Tz. 438

Kern der geschäftlichen Tätigkeit eines Softwareunternehmens ist die Entwicklung und Individualisierung von Software für Kundenzwecke. Die Personalkosten für die zur Entwicklung benötigten Programmierer stellen einen bedeutenden Kostenfaktor dar. Die Aktivierung der Ausgaben kann bei fehlender Trennung zwischen Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen nicht erfolgen. Im Wesentlichen teilt sich die Softwareentwicklung in die nachfolgenden Phasen ein: Planung/Definition, Entwurf/Implementierung/Abnahme und Einführung sowie Schulung/Wartung. Die drei Phasen lassen sich auch in dieser Reihenfolge den Aktivitäten Forschung, Entwicklung und Fortentwicklung zuordnen. Die Phasen grenzen sich zumeist durch Meilensteine ab.[463]

 

Tz. 439

Die Behandlung selbsterstellter Software unterliegt in der Softwarebranche einer diversity in practice.[464] Während progressive Bilanzierer Entwicklungskosten aktivieren, unterlassen konservative Bilanzierer die Aktivierung.[465] Dies wird u. a. Entwicklungen mit Blick auf die Erstellungsprozesse geschuldet. Die Praxis verwirft zunehmend eine geradlinige Entwicklung, bei der die Projektschritte aufeinander aufbauen, zugunsten einer permanent in allen Phasen neu beginnenden, iterativen Vorgehensweise. Dies macht eine Unterscheidung zwischen Forschungs- und Entwicklungsphasen und -aufwendungen schwierig und führt somit nach der Systematik von IAS 38 zur Nichtaktivierung.[466]

 

Tz. 440

Die Pharmaindustrie teilt das Aktivierungsmodell idealtypisch in die Phasen Forschung, vorklinische Entwicklung, klinische Entwicklung sowie Zulassung und Markteinführung ein. Die Forschung verläuft trichterartig, d. h. die Anzahl der zu erforschenden Substanzen nimmt im Zeitablauf ab.[467] Mit sinkender Anzahl der Substanzen nimmt gleichzeitig auch die Erfolgswahrscheinlichkeit einer marktreifen Entwicklung zu. Die Industrie verzichtet allerdings in der Regel auf die Aktivierung von Entwicklungskosten und begründet dies mit den über die gesamten Phasen der Entwicklung eines Medikaments bis zur Erreichung der Zulassung geringen Erfolgschancen bei der Entwicklung eines Medikaments. Gerade die erheblichen Aufwendungen in den Phasen II und III der Entwicklung dienen, neben der Beurteilung der Vorteilhaftigkeit eines Medikaments, auch dem zuverlässigen Ausschluss bis dahin unbekannter naturwissenschaftlicher Zusammenhänge (Nebenwirkungen), deren Vorliegen zur Versagung der staatlichen Zulassung des Medikaments führen kann.

Forschungs- und Entwicklungsphase in der Pharmaindustrie[468]

 

Tz. 441

Dem Aktivierungsmodell sowie auch der Branchenpraxis folgend erscheint eine Nichtaktivierung von Entwicklungsaufwendungen in der pharmazeutischen Industrie insbesondere deshalb geboten,[469] weil die technische Realisierbarkeit im Rahmen des Zulassungsverfahrens nicht allein von dem forschenden Pharmaunternehmen zu beeinflussen ist. Aus dem gleichen Grund lässt sich in strenger Sichtweise kein überwiegend wahrscheinlicher zukünftiger ökonomischer Nutzen der Entwicklungsaufwendungen für einzelne Wirkstoffe und Medikamente identifizieren. Dies muss allerdings als bilanzpolitisches Mittel gewürdigt werden, da eine konsequente Nichtaktivierung aufgrund der im Einzelfall möglicherweise abweichenden Beurteilbarkeit der Voraussetzungen der Aktivierung nicht zwingend ist.[470] Im Maschinenbausektor basieren Innovationen häufig auf der Verwendung neuer Materialien, die z. B. belastbarer sind und daher für die Herstellung neuer Produkte geeignet. Zur Verwendung des neuen Materials im Produktionsprozess muss dieses intensiv im Rahmen von Belastungsproben geprüft werden. Erst nach erfolgreicher Probe kann der Ingenieur die Produktentwicklung, etwa einer Rahmenkonstruktion für eine Maschine (z. B. Produktions- oder Baumaschinen), beginnen. In diesem Fall haben beispielsweise die Entwicklungsingenieure keine Bedenken bzgl. der technischen Realisation des Produktes, d. h., einem Teil der Kriterien nach IAS 38.57 wird damit entsprochen. Überdies sind aber auch die anderen Kriterien zu prüfen, um einer Aktivierung stattzugeben, so wäre z. B. auch eine potenzielle Marktnachfrage oder das Bestehen ausreichender finanzieller Ressourcen zu eruieren.

 

Tz. 442

In einigen Branchen treten Kundengewinnungskosten (subscriber acquisition costs) auf, die die nicht gedeckten Kundenbindungskosten des Bilanzerstellers darstellen. Dazu zählen u. a. die Kosten eines unentgeltlich bereitgestellten Mobiltelefons. Diese sind zu unterscheiden von Werbemaßnahmen allgemeiner Art, welche lediglich als Vertriebsaufwand zu behandeln sind.[471] Die wirtschaftliche Abwägung berücksichtigt neben den auftretenden Kosten auch die im Folgezeitraum auftretenden positiven wirtschaftlichen Aspekte wie Vertragslaufzeit des Mobiltelefons oder eine eventuelle Kundenbindung. Ohne Möglichkeit zur Bildung eines Rechnungsabgrenzungspostens ergibt sich nach IFRS konzeptionell nur die Möglichkeit der Aktivierung eines immateriellen Vermögenswerts.[472] Alternativ könnte im Sinne des

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Merkt, Rechnungslegung nach HGB und IFRS (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge