a) Pflicht zur Aufstellung des Abschlusses nach IFRS
Tz. 46
Art. 4 VO (EU) 1606/2002 v. 19.7.2002[120] schreibt in der EU börsennotierten Mutterunternehmen vor, einen konsolidierten Abschluss nach den unionsrechtlichen IFRS aufzustellen. Die Vorschrift ist als Verordnung unmittelbar für die adressierten Mutterunternehmen verbindlich. Sie bedarf nicht der Umsetzung in nationales Recht. Durch § 315a HGB wird sie konkretisiert und im Anwendungsbereich ergänzt. Börsennotiert i. S. d. Art. 4 VO (EU) 1606/2002 sind Mutterunternehmen, die selbst solche Eigenkapital- oder Fremdkapitalinstrumente emittiert haben, welche am Bilanzstichtag an einem geregelten Markt in einem EU-Mitgliedstaat gehandelt werden. Geregelte Märkte sind die üblichen Börsenplätze. Art. 4 VO (EU) 1606/2002 verweist dazu auf die Definition in Art. 1 Nr. 13 i.V.m Anlage B der Richtlinie 93/22/EWG v. 10.5.1993 über Wertpapierdienstleistungen[121]. Werden nur die Wertpapiere einer Tochtergesellschaft an einem geregelten Markt gehandelt, nicht aber solche der Muttergesellschaft, besteht keine Pflicht zur Aufstellung eines IFRS-Abschlusses.[122] Eine weitergehende Pflicht zur Aufstellung des Abschlusses nach IFRS ergibt sich aus dem Unionsrecht nicht.
Die Vorschriften der § 315a HGB konkretisieren in Abs. 1 die unionsrechtliche Pflicht und erweitern sie in Abs. 2, eng begrenzt, auf Mutterunternehmen, die am Bilanzstichtag die Zulassung zu einem geregelten Markt beantragt haben. Die handelsrechtlichen Vorschriften über die Aufstellungsverantwortung der Geschäftsleitung (vgl. Tz. 16), die Aufstellungsfrist (vgl. Tz. 121), die Feststellung und die Prüfung gelten danach entsprechend auch für den IFRS-Abschluss.[123] Nicht in der EU am Bilanzstichtag i. d. S. gegenwärtig oder beantragt börsennotierte und zugleich konzernrechnungslegungspflichtige Gesellschaften sind nicht gesetzlich verpflichtet einen Abschluss nach IFRS aufzustellen.
Für nicht börsennotierten Mutterunternehmen besteht gem. § 315a Abs. 3 HGB ein Wahlrecht für den Konzernabschluss. Er kann nach den Vorschriften gem. §§ 290 ff. HGB oder nach den unionsrechtlichen IFRS aufgestellt werden.
Eine weitergehende Pflicht zur Aufstellung des Einzel- oder Konzernabschlusses nach IFRS kann sich aus dem Gesellschaftsvertrag, der Satzung oder einer etwa gegenüber Gläubigern bestehenden schuldrechtlichen Verpflichtung ergeben. Dort kann auf die unionsrechtlichen (EU-IFRS) oder internationalen (IASB-)IFRS verwiesen werden. Welcher Dialekt der IFRS in Bezug genommen wird, ist durch Auslegung zu ermitteln. Die Ausgestaltung der Pflichten zur Aufstellung, Prüfung und Feststellung eines nicht gesetzlich verpflichtend aufzustellenden IFRS-Abschluss ergeben sich dann ausschließlich aus den gesellschaftsvertraglichen und anderen schuldrechtlichen Vereinbarungen. Die IFRS gehen nur punktuell ohne Regelungswirkung davon aus, dass der Abschluss vom "Management" aufgestellt wird (vgl. IAS 1.105)[124]. Die gesetzlichen Vorschriften gelten, soweit sie nicht ausdrücklich auch auf die internationalen Rechnungslegungsstandards bezogen sind, nur für den handelsrechtlichen Jahres- und Konzernabschluss (Beispiel für eine solche Erweiterung: § 325 Abs. 2b HGB).
Ein nicht gesetzlich vorgeschriebener Konzernabschluss und ein Einzelabschluss nach IFRS haben keine befreiende Wirkung auf die handelsrechtlichen Pflichten, einen Jahresabschluss aufzustellen. Ein nach IFRS veröffentlichter Einzelabschluss kann aber von der Plicht zur Offenlegung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses befreien (§ 325 Abs. 2a HGB).
Berichtszeitraum ist nach IAS 1.36 grundsätzlich ein Jahr. Die IFRS schreiben keine gesonderten Abschlüsse für Rumpfgeschäftsjahre vor, sondern gehen von einem Wahlrecht aus, das auch ein länger als 12 Monate dauerndes Übergangsgeschäftsjahr ermöglicht.[125] Das ergibt sich aus IAS 1.36, der für Geschäftsjahre, die länger oder kürzer als ein Jahr sind, nur zusätzliche Erläuterungen vorschreibt und IAS 1.37,dem sich eine Rechtfertigungspflicht für kürzere oder längere Geschäftsjahre entnehmen lässt.[126] Für die Abschlüsse von Unternehmen, für die deutsches Handels- und Gesellschaftsrecht gilt, muss das Geschäftsjahr den dafür vorgesehenen Regelungen entsprechen. Dazu zählen für einen nach § 315a HGB befreienden Konzernabschluss die Grundsätze ordnungsmäßiger Konzernrechnungslegung. Sie schreiben ein höchstens 12 Monate langes Geschäftsjahr vor.[127]
Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Merkt, Rechnungslegung nach HGB und IFRS (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?
Jetzt kostenlos 4 Wochen testen
Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen