a) Überblick

 

Tz. 53

Die IFRS enthalten, anders als das HGB, kein geschlossenes Bewertungssystem. Die Be­wertung nach IFRS ist sachbezogen in den verschiedenen Standards ge­regelt. Das Rah­men­konzept beschreibt in CF.4.54–.4.56 nur exemplarisch die Bewertungs­kon­zeption der IFRS mit vier Wert­begriffen.[119] Weder IAS 1 noch IAS 8 enthalten eine geschlossene Darstellung ver­bind­licher Be­wertungsgrundsätze.

Induktiv lassen sich aus den Einzelstandards drei Bewertungsmodelle bestimmen. Das Vorratsvermögen, die Sach­an­lagen, immaterielle Werte und als Finanzanlagen gehaltene Im­mo­bi­lien können mit den fort­geführten Anschaffungs- und Herstellungskosten (cost model) bewertet werden. Die Bewertungs­konzeption für diese Vermögenswerte ähnelt bei ent­sprechender Wahl­rechtsaus­übung den han­delsrechtlichen Bewertungsprinzipien. Verpflichtend ist die Bewertung zu den fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten für das Vor­ratsvermögen anzuwenden. Sachanlagen und immaterielle Ver­mögens­werte können wahl­weise auch mit einem fortgeführten Neu­be­wert­ungsbetrag (revaluation model) angesetzt wer­den, der auf der planmäßigen Abschrei­bung einer Neu­bewertung zu fiktiven Marktpreisen be­ruht. Finanzielle Vermögenswerte und land­wirt­schaft­liche Produkte müssen zu jedem Bilanz­stichtag mit dem beizulegenden Zeit­wert (fair value model) angesetzt werden. Immobilien iSd. IAS 40 können mit dem beizu­le­gen­den Zeitwert angesetzt werden.

Wertzuschreibungen über den Zugangswert hinaus wirken sich nach IFRS nicht notwendig auf den Erfolg aus. Die Standards sehen anknüpfend an die gespaltene Erfolgskonzeption der IFRS (vgl. Kapitel 4) die Bildung eines besonderen Passivpostens in Gestalt der Neubewer­tungsrücklage vor, durch die bestimmte, aber nicht alle Wertzuschreibungen im Ergebnis der GuV neutralisiert werden.

Die allgemeinen Bewertungsgrundsätze entsprechen weitgehend den handelsrechtlichen Bewertungs­grund­sätzen. Das handelsrechtliche Vorsichtsprinzip findet sich in den IFRS in den Bewertungs­grund­sätzen der Verlässlichkeit und Nachprüfbarkeit abgeschwächt wieder. Im Rah­men­konzept 2010 ist es ohne materielle Änderung der Bewertungsgrundsätze als Symbol­begriff nicht mehr enthalten. Nach dem im Mai 2015 veröffentlichten ED/2015/3 Conceptual Frame­work for Financial Reporting soll es wieder in das Rahmenkonzept aufgenommen wer­den.[120]

Die Einzelstandards enthalten eine historisch gewachsene Fülle unterschiedlicher Wertbe­griffe mit teilweise widersprüchlichen Definitionen. Mit IFRS 13 ist der komplexe Wertbegriff des bei­zulegenden Zeitwerts für alle Standards einheitlich definiert worden.

[119] Baetge u. a., in: Baetge u. a., IFRS-Ko, Kapitel II Rn. 147; Hayn, WPg 1994, 721.
[120] Zum vorangegangenen Diskussionspapier: Wagenhofer, IRZ 2014, 265.

b) Entstehungsgeschichte

 

Tz. 54

Die IFRS regeln die Bewertung seit jeher sachbezogen in den einzelnen Standards. Das Leit­bild der Bewertungskonzeption in CF.4.54–.4.56 IASB 2010 ist unverändert aus F.99–.101 IASC 1989 übernommen worden. Es gibt die seither fortentwickelte Bewertungskonzeption der IFRS heute nicht mehr vollständig wieder. Im Mai 2011 wurde mit IFRS 13 erstmals für den bei­zule­genden Zeitwert eine Bewer­tungsgrundlage verbindlich und standardübergreifend definiert. IFRS 13 ist durch VO (EU) 1255/2012 v. 11.12.2012[121] in Unionsrecht übernommen worden.

[121] ABl. 2012, L 360, 78 (87).

c) Geltungsbereich (zeitlich, sachlich)

 

Tz. 55

Die Bewertungsgrundlagen sind in den einzelnen sachbezogenen Standards geregelt und gel­ten, soweit dort keine besonderen Beschränkungen geregelt sind, sachlich für alle Ab­schlüs­se. IFRS 13 gilt mit der einheitlichen Definition des beizulegenden Zeitwerts für alle Geschäfts­jahre, die am oder nach dem 01.01.2013 begonnen haben. IAS 2 gilt mit den Re­gelungen zur Vor­rats­bewertung für alle Geschäftsjahre seit 2005 (vgl. IAS 2.40). IAS 8 gilt mit den Vor­schrif­ten über die Änderung von Bewertungsmethoden ebenfalls für alle Geschäftsjahre seit 2005 (vgl. IAS 8.54), ebenso IAS 16 mit den Bewertungsgrundsätzen für Vermögenswerte des Sach­an­la­ge­vermögens (vgl. IAS 16.81). IAS 38 gilt mit den Bewertungsgrundsätzen für immaterielle Ver­mögenswerte für alle Geschäftsjahre die am oder nach dem 31.03.2004 begonnen haben (vgl. IAS 38.130; zur zeitlichen Geltung späterer Änderungen vgl. Tz. 313 ff.). IAS 39 gilt mit den Bewertungsregeln für Finanzinstrumente ebenfalls seit 2005 (vgl. IAS 39.103; zur zeitlichen Gel­tung späterer Änderungen vgl. Tz. 326 ff.). Das gilt auch für IAS 40 (vgl. IAS 40.85). IAS 41 gilt mit den Regelungen über die Bewertung von landwirtschaftlichen Vermögenswerten be­reits seit 2003 (vgl. IAS 41.58).

d) Rechtspolitische Diskussion und Entwicklungsperspektiven

 

Tz. 56

Die Wertkonzeption bildet im Schrifttum einen Schwerpunkt der rechtspolitischen Kritik an den IFRS. Diese Kritik bezieht sich zum einen auf die Regelungstechnik und zum an­deren auf den Stellenwert des beizulegenden Zeitwerts für die Folgebewertung.

In der Wertkonzeption zeigen sich die Nachteile der sachverhaltssegmentierten Re­gelungs­technik der IFRS besonders deutlich. In der uns...

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