Tz. 607

Absicherungsfähig sind Vermögensgegenstände und Schulden, nicht aber RAPs und Haftungsverhältnisse. Erfasst sind grds. alle Vermögensgegenstände, auch immaterielle.[689] Nicht absicherungsfähig ist aber der derivative Geschäfts- oder Firmenwert. Das erklärt sich zwar nicht damit, dass in seinem Falle die Eigenschaft eines Vermögensgegenstandes nur fingiert wird (§ 246 Abs. 1 Satz 4 HGB), denn die Gleichstellung ist gerade der Zweck einer solchen Fiktion.[690] In einem Geschäfts- oder Firmenwert sammeln sich jedoch zahlreiche Einzelchancen und Einzelrisiken, die nicht als Bündel absicherbar sind.[691]

 

Tz. 608

Ausdrücklich nennt § 254 HGB grds. nicht bilanzierungsfähige schwebende Geschäfte (vgl. Kapitel 5 Tz. 18) absicherungsfähig. Damit wird es erst möglich, Risiken aus laufenden Geschäftsbeziehungen und aus Derivaten in der Bilanz (als abgesichert) darzustellen.[692]

 

Tz. 609

Abgesichert werden können auch Risiken aus mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarteten Transaktionen (sog. antizipative Bewertungseinheiten). Die Beschreibung "mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartete Transaktionen" ist ein gesetzliches Spezifikum der Bewertungseinheiten und ein durch das BilMoG eingeführtes Novum im Gesetz. Erwarteten Transaktionen fehlt im Gegensatz zu schwebenden Geschäften noch der Vertragsschluss. Sie sind nur absicherungsfähig, wenn ein Vertragsschluss mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff ist unter Berücksichtigung des Vorsichts- und Realisationsprinzip, die auf Tatbestandsebene noch beachtlich sind, auszulegen. Eine sehr restriktive Auslegung ist geboten, denn soweit sich die Risiken aus dem Sicherungsgut positiv entwickeln, werden die gegenläufigen Verluste aus dem Sicherungsinstrument neutralisiert. Der Vertragsschluss muss dafür so gut wie sicher sein, allenfalls noch durch atypische Einflüsse von außerhalb des Einflussbereichs des Bilanzierenden verhindert werden können.[693] Nicht erforderlich ist, konkrete Wahrscheinlichkeiten in Prozentangaben zu prognostizieren. Stattdessen ist die hohe Wahrscheinlichkeit anhand von Erfahrungswerten aus Unternehmen und Branche, die zu belegen sind, begründet nach kaufmännischer Sorgfalt zu schätzen.[694] Bestehende Ausfallrisiken bei Forderungen stehen der Einordnung als Grundgeschäft nach h. A. technisch nicht entgegen, erfordern aber eine Berücksichtigung dieses Risikos.[695] Allerdings ist unklar, wie dieses Risiko berücksichtigt werden soll.

 

BEISPIEL

A hat gegen ein Unternehmen mit Sitz außerhalb der Währungsunion eine Forderung, die gegen Währungsrisiken gesichert ist. Nun stellt sich heraus, dass dieses Unternehmen in Schieflage geraten ist. A droht, mit der Forderung auszufallen. A trägt nun hinsichtlich der Ausfallgefahr ein anderes Risiko, als er abgesichert hat; da beide Risiken (Ausfall/Währung) nicht vergleichbar sind, fehlt der Risikozusammenhang.

 

Tz. 610

Nach überwiegender Ansicht sind akut ausfallgefährdete Forderungen nicht absicherungsfähig.[696] Nach a. A. sind alle Risiken theoretisch absicherungsfähig, auch das Ausfallrisiko.[697]

[689] BT-Drucks. 16/10067, 58; Förschle/Usinger, in: BeckBilKo, § 254 HGB Rn. 10. Unklar insofern Tiedchen, in: MüKo-BilR, § 254 HGB Rn. 25.
[690] Scharpf, in: HdR, § 254 HGB Rn. 57; Tiedchen, in: MüKo-BilR, § 254 HGB Rn. 26; wie hier Hoffmann/Lüdenbach, HGB, § 254 HGB Rn. 17.
[691] Förschle/Usinger, in: BeckBilKo, § 254 HGB Rn. 10 und 25; Tiedchen, in: MüKo-BilR, § 254 HGB Rn. 26.
[692] Scharpf, in: HdR, § 254 HGB Rn. 59.
[693] BT-Drucks. 16/10067, 58; Förschle/Usinger, in: BeckBilKo, § 254 HGB Rn. 12; großzügiger Tiedchen, in: MüKo-BilR, § 254 HGB Rn. 26.
[694] Förschle/Usinger, in: BeckBilKo, § 254 HGB Rn. 12; Hoffmann/Lüdenbach, HGB, § 254 HGB Rn 18.
[695] Förschle/Usinger, in: BeckBilKo, § 254 HGB Rn. 14.
[696] IDW RS HFA 35 Rn. 30, WPg Supplement 3/2011, 59; Hoffmann/Lüdenbach, HGB, § 254 HGB Rn. 18; Scharpf, in: HdR, § 254 HGB Rn. 59.
[697] Förschle/Usinger, in: BeckBilKo, § 254 HGB Rn. 14; Tiedchen, in: MüKo-BilR, § 254 HGB Rn. 30.

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