aa) Grundsätzliches zur Abgrenzung
Tz. 377
Die Vorschrift des § 247 Abs. 2 HGB definiert das Anlagevermögen, ohne eine Beschreibung des Umlaufvermögens zu enthalten. Jeder Vermögensgegenstand, der nicht Anlagevermögen ist, ist dem Umlaufvermögen zuzuordnen. Das Umlaufvermögen wird durch § 247 Abs. 2 HGB damit negativ definiert. Die Vorschrift setzt einheitlich für alle Kaufleute wortgleich Art. 2 Nr. 4 Jahresabschlussrichtlinie 2013 um und ist daher richtlinienkonform unter Berücksichtigung von Art. 12 Abs. 3 Jahresabschlussrichtlinie 2013 auszulegen.
Die Abgrenzung hat zunächst Bedeutung für den Ausweis. Nach § 247 Abs. 1 HGB sind Anlage- und Umlaufvermögen auf der Aktivseite aufzugliedern. Das Gliederungsschema des § 266 HGB setzt den Begriff des Anlagevermögens voraus, ohne ihn nochmals zu definieren.
Die Zuordnung zum Anlagevermögen entscheidet weiter nach § 240 Abs. 3 HGB über die Anwendbarkeit von Inventurerleichterungsverfahren, die Geltung des Aktivierungsverbots und des Aktivierungswahlrechts für selbstgeschaffene immaterielle Vermögensgegenstände in § 248 Abs. 2 HGB, den Anwendungsbereich der Vorschriften über die planmäßigen Abschreibungen in § 253 Abs. 3 HGB, die Ermittlung der Anschaffungs- und Herstellungskosten für immaterielle Vermögensgegenstände nach § 255 Abs. 2a HGB und bezogen auf die Berücksichtigung des Wertverzehrs des Anlagevermögens in § 255 Abs. 2 Satz 2 HGB.
Die Bilanzierungsvorschriften für Kapitalgesellschaften und haftungsbeschränkte Personengesellschaften setzen den Begriff des Anlagevermögens in § 266 Abs. 2 HGB und § 268 Abs. 2 HGB ebenso voraus wie die Geltung der Ausschüttungssperre in § 268 Abs. 8 HGB. Die Abgrenzung ist nach § 275 Abs. 2 HGB weiter relevant für den Ausweis der Abschreibungen in der Gewinn- und Verlustrechnung nach § 275 Abs. 2 Nr. 7 HGB und für den Umfang der Pflichtangaben im Anhang nach § 285 Nr. 22 und Nr. 28 HGB und im Konzernanhang nach § 314 Abs. 1 Nr. 14 HGB. Schließlich nehmen die ergänzenden Vorschriften für Unternehmen bestimmter Geschäftszweige Bezug in §§ 340c Abs. 2, 340e Abs. 1, 340f Abs. 1, 341b Abs. 1 HGB.
bb) Merkmale der Abgrenzung
Tz. 378
Für die Zuordnung der Vermögensgegenstände zum Anlage- oder Umlaufvermögen ist nach Art. 12 Abs. 3 Jahresabschlussrichtlinie 2013 die betriebsindividuelle Zweckbestimmung maßgebend. Zum Anlagevermögen gehören die Vermögensgegenstände, die planmäßig der wiederholten oder dauernden Nutzung gewidmet sind.[350] Zum Umlaufvermögen zählen die Vermögensgegenstände, die dazu bestimmt sind, in einem einmaligen Akt veräußert oder verbraucht zu werden.[351]
Maßgeblich ist die Zweckbestimmung die sich aus dem Wesen des Vermögensgegenstandes, seinen Verwendungsmöglichkeiten im Geschäftsbetrieb und der Widmung des Kaufmanns ergibt. Soweit es mit der Widmung auf ein subjektives Sachverhaltsmerkmal ankommt, ist die Verwendungsabsicht durch objektive Hilfstatsachen festzustellen. Die vom Kaufmann vorgenommene Bilanzierung kann ein Indiz für die Widmung sein, bildet aber kein eigenständiges Abgrenzungskriterium.[352]
Der Widmungsakt vermittelt kein Zuordnungswahlrecht, das bei selbst erstellten immateriellen Vermögensgegenständen bezogen auf § 248 Abs. 2 HGB zu einem Aktivierungswahlrecht führen würde. Unzulässig ist auch der Ansatz von Zwitterposten zwischen dem Anlage- und dem Umlaufvermögen.[353]
Tz. 379
Das Merkmal "dauernd" in § 247 Abs. 2 HGB bezieht sich nicht auf die geschäftsbetriebsunabhängige Lebensdauer des einzelnen Vermögensgegenstandes. Es ist nicht zeitlich, sondern funktional zu verstehen.[354] Der Vermögensgegenstand muss zu der Gruppe der Gegenstände gehören, die dauernd dem Betrieb dienen. Ein Vermögensgegenstand gehört daher auch dann zum Anlagevermögen, wenn er zu dieser Gruppe planmäßig nur für einen begrenzten Zeitraum gehört. Die Zuordnung zum Anlagevermögen setzt keine Mindestverweildauer voraus.[355]
BEISPIEL 1
Anlagevermögen
- Mietwagen von Mietwagenunternehmen[356]
- Musterhäuser eine Fertighausherstellers[357]
- Vorführwagen von Kfz-Händlern[358]
- Vorführküchen im Küchenstudio
Umlaufvermögen
- Ersatzteile und Reserveteile für Vermögensgegenstände des Anlagevermögens[359]
- Zur Veräußerung geschaffene Bilder eines Kunstmalers[360]
- Testgeräte eines Einzelhändlers, die Kunden bis zu einem halben Jahr gegen eine auf den Kaufpreis anrechenbare Mietzahlung überlassen werden[361]
- Schriftmetalle einer Druckerei[362]
Zum Anlagevermögen gehören entgegen einer verbreiteten Bilanzierungspraxis auch Gegenstände von geringem Wert, wenn sie dem Geschäftsbetrieb dauerhaft dienen. Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Rechnungslegung und der Wesentlichkeit hat keinen Einfluss auf die Zuordnung zum Anlage- oder Umlaufvermögen.[363]
BEISPIEL 2
Gegenstände von geringem Wert, die zum Anlagevermögen zählen
- Handwerkzeuge (Hämmer, Schraubenzieher, Gabelschlüssel)
- Bürohefter, Locher
- Haarschneidewerkzeuge, Haarföhn
Tz. 380
Die Zuordnung eines Vermögensgegenstandes zum Anlage- oder Umlaufvermögen ist zu jedem Bilanzstichtag erneut zu prüfen. Sie ist nicht durch ...
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