Tz. 132
Das Rahmenkonzept (framework) liefert Indizien für das innere System der IFRS in der Vorstellungswelt des IASB. Es enthält Aussagen über:
- Informationsadressaten, Zweck und Zielsetzung von Abschlüssen (IASC F.9–.21 (1989); IASB F.OB1-.OB21 (2010))
- Zugrunde liegende Annahmen (IASC F.22-.23 [1989]; IASB F.OB17, .4.1 (2010))
- Qualitative Anforderungen an einen Abschluss (IASC F.24–.42 [1989]; IASB F.QC1–.QC34 (2010))
- Wirtschaftlichkeit als Nebenbedingungen der Abschlusserstellung (IASC F.43–.45 (1989); IASB F.QC35–.QC39 (2010))
- Vermutung der Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild durch einen regelgerecht aufgestellten Abschluss (IASC F.46 (1989))
- Abschlussposten des Jahresabschlusses (IASC F.47–.81 [1989]; IASB F.4.2 ff. [2010])
- Prinzipien für den Ansatz (IASC F.82–98 (1989); IASB F.4.37 ff. [2010]) und die Bewertung (IASC F.99–101 (1989)); IASB F.4.54 ff. (2010)) von Abschlussposten
- Kapital- und Kapitalerhaltungskonzepte (IASC F.102–-.110 (1989)); IASB F.4.57 ff. (2010))
Das Rahmenkonzept bildet jedoch weder ein geschlossenes System übergeordneter Rechnungslegungsprinzipien der IFRS, noch ist es die alleinige Grundlage für die Entwicklung neuer Standards. Teilweise erscheint es durch jüngere Standards sogar überholt.[367]
Der ursprüngliche Primärzweck des Rahmenkonzepts war die Dokumentation von Leitlinien zur Weiterentwicklung der Standards durch das IASC und später das IASB.[368] Das ergibt sich aus IASC F.2 (1989): "Dieses Rahmenkonzept ist kein International Accounting Standard und definiert damit keine Grundsätze für bestimmte Fragen der Bewertung oder von Angaben. Keine Passage aus diesem Rahmenkonzept geht einem International Accounting Standard vor". IASC F.1 (1989) adressiert das Rahmenkonzept aber nicht nur an das IASB selbst, sondern auch an die Anwender und öffnet es in IASC F.1(e) (1989) als Auslegungsregel: "Das Rahmenkonzept verfolgt die nachfolgenden Zwecke: (. . .) Unterstützung von Abschlussprüfern bei der Urteilsfindung, ob Abschlüsse den Internationalen Accounting Standards entsprechen". Im Conceptual Framework von 2010 sind beide Zwecke übernommen und zugleich unter den Vorbehalt der Überarbeitung gestellt worden.[369] Durch verschiedene Verweise und Textübernahmen sind die Standards und das Rahmenkonzept vielfältig verwoben.[370] Das Rahmenkonzept kann daher für die Auslegung der Standards weder durch den Verweis auf seine Nachrangigkeit in CF (2010) Purpose and status Satz 6 beiseitegeschoben noch mit dem Hinweis auf seine materielle Übernahme in einzelne Standards allgemein als verbindlich angesehen werden.
Die Bedeutung des Rahmenkonzept bei der Auslegung der IFRS ergibt sich in seiner ursprünglichen Konzeption durch dessen zweifache Funktion:[371] Erstens bilden die dort beschriebenen Ziele ein Indiz für die Rechnungslegungszwecke und damit das innere System der IFRS. Die so ermittelten Rechnungslegungszwecke sind Teil des Maßstabs der teleologischen Auslegung der Standards. Zweitens ist das Rahmenkonzept ein gewichtiger Anhaltspunkt für die historische Auslegung, zumindest für alle nach 1989 durch IASC und IASB verabschiedeten oder geänderten Standards.
Diese zweifache Bedeutung behält das Rahmenkonzept für alle in das Unionsrecht übernommenen Standards. Das Rahmenkonzept ist zwar nicht in Unionsrecht übernommen worden.[372] Aus der Perspektive des IASB und vor dem Methodenhintergrund eines Case Law scheint das konsequent,[373] ist aber durch die Rückverweise auf das Rahmenkonzept in IAS 1.15 und 1.19 (2007) nur noch dann konsistent, wenn man die dort begrifflich zum Rahmenkonzept hergestellte dynamische Verbindung nicht auf das IASC/IASB-Rahmenkonzept, sondern auf Grundsätze ordnungsmäßiger internationaler Rechnungslegung bezieht, die induktiv aus den übernommenen Standards zu gewinnen sind. Die unterlassene Übernahme lässt sich deshalb nur mit einer einseitigen Interpretation der Zwecke des Rahmenkonzepts und mit der Sorge des IASB nachvollziehen, mit den Entwicklungsleitlinien auch die Entwicklungshoheit aus der Hand zu geben. Nach den von der Kommission übernommenen Vorstellungen des IASC sollte es ausdrücklich nicht als Regelquelle dienen.[374]
Das Rahmenkonzept ist aber auch ohne Übernahme in das Unionsrecht bei der Auslegung der unionsrechtlichen Standards zu berücksichtigen. Zunächst muss die Kommission das Rahmenkonzept bei der Entscheidung über die Übernahme der Standards als Auslegungshilfe zu Grunde legen. Damit wird es zugleich zur Quelle der historischen Auslegung der unionsrechtlichen Standards. Hinzu kommt, dass die Kommission das Rahmenkonzept zusammen mit ihren Kommentaren zur VO (EG) 1606/2002 als Auslegungshilfe veröffentlicht,[375] bisher freilich nur das IASC Rahmenkonzept 1989. Damit ist es jedenfalls für die historische Auslegung aller vor dem 28.9.2010 veröffentlichten oder in Unionsrecht übernommenen Standards heranzuziehen.[376] Für eine teleologi...
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