Tz. 109

Über den Abschreibungszeitraum entscheidet die voraussichtliche betriebliche Nutzungsdauer. Sie ist nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung zu schätzen. Dem Kaufmann steht damit ein Ermessensspielraum zu, der nach überzeugender Auffassung nur eingeschränkt überprüft werden kann.[265] Das Gesetz weist die Konkretisierung des rechtlich erforderlichen Zeitraums dem Kaufmann als dem Sachnähesten zu.[266] Dieser muss jedoch die normativen Vorgaben des Bilanzrechts berücksichtigen, namentlich das Vorsichtsprinzip.[267] Divergieren bspw. der technische und der wirtschaftliche Nutzungszeitraum, ist demnach der kürzere maßgeblich. Die Praxis behilft sich hingegen oftmals mit den AfA-Tabellen der Finanzverwaltung;[268] zu prüfen ist aber, ob Besonderheiten des Betriebes Anpassungen dieser typisierten Werte erforderlich machen.[269] Denn die AfA-Tabellen stellen auf die regelmäßig längere technische Nutzungsdauer ab.[270] Bei unterschiedlich lang nutzbaren Komponenten ist grds. die Komponente maßgeblich, die den wesentlichen Wert ausmacht. Abschreibungsbeginn ist der Zeitpunkt der Lieferung oder Fertigstellung. Das gilt auch, wenn der Vermögensgegenstand erst später verwendet werden soll, fehlender Ruheverschleiß sollte über die Abschreibungsmethode, nicht den Beginn der Abschreibung berücksichtigt werden.[271]

 

Tz. 110

Auch selbstgeschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens unterliegen der planmäßigen Abschreibung. Anders lautende Ansichten[272] scheinen mit Inkrafttreten des BilRuG insoweit überholt. Dies hat der Gesetzgeber klargestellt, indem er als "Ausnahmefall" nennt, dass die tatsächliche Nutzungsdauer nicht ermittelt werden kann, und für diesen Fall eine fiktive Nutzungsdauer vorschreibt. Sofern sich nämlich ausnahmsweise eine tatsächliche Nutzungsdauer nicht feststellen lässt, bestimmt das Gesetz in Abs. 3 Satz 3, dass eine Nutzungsdauervon zehn Jahren zugrunde zu legen ist. Art 12 Abs. 11 der EU-Bilanzrichtlinie sieht diese Möglichkeit vor; das den Mitgliedstaaten eingeräume Wahlrecht, einen Zeitraum zwischen fünf und zehn Jahren zu bestimmen, hat der deutsche Gesetz dahingehend ausgeübt, dass er den Abschreibungszeitraum von zehn Jahren festgelegt hat.

Die Regelung gilt über die Verweisung in Abs. 3 Satz 4 auch für den entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert. Dieser gilt gem. § 246 Abs. 1 Satz 4 HGB als zeitlich begrenzt nutzbarer Vermögensgegenstand. Lässt sich seine voraussichtliche Nutzungsdauer nicht verlässlich schätzen, ist auch er über zehn Jahre abzuschreiben. Die steuerrechtlich geltende Abschreibung über 15 Jahre lässt sich damit handelsrechtlich nicht vornehmen.

[265] Hennrichs, DStR 2009, 1446 (1447).
[266] Überzeugend Hennrichs, Wahlrechte, 53 f.
[267] Tiedchen, in: MüKo-BilR, § 253 HGB Rn. 91.
[268] Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 253 HGB Rn. 10.
[269] Brösel/Olbrich/Zündorf, in: HdR, § 253 HGB Rn. 468; Schubert/Andrejewski/Roscher, in: BeckBilKo, § 253 HGB Rn. 231.
[271] Brösel/Olbrich/Zündorf, in: HdR, § 253 HGB Rn. 460; Schubert/Andrejewski/Roscher, in: BeckBilKo, § 253 HGB Rn. 278; a.A Ekkenga, in: KK-RechnR, § 253 HGB Rn. 95.
[272] Ekkenga, in: KK-RechnR, § 253 HGB Rn. 91.

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