Tz. 17

Bei Handelsgesellschaften ist die Aufstellung begrifflich streng von der Feststellung des Jahres­abschlusses zu unterscheiden, auch dann wenn beide Vorgänge zeitlich zusam­men­fallen.[63] Während die Aufstellung eine Geschäftsführungs­maß­nahme darstellt, bildet die Fest­stellung einen dem Gewinnverwendungsbeschluss ­notwendig vorangestellten eigen­stän­digen Organisationsakt.[64] Zur Feststellung berufen ist bei den Personenhandels­gesell­schaf­ten und bei der GmbH (vgl. §§ 42a Abs. 2, 46 Nr. 1 GmbHG) die Gesellschafter­versamm­lung, die, soweit der Gesellschaftsvertrag oder die Satzung dies für den Regelfall vorsieht, durch Mehrheit ent­scheidet. Der Feststellungsbeschluss ist kein Geschäft, das die Grundlagen der Gesellschaft betrifft.[65] Bei der AG und der deutschen SE entscheidet der Aufsichtsrat über die Fest­stellung, wenn Vorstand und Aufsichtsrat nicht gemeinsam beschlie­ßen, die Feststellung der Haupt­versammlung zu überlassen (§§ 172, 173 AktG). Beim Einzelkaufmann entspricht der Fest­stellung die Unterzeichnung nach § 245 HGB und fällt damit mit der Aufstellung zusammen.

Bis zur Feststellung ist die Aufstellungspflicht nur "schwebend wirksam" erfüllt. Der nicht fest­gestellte Jahresabschluss ist nur ein Entwurf, der jederzeit ohne besondere Verfahrens­vor­aus­setzungen geändert werden kann.[66] Anregungen des Abschlussprüfers, bezogen auf den ihm vorzulegenden aufgestellten Jahresabschluss (§ 320 Abs. 1 HGB) kann das Ge­schäfts­führungsorgan selbst berücksichtigen und so den Entwurf des Jahresabschluss bis zur Fest­stellung noch ändern. Deshalb hat auch die Feststellung, wie die Aufstellung, eine doppelte Funktion. Sie ist zum einen im Verhältnis der Gesellschaft und der Gesellschafter zueinander sowie der Gesell­schaf­ter untereinander ein kausales An­er­kenntnis, mit dem das Jahresergeb­nis, die Bilanzansätze und die Bewertung verbindlich festgestellt wird.[67] Sie ist aber zugleich im Verhältnis der Gesellschaft zu den Geschäftsführern die Ab­nahme des Jahres­ab­schluss­ent­wurfs und seine Qualifikation als Jahresabschluss des Ge­schäfts­jahres, auf den sich die wei­teren Offenlegungspflichten beziehen. Endgültig aufgestellt ist der Jahresabschluss erst mit dem Feststellungsbeschluss.[68]

[63] Claussen, in: KK-RechnR, § 264 HGB Rn. 2: das deutsche Recht kennzeichnende Tren­nung; Kleindiek, in: MüKo-BilR, § 242 HGB Rn. 14.
[64] Priester, in: MüKo-HGB, § 120 HGB Rn. 57; Schäfer, in: GroßKo-HGB, § 120 HGB Rn. 19.
[65] BGH v. 15.1.2007, II ZR 245/05 (OTTO), BGHZ 170, 283 (289 f.); Fleischer, in MüKo-GmbHG, § 42a GmbHG Rn. 25; Priester, in: MüKo-HGB, § 120 HGB Rn. 64; Schäfer, in: GroßKo- HGB, § 120 HGB Rn. 18.
[66] Zutreffend Crezelius, in: Scholz, GmbHG, § 42a GmbHG Rn. 30 (Jahresabschluss ist bis zur Feststellung "rechtliches Nullum"); Hennrichs/Pöschke, in: MüKo-AktG, § 172 AktG Rn. 21; Pöschke, in: GroßKo-HGB, § 242 HGB Rn. 18; Priester, in: MüKo-HGB, § 120 HGB Rn. 46.
[67] Schäfer, in: GroßKo-HGB, § 120 HGB Rn. 17, 19.
[68] Zutreffend Hennrichs/Pöschke, in: MüKo-AktG, § 172 AktG Rn. 20; Priester, in: MüKo-HGB, § 120 HGB Rn. 58: "Die Bilanzfeststellung schließt die Rechnungslegung ab und ist damit als erstes Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Pflicht zur Rechnungslegung".

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