Entwicklung anfallenden Aufwendungen nach Absatz 2. Entwicklung ist die Anwendung von Forschungsergebnissen oder von anderem Wissen für die Neuentwicklung von Gütern oder Verfahren oder die Weiterentwicklung von Gütern oder Verfahren mittels wesentlicher Änderungen. Forschung ist die eigenständige und planmäßige Suche nach neuen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen oder Erfahrungen allgemeiner Art, über deren technische Verwertbarkeit und wirtschaftliche Erfolgsaussichten grundsätzlich keine Aussagen gemacht werden können. Können Forschung und Entwicklung nicht verlässlich voneinander unterschieden werden, ist eine Aktivierung ausgeschlossen.

(3) Zinsen für Fremdkapital gehören nicht zu den Herstellungskosten. Zinsen für Fremdkapital, das zur Finanzierung der Herstellung eines Vermögensgegenstands verwendet wird, dürfen angesetzt werden, soweit sie auf den Zeitraum der Herstellung entfallen; in diesem Falle gelten sie als Herstellungskosten des Vermögensgegenstands.

(4) Der beizulegende Zeitwert entspricht dem Marktpreis. Soweit kein aktiver Markt besteht, anhand dessen sich der Marktpreis ermitteln lässt, ist der beizulegende Zeitwert mit Hilfe allgemein anerkannter Bewertungsmethoden zu bestimmen. Lässt sich der beizulegende Zeitwert weder nach Satz 1 noch nach Satz 2 ermitteln, sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten gemäß § 253 Abs. 4 fortzuführen. Der zuletzt nach Satz 1 oder 2 ermittelte beizulegende Zeitwert gilt als Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Sinn des Satzes 3.

1. Einleitung

a) Überblick

 

Tz. 661

§ 255 HGB konkretisiert die in § 253 Abs. 1 Satz 1 HGB angesprochenen Anschaffungs- und Herstellungskosten. Abs. 1 regelt, welche Kosten Anschaffungskosten sind, Abs. 2 welche Kosten in die Herstellungskosten einzubeziehen sind. In Abs. 2a wird konkretisierend festgelegt, wie Herstellungskosten im Falle selbsterstellter immaterieller Vermögensgegenstände zu ermitteln sind. Abs. 3 betrifft die Behandlung von Fremdkapitalzinsen. Abs. 4 schließlich konkretisiert den in § 253 Abs. 1 Satz 3–4 HGB erwähnten Begriff des beizulegenden Zeitwerts (§ 253 HGB).

b) Entstehungsgeschichte

 

Tz. 662

Die Vorschrift ist zusammen mit § 253 HGB durch das BiRiLiG eingefügt worden (vgl. Tz. 75). Änderungen hat sie vor allem durch das BilMoG 2009 erfahren. Verpflichtend wurde die Einbeziehung bestimmter Gemeinkosten in die Herstellungskosten nach § 253 Abs. 2 HGB vorgeschrieben, die vorher zwar freiwillig (Wahlrecht) einbezogen werden durften, aber nicht mussten. Damit wurde neben der Steigerung der Informationsfunktion des Jahresabschlusses die Anpassung an den steuerrechtlichen Herstellungskostenbegriff bezweckt.[745] Abs. 2a entstand, weil das Verbot zur Aktivierung selbstgeschaffener Immaterialgüter in ein Wahlrecht geändert und mithin die Definition dafür ansetzbarer Herstellungskosten erforderlich wurde. Abs. 4 kam ebenfalls 2009 neu ins HGB, das bis dahin den Begriff des beizulegenden Zeitwerts (nunmehr § 253 Abs. 1 Satz 3–4 HGB) nicht kannte. Mit dem BilRuG von 2015 wurde in Abs. 1 Satz 3 präzisiert, dass nur einzelnen Vermögensgegenständen zurechenbare Anschaffungspreisminderungen abgesetzt werden dürfen bzw. müssen.

[745] BT-Drucks. 16/10067, 36.

c) Geltungsbereich

 

Tz. 663

Die Vorschrift gilt für alle bilanzierungspflichtigen Kaufleute. Die Präzisierung in Abs. 1 Satz 3 gilt für Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2015 beginnen (Art. 75 Abs. 1 EGHGB). Im Übrigen die Vorschrift ist in der Fassung des BilMoG gem. Art. 66 Abs. 3 EGHGB zwingend anzuwenden auf alle G...

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