bb1) Kauf auf Raten, Stundung, Finanzierungskosten

 

Tz. 86

Zinsen für Fremdkapital, das der Finanzierung von Anschaffungsvorgängen dient, stellen keine Anschaffungskosten da. Das ergibt der Umkehrschluss aus § 255 Abs. 3 Satz 2 HGB, wonach unter bestimmten Voraussetzungen Finanzierungskosten in die Herstellungskosten einbezogen werden können. Sowohl bei Ratenkaufverträgen als auch bei der Stundung liegen rechtstechnisch zwei Rechtsgeschäfte vor:[203]

  • Geschäft zum Erwerb des Vermögensgegenstands
  • Kreditgeschäft

Lediglich die Kosten aus dem Erwerbsgeschäft sind als Anschaffungskosten zu berücksichtigen. Lässt sich der Barzahlungspreis nicht verlässlich ermitteln, weil die jeweiligen Kosten für das Erwerbsgeschäft und das Kreditgeschäft nicht separat ausgehandelt oder als solche dokumentiert sind, ist die zu leistende Zahlung auf den Barwert abzuzinsen.[204] Das gilt auch dann, wenn die vereinbarten Zinsen zu niedrig sind.[205] Maßstab ist der marktübliche Zins. Ob umkehrt marktunüblich hohe Zinsen als Anschaffungskosten angesehen werden und daher aktiviert werden müssen erscheint angesichts des Wortlauts des § 255 Abs. 3 Satz 2 HGB zumindest unklar, ist aber konsequent und zu begrüßen. Finanzierungskosten werden so als objektivierte Größe verstanden und lassen sich damit verlässlich aus den Anschaffungskosten ausscheiden.

[203] ADS, § 255 HGB Rn. 78.
[204] ADS, § 255 HGB Rn. 78.

bb2) Tausch

 

Tz. 87

Beim Tausch ist der Wert der Gegenleistung maßgeblich. Nach dem Äquivalenzprinzip ist aber davon auszugehen, dass die getauschten Vermögensgegenstände gleichwertig sind. Demnach ist der bisherige Buchwert zugrunde zu legen. Ggf. ist sofort auf den niedrigeren beizulegenden Wert abzuschreiben. Divergieren die Buchwerte (wie meistens), ist der höhere von beiden zugrunde zu legen. Zusätzliche Zahlungen (Tausch mit Baraufgabe) sind dem erhaltenen Vermögensgegenstand als Anschaffungskosten zuzuordnen, sofern sie nur von einer Seite zum Ausgleich einer bestehenden Wertdifferenz erfolgen.

 

Tz. 88

Die ganz h. M. gesteht dem Bilanzierenden ein Wahlrecht zu, ob er den Tauschvorgang gewinnneutral buchen möchte oder ob mit dem Tausch stille Reserven gehoben werden sollen.[206] Teilweise wird dieses Wahlrecht, Gewinne zu realisieren, nur dann anerkannt, wenn der Tausch betriebswirtschaftlich erforderlich war und nicht lediglich aus bilanzkosmetischen Gründen ("window dressing") vorgenommen wurde.[207]

 

BEISPIEL

Die A-AG ist Eigentümerin eines Grundstücks G1, das einen Buchwert von 500.000 EUR hat und bisher mit einer Lagerhalle bebaut ist. Der Verkehrswert des Grundstücks liegt mittlerweile bei 750.000 EUR. Aus bauplanungs- und immissionsschutzrechtlichen Gründen darf die A-AG eine dringend benötigte Produktionshalle jedoch nicht auf dem Grundstück G1 errichten. Sie tauscht das Grundstück G1 daher mit der B-AG gegen deren Grundstück G2, auf dem sie die Produktionshalle errichten darf. Das G2 hat einen gutachterlich festgestellten Wert von 600.000 EUR.

Nach h. M. hat die A-AG drei Möglichkeiten, den Vorgang zu bilanzieren:

  1. Sie bilanziert zu Buchwerten, d. h. G2 wird grundsätzlich mit dem Buchwert des G1 angesetzt, weil dieser – quasi als "Bezahlung" – zur Erlangung von G2 hingegeben wird. In einem ersten Schritt wäre der Sachverhalt damit als erfolgsneutral anzusehen. Evtl. wäre das Grundstück in einem zweiten Schritt sodann auf den ggf. niedrigeren Zeitwert abzuschreiben (dies ist im vorliegenden Beispiel nicht der Fall). G2 würde also mit 500.000 EUR angesetzt. Allerdings ist diese Variante der Erfassung im Steuerrecht nicht zulässig, so dass steuerrechtlich bei einem den handelsrechtlichen Buchwert übersteigenenden Zeitwert ein erhöhrter Steueraufwand erwächst (siehe 2.). Dieser würde schließlich dazu führen, dass der ursprünglich erfolgsneutral erfasste Sachverhalt in der GuV eine Höherbelastung aus erhöhtem Steueraufwand nach sich zieht und damit erfolgsmindernd wirkt.
  2. Die A-AG bucht G2 zum Verkehrswert ein, also mit 750.000 EUR. G1 wird ausgebucht. Somit realisiert sich ein Gewinn von 250.000 EUR, der dann auch zu erhöhtem Steueraufwand führt. Dieser Weg ist steuerrechtlich vorgeschrieben (§ 6 Abs. 6 Satz 1 EStG).
  3. Die A-AG bilanziert zu Buchwerten zzgl. der tatsächlich anfallenden Steuern aus dem Sachverhalt. Denn steuerrechtlich ist die Variante Nr. 1 unzulässig. Zu bilanzieren wäre also G2 mit dem Buchwert von G1 (500.000 EUR) zzgl. der Steuer aus 250.000 EUR. Auf diese Weise erfolgt die Erfassung des Tauschvorgangs erfolgsneutral, da der durch den Sachverhalt erhöhte Steueraufwand durch die "Aktivierung" desselben in den Anschaffungskosten in der GuV neutralisiert wird.

Während in der ersten Variante die fortgeführten Buchwerte zugrunde gelegt werden, stellt die zweite Variante auf Verkehrswerte ab. Dies entspricht grds. dem Äquivalenzprinzip, wonach sich Leistung und Gegenleistung grds. entsprechen und Anschaffungsvorgänge daher grds. als erfolgsneutral anzusehen sind (auch wenn § 6 Abs. 6 Satz 1 EStG im Ergebnis Auswirkungen auf die Gu...

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