aa) Inhalt und Rechtsnatur der Aufstellungspflicht

 

Tz. 8

Kaufleute und Handelsgesellschaften sind gem. §§ 242 Abs. 13 HGB verpflichtet, zu Beginn ihres Han­delsgewerbes eine Eröffnungsbilanz und zum Schluss jeden Geschäftsjahres eine Bilanz und eine Gewinn- und Verlustrechnung nach den GoB und innerhalb der in §§ 243 Abs. 3 HGB und 264 Abs. 2 HGB geregelten Fristen aufzustellen.

Eine Ausnahme hiervon regelt § 241 Abs. 4 HGB für kleine Einzelkaufleute i. S. d. § 241 a HGB (vgl. Kapitel 2).

Ein Abschluss nach IFRS befreit nicht von der Aufstellung eines Jahres­abschlusses nach den §§ 242, 264 HGB. Ein Einzelabschluss nach IFRS kann aber an Stelle des Jahresab­schlusses nach HGB offengelegt werden (§ 325 Abs. 2a Satz 1 HGB, vgl. Kapitel 18).

Mehrere selbständige Unternehmen bilden bei Handels­gesell­schaften ein einheitliches Handels­ge­wer­be, für das ein Jahresabschluss aufzustellen ist. Ein­zelunternehmer können aber nebeneinander ein Handelsgewerbe und ein Klein­ge­wer­be unterhalten.[37] Dann sind sie nur für das Handelsgewerbe verpflichtet, einen Jahresabschluss aufzustellen, wenn allein damit die Schwellenwerte des § 241a HGB überschritten werden. Mehrere Handelsgeschäfte eines Ein­zelkaufmanns, sind auch wenn sie unter verschiedenen Firmen betrieben werden, in einem Jahresabschluss zusammenzufassen (arg. Wortlaut „seines Handels­gewer­bes” und Gedanke des § 1 Abs. 5 PublG).[38]

Für Kapitalgesellschaften und haftungsbeschränkte Personengesellschaften i. S. d. § 264d HGB erweitert § 264 Abs. 1 Satz 1 die Aufstellungspflichten um den Anhang und außer­halb des Jahresabschlusses um den Lage­be­richt (vgl. Kapitel 3). Für kapital­markt­orien­tier­te Kapitalgesellschaften (vgl. Kapitel 3) erweitert § 264 Abs. 1 Satz 2 HGB den Pflich­ten­ka­ta­log zusätzlich um eine Kapitalflussrechnung und einen Eigenkapitalspiegel. Freiwillig kann der Jahresabschluss um eine Segmentberichterstattung erweitert werden. Kleine Kapital­ge­sell­schaften i. S. d. § 267 HGB müssen keinen Lagebericht, Kleinstkapitalgesellschaften i. S. d. § 267a HGB auch keinen gesonderten Anhang aufstellen (vgl. Kapitel 3).

Die Pflichtbestandteile des Jahresabschlusses bilden nach §§ 242 Abs. 3, 264 Abs. 1 Satz 1 HGB eine Einheit. Alle auf den Jahres­ab­schluss be­zogenen Pflichten, die Regelungen zur Fest­stellung des Jahresabschlusses sowie die Regelungen zur gesetzlichen Prüfung und Offen­le­gung beziehen sich auf sämt­liche Bestandteile des Jahresabschlusses und müssen gleichzeitig für die Einheit aus allen Bestandteilen erfüllt werden.[39] Ebenso beziehen sich die qualitativen An­forde­rungen an den Jahresabschluss auf die Einheit als Ganzes. Die Aussagen der ein­zel­nen Teile dür­fen nicht isoliert voneinander betrachtet werden.[40]

 

Tz. 9

Die Aufstellung des Jahresabschlusses ist eine Geschäftsführungsmaßnahme. Über die Bi­lanzpolitik, die Ausübung von Wahlrechten und Ermessensspielräumen bestimmt bei Han­dels­gesellschaften das geschäftsführende Organ ebenso wie es die erforderlichen Prognosen für die Aufstellung des Jahresabschlusses vornimmt.[41] Nicht geschäftsführungsbefugte Ge­sell­schafter können auf die zulässigen bilanzpolitische Maßnahmen im Rahmen der Aufstellung kei­nen Einfluss nehmen.[42]

Bei Ein­zelkaufleuten wird durch die Aufstellung nur die öffentlich-rechtliche Verpflichtung des § 242 HGB erfüllt.[43] Bei Handelsgesellschaften hat die Pflicht des § 242 HGB dagegen eine rechtliche Dop­pel­natur.[44] Sie ist einerseits öffentlich-rechtliche Verpflichtung. Andererseits konkretisiert sie die Rechenschaftspflicht der Geschäftsführung gegenüber den Gesellschaftern im Innenverhältnis und ist daher dort auch privatrechtlicher Natur.

[37] Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 1 HGB Rn. 29.
[38] Hoffmann/Lüdenbach, HGB, § 242 HGB Rn. 1.
[39] Reiner, in: MüKo-HGB, § 264 HGB Rn. 6; Winkeljohann/Schellhorn, in: BeckBilKo, § 264 HGB Rn. 8.
[40] Mit Hinweis auf das Einblicksgebot des § 264 Abs. 2 HGB: Winkeljohann/Schellhorn, in: BeckBilKo, § 264 HGB Rn. 9.
[41] Crezelius, in: Scholz, GmbHG, § 42a GmbHG Rn. 30; Hennrichs/Pöschke, in: MüKo-AktG, § 172 AktG Rn. 20; Pöschke, in: GroßKo-HGB, § 242 HGB Rn. 17; Priester, in: MüKo-HGB, § 120 HGB Rn. 46 f; Schäfer, in: GroßKo-HGB, § 120 HGB Rn. 14.
[42] Priester, in: MüKo-HGB, § 120 HGB Rn. 47.
[43] Braun, in: KK-RechnR, § 242 HGB Rn. 2.
[44] Pöschke, in: GroßKo-HGB, § 242 HGB Rn. 17.

bb) Eröffnungsbilanz (Beginn der Aufstellungspflicht)

 

Tz. 10

Der Kaufmann hat zu Beginn seines Handelsgewerbes eine Eröffnungsbilanz aufzustellen. Das ist der Zeitpunkt, ab dem der Kaufmann ein selbständiges Handelsgewerbe erstmals als sein eigenes betreibt. Daraus folgt, dass eine Eröffnungsbilanz auch bei einem Inhaberwechsel vom Erwer­ber aufzustellen ist und zwar unabhängig vom Erwerbsgrund. Deshalb muss etwa auch der Erbe eine Eröffnungsbilanz aufstellen, wenn er das Handelsgewerbe des Erblassers fortführt.[45] Eine Er­öffnungsbilanz ist auch in den Fällen der wirt­schaftlichen Neugründung eines Handels­ge­werbes aufzustellen, z. B. nach Aktivierung einer Vorratsgesellschaft oder Wieder­be­lebung einer Gesell­schaft nach Abschluss eine...

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