Tz. 113

Bilanzstichtag ist der Schluss des Geschäftsjahrs (§ 242 Abs. 2, 3 HGB). Das Geschäftsjahr kann kürzer, aber nicht langer als zwölf Monate sein (§ 240 Abs. 2 Satz 2 HGB).[282] Es muss nicht mit dem Kalenderjahr übereinstimmen. Der Kaufmann wählt den Bilanz­stichtag durch die erste Schluss­bilanz, wenn er nicht durch Gesellschaftsvertrag oder Satzung bestimmt ist. Dabei kann insbesondere das erste Geschäftsjahr als Rumpf­geschäftsjahr kür­zer als ein Kalen­derjahr sein, ohne dessen regelmäßige Dauer zu bestimmen.[283] Die regel­mäßi­ge Dauer des Geschäftsjahrs legt der Einzelkaufmann mit der zweiten Schlussbilanz fest. Mit dem Arbeits­begriff "Geschäftsjahr" hat sich die Verkehrserwartung entwickelt, dass ein Ge­schäftsjahr regelmäßig nicht weniger als ein Jahr beträgt. Danach verbietet sich ein willkürlich dauerhaft kürzerer Geschäfts­jahreszeitraum. Bei Per­sonen­han­dels- und Kapitalgesellschaften muss ein vom Ka­len­derjahr abweichendes Ge­schäftsjahr im Gesellschaftsvertrag oder in der Satzung geregelt sein.[284] Spätere Änderungen muss der Kauf­mann vor dem Grund­satz der Stetigkeit und der Bilanzklarheit rechtfertigen. Bei Personenhan­dels- und Kapitalgesellschaften ist dies voraus­setzend eine Änderung des Gesell­schaftsver­trags oder der Satzung erforder­lich,[285] wenn die Bestimmung des Geschäftsjahrs nicht der Geschäftsführung übertragen ist.[286]

 

BEISPIEL

Ein Rumpfgeschäftsjahr darf und muss gebildet werden, wenn das Handelsgeschäft vor dem Ende des regelmäßigen Geschäftsjahrs beendet wird.[287]

Die Vor­schrift des § 4a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, nach der eine Umstellung des Wirtschafts­jahres auf einen vom Kalenderjahr abweichenden Zeitraum steuerlich nur wirksam ist, wenn sie im Ein­ver­nehmen mit dem Finanzamt vor­ge­nom­men wird, ist für die Handelsbilanz ohne Bedeu­tung. Wird das Geschäftsjahr umgestellt, ohne das Einvernehmen des Finanzamts einzuholen, kön­nen Geschäftsjahr und Wirtschaftsjahr auseinanderfallen. Dann ist für den steu­erlichen Be­triebs­vermögensvergleich eine gesonderte Bilanz nach den GoB aufzustellen.

 

Tz. 114

Nach dem Stichtagsprinzip sind im Jahresabschluss nur die Geschäftsvorfälle bis zum Bilanz­stichtag zu berücksichtigen. Maßgebend sind die am Bilanzstichtag vorliegenden Ver­hältnisse, soweit ein sorgfältiger Kaufmann sie kennen konnte. Vermögensgegenstände und Schulden sind nach den Verhältnissen am Stichtag zu bewerten. Alle bewertungsrele­van­ten Umstände, die zum Stichtag vorlagen, sind bei der Aufstellung des Jahresabschlusses zu be­rücksichtigen. Ge­schäfts­vor­fälle nach dem Bilanz­stichtag sind nicht zu berücksichtigen, auch wenn sie sich auf die Bewer­tung der Bilanz­posten aus­wir­ken. Davon gibt es seit BilMoG keine Ausnahme mehr.[288] Das Stichtagsprinzip findet in § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB Ausdruck im Gesetz und bildet die Grundlage für das Re­ali­sations- und Imparitätsprinzip.[289]

 

Tz. 115

Wertaufhellende Tatsachen bezeichnen neue Erkenntnisse des Kauf­manns über die Ver­hältnisse am Bilanzstichtag. Sie bilden eine eng begrenzte Ausnahme von dem Grundsatz, dass Ereignisse nach dem Bilanzstichtag nicht zu berücksichtigen sind. Das findet in § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB im Gesetz Ausdruck. Alle bis zur Aufstellung noch bekannt werdenden wert­aufhell­enden Tatsachen muss der Kaufmann in der Bilanz einbeziehen.[290] Das gilt un­ab­hängig davon, ob der Kaufmann diese Umstände bei angemessener Sorgfalt am Bilanzstichtag hätte wissen können.[291] Beim Einzelkaufmann reicht der Wertaufhellungszeitraum bis zu dem Tag, an dem er den Jahresabschluss unterschreibt. Das ergibt sich aus dem Zweck der nach § 245 Satz 1 HGB für die Unterzeichnung vorgeschriebenen Da­tumsangabe. Bei Per­sonen- und Ka­pi­tal­ge­sell­schaften ist das der Zeitraum bis zur Feststellung des Jahresabschlusses.[292] Bei prüfungs­pflich­tigen Gesellschaften trifft den Wirtschaftsprüfer die Pflicht auf einen Nachtrag hin­zu­wir­ken und es muss eine Nachtragsprüfung statt­finden, wenn wertaufhellende Tat­sa­chen nach Ertei­lung des Bestätigungsvermerks, aber vor Feststellung bekannt werden.[293] Der Wertaufhel­lungs­zeitraum endet spätestens mit Ablauf der gesetzlichen Frist für die Aufstellung des Jahresab­schlusses.[294]

 

BEISPIEL 1

Wertaufhellende Tatsache

Erst im März 02 wird vor Aufstellung des Jahresabschlusses zum 31.12.01 bekannt, dass Teile der Produktion des Jahres 01 mangelhaft sind. In der Bilanz zum 31.12.01 sind noch Rück­stel­lungen für Gewährleistungsansprüche zu bilden oder bei unverkauften Produkten Abschrei­bun­gen vorzunehmen.

Von den wertaufhellenden Tatsachen sind die wertbeeinflussenden (wertbegründenden) Tatsachen zu unterscheiden. Wertaufhellende Tatsachen erhellen (rückwirkend) die am Ab­schlussstichtag bestehenden Verhältnisse. Wertbeeinflussende (auch wertbegründende) Tat­sachen beziehen sich auf Verhältnisse nach dem Bilanzstichtag.[295]

 

BEISPIEL 2

Wertbeinflussende Tatsache

Am Abschlussstichtag war die Insolvenz eines Schuldners wahrscheinlich. Bei Aufstellung der Bilanz im Mä...

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