Tz. 47

Das Gesetz bedient sich mit "tatsächliche Verhältnisse" eines unbestimmten Rechtsbegriffs, für den weder Interpretationsmaterial noch Regelbeispiele existieren. Jeder Unternehmer und Investor wird die Verhältnisse anders beurteilen. Ein Investment ist ja gerade dann lohnend, wenn die Mehrheit von einer Investition absieht und nur der einzelne Investor bzw. Unternehmer die Verhältnisse als positiv beurteilt (und damit am Ende auch Erfolg hat). Daher kann es für "tatsächliche Verhältnisse" nicht per se auf Zeitwerte ankommen. Andernfalls müssten stille Reserven durch Anhangangaben immer offengelegt werden. Das deutsche Handelsbilanzrecht ist gerade vom Vorsichts- und Realisationsprinzip geprägt, sodass stille Zwangsreserven gerade nicht den tatsächlichen Verhältnissen widersprechen. Daher kann die bloße Befolgung der GoB bei der Rechnungslegung nicht dazu führen, dass ein von den tatsächlichen Verhältnissen abweichendes Bild entsteht.[80] So muss insbesondere beim Wertanstieg von Beteiligungen, verbundenen Unternehmen oder Grundstücken nicht auf die zusätzlichen stillen Reserven hingewiesen werden.[81] Anders verhält es sich jedoch, wenn das Bilanzbild eine Folge von nicht der geschäftsüblichen Tätigkeit entsprechenden Maßnahmen ist.

[80] I.Erg. auch Hüttemann/Meyer, in: GroßKo-HGB, § 264 HGB Rn. 52.
[81] So auch die h. M. ADS, § 264 HGB Rn. 123; Graf/Bisle, in: MüKo-BilR, § 264 HGB Rn. 73; Hüttemann/Meyer, in: GroßKo-HGB, § 264 HGB Rn. 54; Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 264 HGB Rn. 22; Winkeljohann/Schellhorn, in: BeckBilKo, § 264 HGB Rn. 51; a. A. Lachnit, WPg 1993, 193 (200); wohl auch a. A. Schulze-Osterloh, ZHR 150 (1986), 532 (564).

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