Tz. 513

Bei der Bilanzierung von Drohverlustrückstellungen wird die bilanzrechtliche Fragestellung auf die Ansatzfrage reduziert, da diese anhand des Verpflichtungsüberschusses bereits implizit die Bewertung der Verpflichtung umfasst. Anzusetzen ist damit nur der Saldo[575] der wechselseitig zu erbringenden Leistungen. Die wechselseitige Leistungsbeziehung ist wirtschaftlich zu betrachten.[576]

 

Tz. 514

Das schuldrechtliche Synallagma umfasst zunächst die einklagbaren Hauptleistungs- und Nebenleistungspflichten. Zum weiteren wirtschaftlichen Synallagma gehören ebenfalls subjektive Vertragsgrundlagen (z. B. Standortvorteile).[577] In den Saldierungsbereich gehören darüber hinaus auch Ansprüche gegenüber externen Dritten, sofern der Anspruch im Zusammenhang mit dem Schuldrechtsverhältnis entsteht. Dafür müssen diese Ansprüche bewertbar und der Höhe nach hinreichend bestimmbar sein.[578]

Demgegenüber sind jedoch solche Vor-/Nachteile nicht einbezugsfähig, die nur zufällig zum gleichen Zeitpunkt auftreten.[579]

 

BEISPIEL

Die X-AG vergibt einen sehr großen Lieferantendauerauftrag an die Y-GmbH. Mit dem Lieferauftrag möchte die X-AG die Y-GmbH auch als Abnehmer der von Ihr produzierten Produkte gewinnen. Die Konditionen sind daher für die X-AG zunächst nachteilig.

Der mit der Y-GmbH konkurrierende Zulieferer Z-GmbH macht, als Reaktion auf den Dauerauftrag, ein Lieferangebot an die X-AG zu einem Dumpingpreis, um die Lieferantenbeziehung zur X-AG aufrechterhalten zu können. Das gleichzeitige Auftreten des Angebots der Z-GmbH als Reaktion auf den Lieferantendauerauftrag entsteht nicht innerhalb des wirtschaftlichen Synallagmas zwischen der X-AG und der Y-GmbH, da die Preissenkung der Z-GmbH als ungeplanter Gegeneffekt der Vergabe des Lieferantenauftrags entstand. Der geforderte Zusammenhang mit dem Schuldrechtsverhältnis zwischen der X-AG und Y-GmbH liegt daher nicht vor. Der wirtschaftliche Vorteil aus dem Dumpingpreis der Z-GmbH ist daher nicht in den Saldierungsbereich einzubeziehen.

 

Tz. 515

In das bilanzrechtlich relevante wirtschaftliche Synallagma sind hingegen zur Schuldrechtsbeziehung direkte kausale Transaktionen einzubeziehen:

 

BEISPIEL

Ein Apotheker mietet im gleichen Gebäude, in dem sich auch seine Apotheke befindet, eine Arztpraxis an. Die Arztpraxis vermietet der Apotheker zu einem Preis unter dem eigentlichen Mietpreis an einen Allgemeinmediziner weiter. Damit erhofft sich der Apotheker, seinen Umsatz durch eine höhere Kundenfrequenz zu steigern. Die erhofften Gewinnchancen durch den erhöhten Kundenverkehr gehören kausal zum Untermietvertrag (wirtschaftliches Synallagma) und kompensieren somit den drohenden Verlust.

Sofern auf Anraten des Allgemeinmediziners ein weiterer Mediziner in das Gebäude zieht, liegt keine direkte Kausalität mehr zum abgeschlossenen Untermietvertrag vor. In diesem Fall wirken weitere Gewinnchancen nicht kompensatorisch.

In den Kompensationsbereich sind auch Zwischenanlagen aus Einzahlungsüberschüssen einzubeziehen. Keinen Einbezug finden Verlustausgleichsregelungen des Mutterunternehmens aufgrund von Beherrschungs- oder Ergebnisabführungsverträgen, da ein kausaler Zusammenhang zur ursprünglichen Drohverlustrückstellung fehlt.[580]

 

Tz. 516

Es ergeben sich weitere Schwierigkeiten bei der Abgrenzung des Saldierungsbereichs, sofern mehrere Transaktionen mit einem Kunden zeitgleich oder zeitlich eng aufeinander abfolgend abgeschlossen werden. Vielfach wird eine genauere Beurteilung im Einzelfall notwendig sein, in die auch die spezifische Vertragssituation einzubeziehen ist. Im Fall des Abschlusses derivativer Finanzinstrumente zu Sicherungszwecken kann eine zusammengefasste Betrachtung von Grund- und Sicherungsgeschäft nur im Rahmen des § 254 HGB erfolgen (vgl. Kapitel 6 Tz.  596 ff.).

 

BEISPIEL

Die X-AG ist ein Hersteller für Baufahrzeuge und andere Baustellengroßgeräte. Das Bauunternehmen B bestellt in 01 verschiedene Maschinen für eine neu einzurichtende Großbaustelle in Mitte 02. Zum 22. Dezember werden eine Fahrmischerbetonpumpe, ein Mobilbagger und ein Baustellenkran in separaten Verträgen bestellt. Der Mobilbagger wurde zu einem Preis leicht unter den Herstellungskosten abgegeben, da die B im Gegenzug eine Fahrmischerbetonpumpe statt eines einfachen Fahrmischers bestellt hat. Der drohende Verlust aus dem Kontrakt hinsichtlich des Mobilbaggers wird durch die anderen gewinnbringenden Verträge kompensiert.

Nicht in den Kompensationsbereich fallen hingegen spätere Aufträge aus Februar 02 über weiteres Baustellenequipment, z. B. Klettermastbetonpumpen, da diese nicht in zeitlicher Nähe abgeschlossen wurden. Anders wäre die Beurteilung für den Fall, dass der spätere Abschluss nur aus formalen Gründen verzögert wurde.[581]

[575] Dies geht nicht mit einem Verstoß gegen das Saldierungsverbot einher, da hier nur explizit der Verlust als Saldogröße angesetzt wird Eckstein/Fuhrmann, DB 1998, 529 (530).

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