Tz. 509

Für das schwebende Geschäft fehlt eine Legaldefinition. Insofern bedarf es der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs. Ein schwebendes Geschäft basiert auf einer vertraglichen Verpflichtung zwischen verschiedenen Parteien zum gegenseitigen Austausch von Leistung und Gegenleistung.[570] Bei fehlender Gegenleistung handelt es sich um ein einseitiges Rechtsgeschäft (z. B. bei gesetzlicher Haftung, Schenkung usw.) und somit nicht um ein schwebendes Geschäft.

Die Begrifflichkeit ist nicht auf schuldrechtliche Verpflichtungen beschränkt. Vielmehr können auch öffentlich-rechtliche oder gesellschaftsrechtliche Verpflichtungen zu einem schwebenden Geschäft führen.[571]

 

Tz. 510

Der Schwebezustand hält solange an, wie das Geschäft von keiner der beiden Parteien voll erfüllt wurde. Die Grundlage der geschäftlichen Beziehung (Art und Rechtsnatur) ist für den Schwebezustand unbeachtlich: Neben einmaligen Geschäften können sich auch Dauerschuldverhältnisse oder wiederkehrende Einzelgeschäfte im Schwebezustand befinden. Folgende Konstellationen lassen sich der Literatur entnehmen:[572]

Systematisierung von Drohverlustkategorien

 

Tz. 511

Der Schwebezustand beginnt im Grundfall mit Einigung der Parteien und Vertragsabschluss, sofern der Vertrag mit Unterzeichnung rechtswirksam geworden ist. Daneben können auch Vorverträge oder bindende Angebote ein schwebendes Vertragsverhältnis auslösen. Letzteres bedingt allerdings eine so gut wie sichere Angebotsannahme. Etwaige andere Absichtserklärungen sind im Einzelfall hinsichtlich ihrer Bindungswirkung zu prüfen.[573]

Bei aufschiebenden Bedingungen muss auf die Position der Parteien abgestellt werden. Hängt die Bedingungserfüllung vom bilanzierenden Unternehmen ab und besteht kein faktischer Erfüllungszwang, löst dies kein schwebendes Geschäft aus. Im umgekehrten Fall, wenn die aufschiebende Bedingung vom Verhalten der anderen Vertragspartei oder anderer Externer abhängt oder das bilanzierende Unternehmen faktischem Zwang zur Erfüllung der Bedingung unterliegt, ist bilanzrechtlich ein schwebendes Geschäft anzunehmen.

 

BEISPIEL

Die X-AG bestellt Rohstoffe beim Lieferanten R. Dieser schließt neuerdings alle Lieferverträge unter dem Vorbehalt der Lieferbarkeit der Rohstoffe ab. Insbesondere der Import von Rohstoffen aus Afrika unterliegt in Teilen (abhängig von der Region) einem Einfuhrverbot. Sofern die Erfüllung der Bedingung Lieferbarkeit nicht allein von der X-AG abhängt, liegt bei dieser ein schwebendes Geschäft vor.

 

Tz. 512

Der Schwebezustand wird mit Lieferung und Leistung (Erfüllung der Hauptleistungspflicht) beendet. Die anfängliche Erfüllung von Nebenpflichten ändert nichts am Schwebezustand. Auch ist deren Nichterfüllung bei erfüllter Hauptleistungspflicht nicht hinderlich für die Auflösung des Schwebezustands, solange die Nebenpflichten unwesentlich sind. Bloße Finanzierungsvorgänge (Anzahlungen) sind ebenfalls unbeachtlich.

Die Hauptleistungspflicht wird erfüllt, wenn die Leistung auf den Gläubiger "übergegangen" ist. Liegen erfüllte "Teile" einer Hauptleistung vor und wurde die Möglichkeit der Erbringung von Teilleistungen vereinbart, endet deren Schwebezustand mit Erbringung. Die Nichtigkeit eines Vertrages ändert nichts am Schwebezustand, sofern die Vertragsparteien diesen dennoch als wirksam behandeln.[574]

[570] IDW RS HFA 4 Rn. 2, WPg Supplement 2010, 51 (51).
[571] ADS, § 249 HGB Rn. 140.
[572] In Anlehnung an Schubert, in: BeckBilKo, § 249 HGB Rn. 54.
[573] Das IDW weist dem sog. letter of intent keine Bindungswirkung zu: IDW RS HFA 4, Rn. 10, WPg Supplement 2010, 51 (52).
[574] Schubert, in: BeckBilKo, § 249 HGB Rn. 55.

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