Tz. 50

Die Aufzählung von Bewertungsgrundsätzen in § 252 Abs. 1 HGB ist nicht abschließend. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Norm, wonach "insbesondere" die aufgeführten Bewertungsgrundsätze gelten. So gelten darüber hinaus die folgenden gesetzlich normierten Bewertungsgrundsätze:

Auf diese Grundstäzte wird in der Kommentierung zu den jeweiligen Vorschriften näher eingegangen. Zu den gesetzlich nicht genannten Bewertungsgrundsätzen werden vor allem der Grundsatz der Wesentlichkeit und der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit gezählt.

aa) Grundsatz der Wesentlichkeit

 

Tz. 51

Der Grundsatz der Wesentlichkeit wird als ein ungeschriebener GoB angesehen und ist insofern auch ein Bewertungsgrundsatz.[110] Er ist bereits im Zusammenhang mit dem Ansatz von Vermögensgegenständen ausführlicher behandelt worden (vgl. Kapitel 5 Tz. 20 ff.). Europarechtlich ist der Grundsatz in Art. 6 Abs. 1 lit. j) EU-Bilanzrichtlinie vorgegeben. Positiv-rechtliche Ausflüsse des Wesentlichkeitsgrundsatzes für die Bewertung sind die Gruppenbewertung des Inventars gem. § 240 Abs. 4 HGB und die Bewertungsvereinfachungsverfahren gem. § 256 HGB. Als allgemeiner Bewertungsgrundsatz besagt er, dass bei der Bewertung aller Tatbesände solche Sachverhalte vernachlässigt werden können, die wegen ihrer Größenordnung oder ihrer Art keinen Einfluss auf die Rechnungslegung haben.[111] Nach einer häufig zum Grundsatz der materiality nach IFRS verwendeten Definition ist ein Sachverhalt dann wesentlich, wenn ein Abschlussadressat unter Berücksichtigung der Information zum Sachverhalt eine anderere Entscheidung treffen würde als ohne das Vorliegen dieser Information.[112] Da die Informationsvermittlung handelsbilanzrechtlich aber nur einer von mehreren Bilanzierungszwecken ist, ist hinsichtlich einer Übernahme der Definition ins deutsche Bilanzrecht eine gewisse Vorsicht geboten. Jedenfalls auf Ebene der Bewertungsvorschriften dürften das Vorsichts-, das Realisations- und das Imparitatäsprinzip auf das Verstädnis davon, was wesentlich ist, Einfluss haben. Starre Wertschwellen, bei deren Unterschreiten stets keine Wesentlichkeit gegeben sei,[113] sind allerdings abzulehnen.[114] So lässt sich keine generelle Aussage darüber treffen, wann Wesentlichkeit gegeben ist und wann nicht.

[110] Marx, FR 2011, 267 (268); Mekat, Der Grundsatz der Wesentlichkeit in Rechnungslegung und Abschlussprüfung, 1. Aufl. 2009, 78 ff. m. w. N.
[111] Winkeljohann/Büssow, in: BeckBilKo, § 252 HGB Rn. 70.
[112] Winnefeld, Bilanz-Hdb., Kapitel D. Rn. 403; Zülch/Fischer, in: MüKo-BilR, IAS 1 Rn. 56.
[113] Claussen, in: KK-RechnR, § 252 HGB Rn. 19 f.

bb) Grundsatz der Wirtschaftlichkeit

 

Tz. 52

Neben dem Grundsatz der Wesentlichkeit wird auch der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit als Maßstab für eine Bewertung angesehen.[115] Er soll besagen, dass bei der Bilanzierung der Kosten-Nutzen-Aspekt zu berücksichtigen ist, der sich aus dem Sachzwang zum wirtschaftlichen Handeln ergibt. Ob es sich dabei um einen eigenen Bewertungsgrundsatz handelt, ist zweifelhaft. Vielmehr dürfte sich aus dem Sachzwang zum wirtschaftlichen Handeln ergeben, dass unwesentliche Sachverhalte nicht abgebildet werden müssen. Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit ist daher Ausfluss des Grundsatzes der Wesentlichkeit.[116] Daraus folgt zugleich, dass u. U. auch erheblicher Aufwand zur Ermittlung eines Sachverhaltes dann erforderlich ist, wenn seine Abbildung für die Rechnungslegungszwecke wesentlich ist. Ausfluss des Wirtschaftlichkeitsprinzips sollen sein:[117]

  • Poolabschreibungen
  • Verzicht auf die Zurechnung "unechter" Gemeinkosten auf die Kostenträger, die eigentlich Einzelkosten sind[118]
[115] Hoffmann/Lüdenbach, HGB, § 252 HGB Rn. 243; Kreipl/Müller, in: Bertram u. a., HGB, § 252 HGB Rn. 149.
[117] Hoffmann/Lüdenbach, HGB, § 252 HGB Rn. 243.
[118] Ekkenga, in: KK-RechnR, § 255 HGB Rn. 108.

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