Tz. 21

Ausgehend von dem Befund fehlender Benennung im HGB stellt sich zunächst die Frage nach der Existenz eines GoB der Wesentlichkeit. Diese wird heute im Grundsatz bejaht, wofür mehrere Argumente sprechen. Auch im deutschen Bilanzrecht des HGB gibt es einige Vorschriften, die eine exakte Erfassung nicht fordern und stattdessen die gesammelte Erfassung von Gütern, ihre Bewertung als Gruppe oder das Weglassen bestimmter Informationen beim Ausweis erlauben:

  • Sammelposten gem. § 240 Abs. 3 HGB im Inventar: "für das Unternehmen von nachrangiger Bedeutung"
  • Gruppenbewertung bestimmter gleichartiger Vermögensgegenstände gem. § 240 Abs. 4 HGB: "dürfen mit dem gewogenen Durchschnittswert angesetzt werden"
  • Bewertungsvereinfachungsverfahren gem. § 256 HGB
  • Ausweis künftig zu erwartender, aber noch nicht entstandener Verbindlichkeiten gem. § 268 Abs. 4 HGB, wenn diese "einen größeren Umfang haben"

Der Gesetzgeber des BiRiLiG von 1985 hat ferner an verschiedenen Stellen darauf hingewiesen, dass mit entsprechenden Vereinfachungen dem Grundsatz der "Wesentlichkeit" entsprochen werde, "der schon heute als Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung sowohl für den Jahresabschluß als auch für den Konzernabschluß anerkannt" sei.[24] Überdies werden vielfach praktische Zwänge ins Feld geführt, die für die Anerkennung des Grundsatzes streiten.[25]

 

Tz. 22

Daher wird heute überwiegend der Grundsatz der Wesentlichkeit als GoB angesehen, der jedenfalls für die Bewertung gilt.[26] Hier wird er zur Begründung herangezogen, dass bestimmte "unwesentliche" Abweichungen nicht zur Fehlerhaftigkeit der Bilanzierung führen.[27] Auch in der Anerkennung von Beurteilungsspielräumen und Wahlrechten kann ein Ausdruck des Wesentlichkeitsprinzips gesehen werden,[28] konturiert wird er hingegen hierdurch kaum.

[24] BT-Drucks. 10/04268, 115.
[25] Krumm, in: Blümich, EStG, § 5 EStG Rn. 259; Marx, FR 2011, 267 (269); Scheffler, Der Grundsatz der Wesentlichkeit bei Rechnungslegung und Bilanzkontrolle, in: Kirsch/Thiele (Hrsg.), Festschrift zum 70. Geburtstag von Jörg Baetge, Düsseldorf 2007, 505 (510).
[26] Marx, FR 2011, 267 (268); Mekat, Der Grundsatz der Wesentlichkeit in Rechnungslegung und Abschlussprüfung, Baden-Baden 2009, 78 ff. m. w. N.
[27] Krumm, in: Blümich, EStG, § 5 EStG Rn. 259.
[28] Scheffler, Der Grundsatz der Wesentlichkeit bei Rechnungslegung und Bilanzkontrolle, in: Kirsch/Thiele (Hrsg.), Festschrift zum 70. Geburtstag von Jörg Baetge, Düsseldorf 2007, 505 (512).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Merkt, Rechnungslegung nach HGB und IFRS (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge