aa) Zielsetzung von Abschlüssen (inneres System der IFRS)
Tz. 136
Zielsetzung von Abschlüssen ist nach IASC F.12 (1989) und IAS 1.9 Satz 2 die Vermittlung von Informationen über die Finanz- und Ertragslage sowie Veränderungen in der Vermögens- und Finanzlage eines Unternehmens, die für einen weiten Adressatenkreis bei dessen wirtschaftlichen Entscheidungen nützlich ist. Der Adressatenkreis wird in IASC F.9 (1989) um derzeitige und potenzielle Investoren (Risikokapitalgeber, Gesellschafter), Arbeitnehmer, Kreditgeber (Gläubiger), Lieferanten, Kunden sowie Regierungen und Institutionen gezogen. IASC F.14 (1989) und IAS 1.9 Satz 3 nennen zudem die (Dokumentations- und Rechenschafts-) Funktion[384] der Information über die Unternehmensführung. Damit unterscheidet sich die Grundzielsetzung eines IFRS-Jahresabschlusses nicht notwendig von der eines handelsrechtlichen Jahresabschlusses. Das gilt jedenfalls dann, wenn man annimmt, dass Vorstand, Geschäftsführer und Gesellschafter auf der Grundlage von Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage über die Ausschüttung beschließen und auch die gesetzlichen Regelungen an diese Informationen anknüpfen. Eine andere Frage ist es, ob die IAS/IFRS bei der Umsetzung dieser Ziele die Ausschüttungsbemessungsfunktion im Blick haben. Das ist nicht der Fall.[385] In IASC F.10 kommt zudem zum Ausdruck, dass kein Ausgleich der Informationsinteressen der aufgezählten Adressaten angestrebt wird. Vielmehr enthält dieser Rahmengrundsatz die Vermutung, dass die Interessen der Investoren (shareholder) den Interessen der meisten anderen Adressaten (stakeholder) im Regelfall entsprechen. Aus dieser Vermutung folgt die Kapitalmarktorientierung der IFRS.[386]
In IASB CF.OB3 (2010) wird der Adressatenkreis von vornherein enger um bestehende und potenzielle Investoren, Kreditgeber und andere Gläubiger gezogen und damit die Kapitalmarktorientierung der IFRS noch stärker betont. Die Verwaltung wird in IASB CF.OB9 (2010) auf ein internes Rechnungswesen verwiesen, andere Adressaten wie Aufsichtsbehörden und Mitglieder der Öffentlichkeit werden in IASB CF.OB10 (2010) aus dem Adressatenkreis ausdrücklich ausgenommen.
bb) Zu Grunde liegende Annahmen
bb1) Periodenabgrenzung (accrual basis)
Tz. 137
Im System der IFRS bildet die Periodenabgrenzung (accrual basis) einen in IASC F.22 (1989) und IASB CF.OB17 (2010) zum Ausdruck kommenden und in IAS 1.27 verankerten Systemgrundsatz.[387] Wie nach den GoB sind Erträge und Aufwendungen periodengerecht nach der wirtschaftlichen Verursachung, nicht am Maßstab der Einzahlungen und Auszahlungen zeitlich zuzuordnen. Erträge sind der Periode zuzuordnen in der sie realisiert wurden (Realisationsprinzip, realisation principle).[388] Der Realisationszeitpunkt wird durch einzelne Standards definiert, insbesondere durch IAS 11 für Fertigungsaufträge, IAS 18 und IAS 39 für Finanzinstrumente.
Aufwendungen werden nach IASC F.95 Satz 1 (1989) und IASB CF.4.50 (2010) der Periode zugeordnet, der auch die zugehörigen Erträge zuzuordnen sind (matching of costs with revenues principle). Die Abschreibungsregeln konstruieren IASC F.96 (1989) und IASB CF.4.51 (2010) folgerichtig nicht als Wertverzehr, sondern als der Verteilung der Ertragsrealisation entsprechende Aufwandsverteilung (deferrals).
bb2) Unternehmensfortführung (going concern)
Tz. 138
Ein zweiter Systemgrundsatz wird durch IASC F.23 (1989) und IASB CF.4.1 (2010) in Gestalt der Vermutung der Unternehmensfortführung ( going concern principle) formuliert. In diesem Rahmengrundsatz kommt zum Ausdruck, dass alle Standards für Situationen konzipiert sind, "in denen das Unternehmen weder die Absicht hat noch gezwungen ist, seine Tätigkeiten einzustellen oder deren Umfang notwendig einzuschränken". Diese Fortführungsprognose ist nach IAS 1.25 und 1.26 vorzunehmen und zu dokumentieren. Dabei ist von einer Unternehmensfortführung nach IAS 1.25 Satz 2 solange auszugehen, bis "das Management entweder beabsichtigt, das Unternehmen aufzulösen oder das Geschäft eizustellen oder bis das Management keine realistische Alternative mehr hat als so zu handeln". Die Fortführungsprognose ist nach IAS 1.26 Satz 1 auf einen Zeitraum von wenigstens 12 Monaten in der Zukunft zu beziehen. Maßgeblich sind zwar grundsätzlich die Verhältnisse am Bilanzstichtag.[389] In der bei Aufstellung anzustellenden Fortführungsprognose sind aber auch bestandsgefährdende ("wertbegründende") Verschlechterungen der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage nach dem Abschlussstichtag bis zur Freigabe der Veröffentlichung des Jahresabschlusses zu berücksichtigen.[390] Die Eröffnung eine Insolvenzverfahrens ist weder notwendige noch hinrei...
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