a) Begriff der Bewertungseinheiten

 

Tz. 601

Bewertungseinheiten liegen vor, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtung bestimmte Risiken aus einem Grundgeschäft durch den Einsatz von Sicherungsinstrumenten neutralisiert werden. Soweit und solange der Eintritt dieser Risiken ausgeschlossen ist, weil nicht realisierte Gewinne in gleicher Höhe bestehen, erklärt die Norm die §§ 249 Abs. 1, 252 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4, 253 Abs. 1 Satz 1 und 256a HGB für unanwendbar.

b) Pflicht oder Wahlrecht zur Bildung von Bewertungseinheiten?

 

Tz. 602

Umstritten ist, ob die Vorschrift ein Wahlrecht normiert. Man wird dabei drei Fragen – oft ist nur von zwei Fragen die Rede – auseinander halten müssen,

  • ob eine Pflicht zur Absicherung besteht,
  • ob die Sicherungsgüter und die Sicherungsinstrumente in der Bilanz zusammengefasst werden müssen,
  • ob im Falle der Zusammenfassung eine Pflicht besteht, den angeordneten Rechtsfolgen entsprechend zu bilanzieren, also die §§ 249 Abs. 1, 252 Abs. 1 Nr 3 und 4, 253 Abs. 1 und 256a HGB nicht anzuwenden.
 

Tz. 603

Eine generelle Pflicht zur Absicherung von Risiken besteht nicht. Ob Risiken abgesichert werden, ist eine Entscheidung im Rahmen des Risikomanagements, das zu den Aufgaben der Geschäftsleitung gehört. Die Geschäftsleiter haben hier einen Ermessensspielraum, ob und wie sie Risiken absichern.

 

Tz. 604

Die zweite Frage ist, ob Sicherungsbeziehungen in der Bilanz dargestellt werden müssen. Das ist aus folgenden Gründen nicht der Fall[687]: Schon der Wortlaut der Norm spricht dagegen ("werden… zusammengefasst, so sind…"). Zusammengefasst in diesem Sinne beschreibt einen bilanziellen Vorgang, keinen rein tatsächlichen. Als Gegenargument wird vorgebracht, der Gesetzgeber habe mit der Einführung des § 254 HGB eine Verbesserung der Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage bezweckt. Die Gesetzesbegründung begründet mit diesem Argument aber nur, warum § 254 HGB europarechtlich zulässig ist (vgl. Tz. 598). Systematisch spricht § 285 Nr. 23 HGB gegen eine Pflicht zur bilanziellen Erfassung einer Risikobeziehung. Danach sind "bei Anwendung des § 254" bestimmte Angaben im Anhang der Kapitalgesellschaften erforderlich. Die Gesetzesbegründung hierzu formuliert klar: "Mit § 254 wird die Bildung von Bewertungseinheiten künftig ausdrücklich erlaubt" (Hervorhebung durch Verf.). Letztlich entspricht diese Lösung auch praktischen Bedürfnissen, da die Wirksamkeitsprüfung und die genaue Darstellung ihres Ergebnisses im Anhang einen erheblichen Aufwand verursachen können. Tatsächlich sieht die Praxis einer Studie zufolge von der Bildung von Bewertungseinheiten überwiegend ab.[688]

 

Tz. 605

Entscheidet sich der Kaufmann für die bilanzielle Abbildung einer Bewertungseinheit, sind die Rechtsfolgen des § 254 HGB zwingend einzuhalten. Denn der Wortlaut der Vorschrift eröffnet insofern keinen Spielraum. Allerdings besteht erheblicher Gestaltungsspielraum, denn sobald Zweifel an der Wirksamkeit (vgl. Tz. 614) einer Sicherungsbeziehung bestehen, ist der Tatbestand der Norm nicht erfüllt.

[687] Wie hier IDW RS HFA 35 Rn. 12, WPg Supplement 3/2011, 59; Hoffmann/Lüdenbach, HGB, § 254 HGB Rn 10 ff.; Förschle/Usinger, in: BeckBilKo, § 254 HGB Rn. 5; a. A. die wohl h. M., Glaser/Hachmeister, BB 2011, 555; Scharpf, in: HdR, § 254 HGB Rn. 4 f.; Tiedchen, in: MüKo-BilR, § 254 HGB Rn. 11.
[688] Oser u.a., StuB 2012, 91, (93).

c) Rechtsfolgen

 

Tz. 606

Im Falle der bilanziellen Bildung einer Bewertungseinheit dürfen für die abgesicherten Risiken keine Rückstellungen gebildet und abgesicherte Wertverluste nicht abgeschrieben werden. Das betrifft die Konstellation, dass die abgesicherte Grundposition an Wert verliert, der Wert des Sicherungsinstruments aber spiegelbildlich ansteigt. Nicht realisierte, weil ausgeglichene Verlustrisiken werden somit nicht abgebildet. Bei umgekehrter Entwicklung, da die abgesicherte Grundposition aufwertet, aber spiegelbildlich ein Wertverlust des Sicherungsinstruments eintritt, kann auch diese Wertsteigerung wegen Unanwendbarkeit des Einzel-, Vorsichts- und Realisationsprinzips gem. § 252 Abs. Nr. 3 und 4 HGB ausnahmsweise berücksichtigt werden. Im Ergebnis werden die Veränderungen damit nicht erfolgswirksam, weil gleiche Chancen und Risiken nicht mehr imparitätisch behandelt werden. Sobald und soweit sich die gegenläufigen Wertänderungen der Zahlungsströme nicht mehr ausgleichen, sind aber die allgemeinen Vorschriften anzuwenden.

d) Tatbestand

aa) Grundpositionen

 

Tz. 607

Absicherungsfähig sind Vermögensgegenstände und Schulden, nicht aber RAPs und Haftungsverhältnisse. Erfasst sind grds. alle Vermögensgegenstände, auch immaterielle.[689] Nicht absicherungsfähig ist aber der derivative Geschäfts- oder Firmenwert. Das erklärt sich zwar nicht damit, dass in seinem Falle die Eigenschaft eines Vermögensgegenstandes nur fingiert wird (§ 246 Abs. 1 Satz 4 HGB), denn die Gleichstellung ist gerade der Zweck einer solchen Fiktion.[690] In einem Geschäfts- oder Firmenwert sammeln sich jedoch zahlreiche Einzelchancen und Einzelrisiken, die nicht als Bündel absicherbar sind.[691]

 

Tz. 608

Ausdrücklich nennt § 254 HGB grds. nicht bilanzierungsfähige schwebende Geschäfte...

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