Tz. 564

Ansatz und Bewertung von Rückstellungen sind nach IAS 37.59 zu jedem Abschlussstichtag zu überprüfen (review) und – falls erforderlich – anzupassen (adjust). Auf diese Weise soll gewährleistet werden, dass der (Wert-)Ansatz der Rückstellung stets den bestmöglichen Schätzwert der erwarteten Ausgaben zur Erfüllung der Verpflichtung widerspiegeln. Erfolgte der Erstansatz einer Rückstellung diskontiert, d. h. zum Barwert, steigt der Wertansatz der Rückstellung im Zeitablauf durch Aufzinsung. Der Betrag, um den die Rückstellung durch Aufzinsung steigt, ist als Zinsaufwand im Finanzergebnis zu erfassen (IAS 37.60). Eine entsprechende Erfassung erfolgt auch im Falle einer Änderung des Zinssatzes.

 

Tz. 565

Die Anpassung von Rückstellungen wird regelmäßig als Schätzungsänderung i. S. des IAS 8 angesehen. Danach ist eine rechnungslegungsbezogene Schätzungsänderung als eine Buchwertberichtigung eines Vermögenswerts oder einer Schuld definiert, oder als betragsmäßiger, periodengerechter Verbrauch eines Vermögenswerts, der aus der Einschätzung des derzeitigen Status von Vermögenswerten oder Schulden und aus der Einschätzung des künftigen Nutzens und künftiger Verpflichtungen im Zusammenhang mit Vermögenswerten oder Schulden resultiert. Diese eher abstrakte Definition wird durch die weiterführende Aussage konkretisiert, dass sich derartige Schätzungsänderungen aus neuen Informationen oder Entwicklungen ergeben.[663] IAS 8.32 nennt einige Sachverhalte, die Schätzungen enthalten können, darunter auch Garantie- und Gewährleistungsverpflichtungen. Die Verwendung von Schätzungen im Zusammenhang mit diesen Sachverhalten wird u. a. darauf zurückgeführt, dass damit stets geschäftsbezogene Unsicherheiten verbunden sind, die eine Bewertung der entsprechenden Posten erschweren.

 

Tz. 566

Die Definition von Schätzungsänderungen nach IAS 8.5 sowie die in IAS 8.32 genannten Beispiele suggerieren, dass Schätzungsänderungen lediglich im Kontext bewertungsbezogener Sachverhalte vorkommen. So formuliert IAS 8.32 beispielsweise, dass aufgrund geschäftsbezogener Unsicherheiten verschiedene Posten "nicht präzise bewertet, sondern nur geschätzt werden." Dies legt die Vermutung nahe, dass im Hinblick auf den Bilanzansatz Schätzungen regelmäßig nicht zum Einsatz kommen, sondern lediglich bewertungsbezogene Beurteilungs- und Ermessensspielräume geregelt werden sollen, ohne dass dabei gegen den Grundsatz der Verlässlichkeit verstoßen wird.[664] Daraus folgt auch die Forderung, dass Schätzungen stets auf einer aktuell verfügbaren und verlässlichen Datenbasis zu fußen haben. Entsprechend sind Schätzungen anzupassen, wenn sich die zugrunde liegenden Annahmen ändern oder neue Erkenntnisse zur Verfügung stehen. Schätzungsänderung wirken daher nicht retrospektiv.

Da jedoch gerade bei der Rückstellungsbildung auch der Bilanzansatz aufgrund bestehender Unsicherheiten stark ermessensbehaftet ist,[665] erscheint eine – i. S. der Prinzipienorientierung der IFRS – konzeptionelle Ausweitung des Anwendungsbereichs von Schätzungsänderungen auch auf Fragen des Bilanzansatzes sachgerecht.[666]

 

Tz. 567

Schätzungsänderungen werden grundsätzlich in der Periode GuV-wirksam erfasst, in der die zugrunde liegende Änderung erfolgt ist. Hiervon ausgenommen ist jedoch z. B. die Behandlung von Änderungen bestehender Rückstellungen für Entsorgungs-, Wiederherstellungs- und ähnliche Verpflichtungen nach IFRIC 1.

 

Tz. 568

Liegen die Ansatzvoraussetzungen (vgl. Kapitel 5 Tz. 558 ff.) für eine Rückstellung nicht mehr vor, ist die Rückstellung GuV-wirksam aufzulösen (vgl. Kapitel 5 Tz. 611 f.). Der Verbrauch bzw. die Inanspruchnahme einer Rückstellung erfolgt hingegen erfolgsneutral (vgl. Kapitel 5 Tz. 610 f.).

[663] EY (Hrsg.), International GAAP 2014, Vol. I, Hoboken 2014, 126.
[664] Ähnlich auch Driesch, in: Beck IFRS-Hdb., § 45 Rn. 31.
[665] Fink/Kunath, DB 2010, 2346.
[666] Fink/Zeyer, PiR 2011, 182.

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