aa) Kriterien der Abgrenzung
Tz. 395
IAS 1.66 Satz 1 definiert kurzfristige Vermögenswerte durch vier Regelbeispiele. Kurzfristig sind danach
- Vermögenswerte deren Umwandlung in Zahlungsmittel oder Zahlungsmitteläquivalente (Realisierung) innerhalb des normalen Geschäftszyklus oder innerhalb von zwölf Monaten nach dem Abschlussstichtag erwartet wird,
- Vermögenswerte, die zum Verkauf oder zum Verbrauch innerhalb des Geschäftszyklus gehalten werden,
- Vermögenswerte, die zu Handelszwecken gehalten werden,
- Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente (vgl. IAS 7), es sei denn, der Tausch oder die Nutzung des Vermögenswerts zur Erfüllung einer Verpflichtung sind für einen Zeitraum von mindestens zwölf Monaten nach dem Abschlussstichtag eingeschränkt.
Zu Handelszwecken werden Vermögenswerte gehalten, wenn sie mit der Absicht der alsbaldigen Veräußerung angeschafft worden sind. Sie unterscheiden sich von der zweiten Gruppe nur dann, wenn die Veräußerung außerhalb des normalen Geschäftszyklus erfolgen soll. Ein nach IAS 39 zu Handelszwecken gehaltenes Finanzinstrument muss nicht auch nach IAS 1.66 zu Handelszwecken gehalten sein.[392] Unterschiede in der Qualifikation können sich etwa bei Derivaten ergeben, die der Währungsabsicherung dienen. Sie können nach IAS 39 dem Handelsbestand zuzuweisen sein und nach IAS 1.66 als langfristiger Vermögenswert qualifiziert werden.[393] Soweit eine Umklassifizierung von zu Handelszwecken gehaltenen Finanzinstrumenten nach IAS 39 (IFRS 7) unzulässig ist und danach deren Bewertung beibehalten werden muss, darf wegen IAS 1.59 aber auch der Ausweis nicht geändert werden.[394]
BEISPIEL 1
Kurzfristige Vermögenswerte
Vorräte und Forderungen aus Lieferungen und Leistungen (nach IAS 1.68 Satz 3 selbst dann, wenn deren Realisierung nicht innerhalb von zwölf Monaten nach dem Abschlussstichtag erwartet wird, sofern sie als Teil des gewöhnlichen Geschäftszyklus verkauft, verbraucht oder realisiert werden).
- In einer Destillierie ist auch ein dreißig Jahre zur Veredelung einzulagernder Whisky ein kurzfristiger Vermögenswert.[395]
- Bei einem Private Equity Fonds, der Beteiligungen an Unternehmen erwirbt, um sie nach Umstrukturierung des Unternehmens mit Gewinn wieder zu verkaufen, gehören abhängig von der üblichen Haltedauer (Geschäftszyklus) auch Beteiligungen, die fünf Jahre oder länger gehalten werden, zu den kurzfristigen Vermögenswerten.
- Anzahlungen
- Guthaben bei Kreditinstituten
Ausnahmen
Forderungen aus Lieferungen und Leistungen deren Fälligkeit über die üblichen Zahlungsziele und den Geschäftszyklus des Unternehmens hinaus aufgeschoben ist, sind langfristige Vermögenswerte (vgl. DRSC Interpretation (IFRS) 1.16).
IAS 1.66 Satz 2 definiert langfristige Vermögenswerte negativ als nicht kurzfristige Vermögenswerte.
BEISPIEL 2
Typisch (aber nicht immer) langfristige Vermögenswerte
- Sachanlagen
- als Finanzinvestitionen gehaltene Immobilien, soweit sie nicht mit der Absicht der alsbaldigen Veräußerung angeschafft worden sind
- Anteile an assoziierten Unternehmen
- Immaterielle Vermögenswerte
- Finanzielle Vermögenswerte, z. B. Wertpapiere, soweit die Haltedauer über den gewöhnlichen Geschäftszyklus oder über zwölf Monate ab Bilanzstichtag hinausgeht und sie nicht zu Handelszwecken erworben wurden
- Latente Steueransprüche (vgl. IAS 1.56)
bb) Anwendung der Kriterien
Tz. 396
Wie im Handelsbilanzrecht ist die Zuordnung der Vermögenswerte von der beabsichtigten Verwendung der Vermögenswerte und damit von einem subjektiven Element abhängig. Maßgeblich ist die erwartete Verwendungsdauer im Unternehmen im Verhältnis zum Geschäftszyklus.[396]
Gemischt kurz- und langfristige finanzielle Vermögenswerte sind aufzuteilen (vgl. IAS 1.68 Satz 4 a. E.). Das gilt nicht für immaterielle Vermögenswerte und Sachanlagen.[397] Diese Vermögenswerte werden auch dann nicht umgegliedert, wenn ihre betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer innerhalb der auf den Bilanzstichtag folgenden zwölf Monate endet.[398] Langfristige finanzielle Vermögenswerte sind dagegen anteilig in kurzfristige finanzielle Vermögenswerte umzugliedern, soweit sie voraussichtlich innerhalb der auf den Bilanzstichtag folgenden zwölf Monate realisiert werden.[399]
Für die Umgliederung von langfristigen in kurzfristige Vermögenswerte bei einer Verwendungsänderung geht zunächst IFRS 5 den Regelungen in IAS 1.66 ff. vor (vgl. IFRS 5.3). Nach IFRS 5.6 setzt die Umgliederung voraus, dass der Vermögenswert nicht mehr durch Nutzung, sondern durch Veräußerung Zahlungsmittelzuflüsse erwarten lässt. Das ist nicht der Fall, wenn eine Stilllegung oder die Verschrottung beabsichtigt ist.[400] Na...
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