aa) Grundprinzipien der Bilanzgliederung

 

Tz. 366

Die Prinzipien der Bilanzgliederung beziehen sich auf die äußere Form der Bilanz und sind aus dem Zweck der Bilanz abzuleiten. Die Bedeutung einer einheitlichen Bilanzglie­de­rung ist gering, wenn der Zweck der Bilanz darin besteht, einem unternehmens­indivi­duel­len und begrenzten Adres­saten­kreis mit spezifischen Informationsinteressen einen Über­blick über die Lage des Unter­nehmens zu vermitteln. Im Einzelfall kann dann eine gröbere oder eine de­tail­lierte Bericht­erstattung, eine statische Momentaufnahme oder ein Verlaufsbild zweckgerecht sein.[327] Die han­delsrechtlichen GoB gehen, geboren im Bezugssystem des Einzelkaufmanns, traditionell stär­ker von dieser indivi­duel­len Sichtweise aus und enthalten daher nur punktuell Re­gelungen für die Bilanz­gliederung.

 

Tz. 367

Anders liegen die Interessen, wenn das Unternehmen oder seine Anteile als handelbares Gut betrachtet werden, das Ge­gen­stand von Preisbildungsprozessen ist. Dann rückt der Marktwert in den Mittelpunkt. Dieser bestimmt sich aus einem Vergleich mit anderen Un­ternehmen und Zukunftserwartungen. Gewinnt so die Vergleichbarkeit und die Zukunftsentwicklung an Bedeu­tung, ist es eine zentrale Aufga­be von Bilanzierungsvorschriften, die intertemporale Ver­gleichbarkeit in der Zeit und die zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit der Ver­mö­gens-, Finanz- und Ertrags­infor­mationen zu gewährleisten.[328] Das setzt standar­di­sierte Glie­de­rungs­schemata voraus. Deren Vorzug besteht auch in Transaktionskostenvorteilen. Zum einen sinken die Trans­aktionskosten der Bilanzerstellung, wenn immer nach demselben Stan­dard zu verfahren ist und keine Entwicklungskosten für eine kohärente Gliederung entstehen.[329] Zum anderen sinken die Transaktionskosten der Bilanzauswer­tung, wenn Bi­lanz­analys­ten ihre Instrumente immer auf die gleichen Muster ausrichten können.[330]

 

Tz. 368

Das Liquiditätsgliederungsprinzip[331] konkretisiert die Gegenüberstellung von Vermögen und Schul­den und bildet eine liquiditätsbezogene Ausprägung der Schuldendeckungs­fähigkeits­rechnung. Es sieht vor, dass die Vermögensgegenstände struk­tu­riert nach ihrer Liquidität ("Geldnähe"[332]) im ordentlichen Geschäftsprozess darzustellen sind. Dieser Gedanke findet sich für die Handelsbilanz auf der Aktivseite verwirklicht in der in § 266 HGB für Kapitalgesell­schaf­ten vor­ge­schrie­benen Gliederung in Anlage- und Umlaufvermögen auf der ersten Ebene (vgl. Kapitel 10). Er setzt sich fort in der wei­teren Unter­gliederung, beispielsweise der Sachanlagen in Grundstücke, Ma­schinen und Geschäftsausstattung oder des Um­lauf­ver­mö­gens in Vorräte, Forderungen, Wert­papiere und Kassenbestände.[333] Die Passivseite der Handelsbilanz folgt demgegenüber einer Gliederung nach der Fristigkeit. Dort werden zuerst das Eigen­ka­pital als langfristig überlassenes Kapital und sodann die Verbindlichkeiten ausgewiesen, gegliedert nach ihrer Rest­laufzeit am Bilanz­stichtag. Folgerichtig wäre die Gliederung auch der Rückstellungen nach ihrer Fristigkeit.[334]

 

Tz. 369

Ein weiteres Bilanzgliederungsprinzip nimmt die Mittelherkunft und die Mittelverwendung zum Struk­tur­merkmal. Dieses Prinzip findet besonders auf der Passivseite Ausdruck in der Unter­scheidung zwischen Eigen- und Fremdkapital und der weiteren Unterteilung dieser Gliede­rungs­punkte. Es erlangt aber auch auf die Aktivseite Bedeutung, wo es sich auf die Vermögens­ver­wendung, den Grad der Vermögensbindung (Anlage- und Umlaufvermögen) und die Funk­tion des Vermögens (Bsp. betriebsnotwendiges Vermögen und Finanzvermögen) bezieht. Da­raus ergibt sich die Unterscheidung zwischen operativem Ergebnis und Finanzergebnis.[335]

 

Tz. 370

Die Jahresabschlussrichtlinie erlaubt für die äußere Form der Bilanz sowohl die Konto- als auch die Staffelform.[336] Im deutschen Rechtskreis ist die Kontoform üblich und in § 266 HGB für die offenlegungspflichtigen Kaufleute vorgeschrieben. Die Kontoform lehnt sich an die Buch­füh­rung an und ist gekennzeichnet durch die Gegen­überstellung von zwei Blöcken, Aktiva und Pas­siva. Drucktechnisch ist üblich, diese beiden Blöcke nebeneinander dar­zustellen. Auch die Jahresabschlussrichtlinie 2013 bezeichnet diese Form in der Überschrift zu Anlage III als "Hori­zontale Gliederung der Bilanz". Die drucktechnisch horizontale Gliederung ist aber nicht not­wendig kennzeichnend für die Kontoform. Die Aktiva und Passive könnten in Kontoform auch untereinander dargestellt werden.[337]

 

BEISPIEL 1

Bilanz in Kontoform mit horizontaler Gliederung 

 
Aktiva Passiva
  Vorjahr Geschäftsjahr   Vorjahr Geschäftsjahr
A. Anlagevermögen 100 110 A. Eigenkapital 100 220
B. Umlauf­vermögen 90 200 B. Rückstellungen 10 15
C. Aktive Rechnungs­abgrenzungsposten 30 20 C. Verbindlichkeiten 100 90
      D. Passive Rechnungs­abgrenzungsposten 10 5
Bilanzsumme 220 330   220 330
 

BEISPIEL 2

Bilanz in Kontoform mit vertikaler Gliederung

 
Aktiva Erläuterungen / Anhang Vorjahr Geschäftsjahr
A. Anlagevermögen   100 110
B. Umlaufvermögen   90 200
C. Aktive Re...

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