I. § 250 HGB

 

Tz. 613

 

§ 250 Rechnungsabgrenzungsposten

(1) Als Rechnungsabgrenzungsposten sind auf der Aktivseite Ausgaben vor dem Abschlußstichtag auszuweisen, soweit sie Aufwand für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen.

(2) Auf der Passivseite sind als Rechnungsabgrenzungsposten Einnahmen vor dem Abschlußstichtag auszuweisen, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen.

(3) Ist der Erfüllungsbetrag einer Verbindlichkeit höher als der Ausgabebetrag, so darf der Unterschiedsbetrag in den Rechnungsabgrenzungsposten auf der Aktivseite aufgenommen werden. Der Unterschiedsbetrag ist durch planmäßige jährliche Abschreibungen zu tilgen, die auf die gesamte Laufzeit der Verbindlichkeit verteilt werden können.

1. Einleitung

a) Überblick

 

Tz. 614

Rechnungsabgrenzungsposten (RAPs) sind keine Vermögensgegenstände oder Schulden,[650] vielmehr handelt es sich um eine Art Korrekturposten. Korrigiert wird eine nicht periodengerechte Erfassung von Leistung und Gegenleistung. Sie droht, wenn Leistung und Gegenleistung in unterschiedliche Geschäftsjahre fallen. Oft geht es dabei um Dauerschuldverhältnisse oder öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehungen (Gebühren, Steuern).

 

BEISPIEL

Die Jahresmiete für Geschäftsräume wird schon im Dezember bezahlt, Bilanzstichtag ist aber der 31.12.

[650] H. M., vgl. Kleindiek, in: GroßKo-HGB, § 250 HGB Rn. 5; Prinz, in: KK-RechnR, § 250 HGB Rn. 1; Schubert/Krämer, in: BeckBilKo, § 250 HGB Rn. 14; a. A. Kirsch, in: Bonner HdR, § 250 HGB Rn. 6.

b) Entstehungsgeschichte

 

Tz. 615

§ 250 Abs. 1 und 2 HGB gehen zurück auf Art. 18 und 21 der EG-Bilanzrichtlinie a. F. (sog. 4. Richtlinie), die den Ansatz von RAPs vorsahen, aber für die Mitgliedstaaten das Wahlrecht vorsahen, sie stattdessen unter den Forderungen bzw. Verbindlichkeiten auszuweisen.[651] Die Norm hatte aber bereits in § 152 Abs. 9 AktG 1965 einen Vorläufer.[652] Abs. 3 setzt das Wahlrecht aus Art. 41 der 4. Richtlinie um und ist mit Art. 12 Abs. 10 EU-Bilanzrichtlinie konform. Zunächst noch enthaltene Sonderregelungen, die den Ansatz von als Aufwand zu erfassenden Zöllen, Verbrauchssteuern und bestimmten Umsatzsteuerbeträgen betrafen wurden mit dem BilMoG von 2009 aufgehoben.

[651] Prinz, in: KK-RechnR, § 250 HGB Rn. 4.
[652] Trützschler, in: HdR, § 250 HGB Rn. 12.

c) Geltungsbereich

 

Tz. 616

Die Vorschrift gilt für alle bilanzierungspflichtigen Kaufleute. Sie ist in der geltenden Fassung gem. Art. 66 Abs. 3 EGHGB zwingend anzuwenden auf alle Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2009 beginnen. Eine frühere Anwendung ist gem. Art. 66 Abs. 3 Satz 6 zulässig.

d) Rechtspolitische Diskussion und Entwicklungsperspektiven

 

Tz. 617

Bislang wurde die Berechtigung von RAPs nicht ernsthaft in Frage gestellt. Es zeigt sich jedoch anhand der IFRS, dass die Problematik der Periodisierung auch anders gelöst werden kann. Hennrichs hat nunmehr den rechtspolitischen Zweck von RAPs daher bezweifelt.[653] In der Tat würden sich die meisten Konstellationen wohl auch ohne das Institut der RAPs befriedigend lösen lassen, indem stattdessen eine Forderung bzw. Schuld angesetzt wird. Ob damit eine Diskussion angestoßen ist, die danach fragt, ob auch insofern eine Annäherung an die IFRS de lege ferenda wünschenswert ist, bleibt abzuwarten.

[653] Hennrichs, in: MüKo-BilR, § 250 HGB Rn. 14.

2. Erläuterung

a) Allgemeines

 

Tz. 618

Rechnungsabgrenzungsposten sind zu bilden für Ausgaben oder Einnahmen vor dem Abschlussstichtag, die Aufwand oder Ertrag für eine Zeit danach darstellen. Ausgaben und Einnahmen sind nach herrschender Ansicht nicht allein bare oder unbare Aus- und Einzahlungen, sondern jede Art von Vermögensminderungen und Vermögensmehrungen, z. B. auch die Begründung einer erfolgswirksamen Verbindlichkeit als Aufwand.[654] Dann soll jedoch nach einigen Stimmen der GoB der Nichtbilanzierung schwebender Geschäfte zu beachten sein.[655] Dem ist grundsätzlich zuzustimmen, es fragt sich aber, ob eine Beschränkung auf Aus- und Einzahlungen im Interesse der Klarheit nicht vorzugswürdig ist.[656]

 

Tz. 619

Sofern die Voraussetzungen von Abs. 1 oder 2 vorliegen, besteht eine entsprechende Ansatzpflicht. Nach h. M. darf bei geringfügigen Beträgen von einem Ansatz abgesehen werden;[657] das kann jedoch nur zutreffend sein, wenn nicht zugleich ein aktivierbarer Vermögensgegenstand, der zum Erinnerungswert einzubuchen wäre (vgl. Tz. 27) oder eine ansatzpflichtige Schuld vorliegt.

[654] BFH v. 7.4.2010, I R 77/08, DStR 2010, 1015, (1017); ADS, § 250 HGB Rn. 25; Ballwieser, in: MüKo-HGB, § 250 HGB Rn. 5; Hoffmann/Lüdenbach, HGB, § 250 HGB Rn. 31; Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 250 HGB Rn. 1; Schubert/Krämer, in: BeckBilKo, § 250 HGB Rn. 18; a. A. Hennrichs, in: MüKo-BilR, § 250 HGB Rn. 19 m. w. N.
[655] BFH v. 8.9.2011, I R 78/10, BeckRS 2001, 96767; Kirsch, in: Bonner HdR, § 250 HGB Rn. 57; Schulze-Osterloh, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006, § 42 GmbHG Rn. 178.
[656] So wohl auch Kirsch, in: Bonner HdR, § 250 HGB Rn. 57.
[657] Hennrichs, in: MüKo-BilR, § 250 HGB Rn. 34; Kirsch, in: Bonner HdR, § 250 HGB Rn. 10; Schubert/Krämer, in: BeckBilKo, § 250 HGB Rn. 28.

b) Aktive RAPs

aa) Voraussetzungen

aa1) Ausgaben vor dem Abschlussstichtag

 

Tz. 620

Für die Berechnung, ob die Ausgabe vor dem Abschlussstichta...

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