Tz. 129
Bis 1989 entwickelten sich die Rechnungslegungsgrundsätze für den Jahresabschluss nach IFRS ohne dokumentierte Leitlinien allein durch die kasuistischen Festschreibung von Kompromissen zwischen den vorherrschenden Bilanzierungsregeln (sog. best practice) der damaligen im IASC vertretenen Länder.[336] Entsprechend der Zusammensetzung des IASC[337] dominierte der Einfluss der angloamerikanischen Bilanzierungstradition (vgl. Kapitel 1). Ein konzeptionell gefestigtes System der Bilanzierungszwecke und Bilanzierungsgrundsätze bestand nicht.
Das Rahmenkonzept wurde 1989 vom IASC als Leitlinie für die Entwicklung weiterer Standards, aber auch als Auslegungshilfe veröffentlicht und war geprägt durch den Rechtsvergleich mit dem Conceptual Framework des amerikanischen Standardsetzers FASB.[338] Im Jahr 2001 wurde es unverändert vom IASB übernommen. Dieses Rahmenkonzept von 1989 ist die Grundlage für die meisten bisher in Unionsrecht überführten Standards. Die Hoffnung, mit einem Rahmenkonzept könnte sich ein prinzipienbasiertes Rechnungslegungssystem entwickeln hat sich bis heute nicht erfüllt.[339]
Von 2004–2010 arbeiteten IASB und das FASB an einem gemeinsamen Rahmenkonzept (joint conceptual framework project).[340] Das Gesamtprojekt war in acht Teilphasen aufgeteilt.[341] Ziel war ein prinzipienbasiertes, in sich geschlossenes und international akzeptiertes Rahmenkonzept, welches gewährleistet, dass IFRS-Abschlüsse Informationen für Investitionen, Kreditgewährung und ähnliche Entscheidungssituationen bereitstellen. Aus der Perspektive des IASB sollten die IFRS damit noch stärker auf das Ziel einer kapitalmarktorientierten Finanzberichterstattung ausgerichtet werden.[342] Abgeschlossen wurde im gemeinsamen Projekt nur Phase A, Ziele und qualitative Anforderungen (objectives and qualitatives characteristics), mit der Veröffentlichung der neu gefassten Kapitel 1, The Objective of General Purpose Financial Reporting und Kapitel 3, Qualitative Characteristics of Useful Financial Information in einem überarbeiteten Rahmenkonzept vom 28.9.2010.[343] Wesentliche Unterschiede bestehen in der Zwecksetzung der Rechnungslegung. Das Rahmenkonzept 2010 akzentuiert die Kapitalmarktorientierung und den Fair-Value-Gedanken[344] und lässt die Dokumentations- und Rechenschaftsfunktion zurücktreten.[345] Das Vorsichtsprinzip, das bereits im Rahmenkonzept 1989 nur als Sorgfaltsmaßstab formuliert war (vgl. IASC F.37 (1989)), wurde ganz aufgegeben. IASB und FASB sahen es als mit dem Neutralitätsgrundsatz unvereinbar an.[346] Seit 2010 mischen sich im Rahmenkonzept mit den alten und neuen Teilen auch die älteren und jüngeren Zielsetzungen. In der Praxis wird nach wie vor das Rahmenkonzept von 1989 stärker wahrgenommen, weil nur dieses durch die Europäische Kommission amtlich veröffentlicht und deshalb im Unterschied zu den jüngeren Teilen des Rahmenkonzepts lizenzfrei nachgedruckt werden kann.[347]
IAS 1 vereint heute einzelne Rechnungslegungsgrundsätze die früher über verschiedene Standards verstreut waren. Rahmengrundsätze der Bilanzierung skizzierten bereits der 1975 herausgegebene IAS 1: Angaben zu Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden, der 1977 veröffentlichte IAS 5: Informationen die im Jahresabschluss anzugeben sind und der 1979 verabschiedete IAS 13: Darstellung der kurzfristigen Vermögenswerte und kurzfristigen Schulden. Alle drei Standards sind 1997 durch IAS 1: Darstellung des Abschlusses ersetzt worden. IAS 1 (1997) übernahm auch einzelne Bilanzierungsgrundsätze aus dem Rahmenkonzept 1989. Er ist 2001 vom IASB übernommen und 2003 sowie zuletzt 2007 in überarbeiteten Fassungen verabschiedet worden. Die 2007 überarbeitete Fassung ist durch VO (EG) Nr. 1274/2008 v. 17.12.2008 (ABl. 2008, L 339, 3, 5) in Unionsrecht überführt worden. Spätere Folgeänderungen ergaben sich aus IFRS 5 (2004), IFRS 7 (2005), Verbesserungen der IFRS (2008, 2009, 2010) und IFRS 9 (2009, 2010). Diese Folgeänderungen sind jeweils durch Änderungsverordnungen ebenfalls in Unionsrecht überführt worden. Im Dezember 2014 sind im Rahmen der Disclosure Initiative IAS 1.10, .31, .54–.55, .82 A, .85, .113–.114, .117, .119 und .122 geändert, IAS 1.30 A, .55 A und .85 A–.85B eingefügt und IAS 1.115 und .120 gestrichen worden.[348] Der geltende IAS 1 (2007) ist nicht mit dem neuen Rahmenkonzept (2010) konsistent.[349]
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