Tz. 600

IAS 37 regelt in einem eigenen Abschnitt die Bilanzierung von Restrukturierungsrückstellungen. Um den großen Ermessensspielräumen bei der Beurteilung der Ansatzkriterien zu begegnen, konkretisieren IAS 37.70 ff. diese mit einem vergleichsweise hohen Detaillierungsgrad. Damit soll insbesondere dem Umstand Rechnung getragen werden, dass das Vorliegen einer faktischen Verpflichtung und die in diesem Zusammenhang zu gewährleistende Erwartungshaltung der Betroffenen nicht immer zweifelsfrei belegt werden kann.

 

Tz. 601

IAS 37.10 definiert eine Restrukturierungsmaßnahme (restructuring) als ein vom Management geplantes und durchgeführtes Programm, das den Tätigkeitsbereich des Unternehmens oder die Art und Weise, in der das Unternehmen seine Geschäfte tätigt, wesentlich verändert. Dies beinhaltet z. B. den Verkauf oder die Schließung von Geschäftsbereichen, die Stilllegung oder Verlegung von Standorten, aber auch unternehmensinterne Strukturmaßnahmen wie beispielsweise die Eliminierung einer Managementhierarchieebene oder wesentliche Reorganisationen (IAS 37.70).

 

Tz. 602

Um das Bestehen einer faktischen Verpflichtung zu rechtfertigen, formuliert IAS 37.72 zusätzliche Ansatzkriterien, deren Erfüllung vor dem Abschlussstichtag zwingende Voraussetzung für die Rückstellungsbildung ist. So muss nach IAS 37.72(a) ein detailliert gegliederter Restrukturierungsplan (formal plan for the restructuring) vorliegen, der Angaben zu folgenden Mindestinhalten enthält:

  • betroffener Geschäftsbereich
  • wichtigste betroffene Standorte
  • Standort, Funktion und ungefähre Anzahl der Arbeitnehmer, die für die Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses eine Abfindung erhalten werden; eine namentliche Nennung der betroffenen Mitarbeiter oder gar eine Beschreibung der Kriterien für die Sozialauswahl werden indes nicht gefordert[646]
  • entstehende Aufwendungen, d. h. Berechnungen z. B. zu rechtlich begründeten und freiwilligen Abfindungszahlungen
  • Zeitpunkt der Umsetzung des Plans
 

Tz. 603

Zudem muss bei den Betroffenen nach IAS 37.72(b) die gerechtfertigte Erwartung (valid expectation) geweckt worden sein, dass die Restrukturierungsmaßnahmen tatsächlich umgesetzt werden. Interne Managementbeschlüsse reichen demnach nicht zur Begründung einer gerechtfertigten Erwartungshaltung der Betroffenen aus (IAS 37.75). Die Erfüllung dieses Kriteriums wird regelmäßig dadurch gewährleistet, dass entweder (a) mit der Umsetzung des Plans bereits begonnen oder (b) dieser in seinen wesentlichen Bestandteilen den Betroffenen mitgeteilt wurde.

Hinweise auf den Umsetzungsbeginn (started to implement) können z. B. erste Abriss- oder Demontagearbeiten oder der Verkauf von Vermögenswerten sein (IAS 37.73). Allerdings reichen diese Maßnahmen allein nicht aus, um eine gerechtfertigte Erwartung hinsichtlich der Durchführung einer Restrukturierungsmaßnahme zu wecken. Vielmehr ist dies nur in Verbindung mit einer öffentlichen Bekanntmachung – nicht zwingend den Betroffenen gegenüber, diese Art der Bekanntmachung wird als alternative Möglichkeit des Weckens einer gerechtfertigten Erwartung diskutiert – sachgerecht.[647]

 

Tz. 604

Im Hinblick auf die Mitteilung des Restrukturierungsplans an die Betroffenen (announcing its main features to those affected) sind zwei wesentliche Faktoren zu beachten. Zum einen muss die Ankündigung hinreichend detailliert sein. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn die oben genannten Hauptpunkte des Plans kommuniziert werden. Allerdings ist daraus nicht zu folgern, dass die Bekanntgabe denselben Detaillierungsgrad aufzuweisen hat wie der Plan selbst. Die Hauptpunkte des Plans müssen zwar strukturell aus der Ankündigung hervorgehen, inhaltlich kann dies jedoch durchaus mit einem deutlich höheren Aggregationsgrad erfolgen. Insgesamt muss der kommunizierte Detaillierungsgrad den Betroffenen sowie anderen Parteien klarmachen, dass der Restrukturierungsplan in der vorliegenden Form umgesetzt werden wird und eine Änderung des Plans unwahrscheinlich ist. Dies wird regelmäßig auch dadurch erreicht, dass der Umsetzungsbeginn für den Plan frühestmöglich und der Zeithorizont für die Umsetzung realistisch geplant werden (IAS 37.74). Im Umkehrschluss legen längere Verzögerungen des Umsetzungsbeginns oder ein unverhältnismäßig langer Durchführungszeitraum den Schluss nahe, dass die Restrukturierung ggf. doch nicht oder zumindest nicht in der geplanten Form durchgeführt werden wird. Eine Vorgabe für den Zeitrahmen definiert IAS 37 nicht, allerdings wird in der Literatur ein Jahr als Anhaltspunkt diskutiert.[648] Zum anderen hat die Mitteilung im Rahmen dieses Kriteriums den Betroffenen gegenüber zu erfolgen. Eine öffentliche Ankündigung – z. B. über eine einfache Pressemitteilung – reicht demnach regelmäßig nicht aus, um bei den Betroffenen eine gerechtfertigte Erwartung zu wecken. Allerdings ist es auch nicht nötig, dass eine entsprechende Mitteilung an die Betroffenen persönlich erfolgt. Stattdessen ist es nach IAS 37.77 ausreichend, wenn die Bekanntgabe gegenüber d...

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